Eine Kirche der besonderen Art

  20.02.2025 Bezirk Waldenburg, Baselbiet, Bauprojekte, Waldenburg, Kirche

Vom Kornhaus zum Gotteshaus

Die Waldenburger Gemeindepräsidentin hat unlängst erklärt, dass sie sich einen Verkauf der Kirche vorstellen könnte, um die Unterhaltskosten zu sparen. Denn die Kirche befindet sich im Gemeindebesitz – das ist im Kanton einzigartig. Auch sonst ist das Gotteshaus und dessen Geschichte aussergewöhnlich.

Martin Stohler

Die Kirche von Waldenburg ist das jüngste der drei Gotteshäuser der neuen Kirchgemeinde Langenbruck – Waldenburg St. Peter. Während die Kirche von Langenbruck 1588/90 errichtet wurde und die Kirche St. Peter in Oberdorf 1633 ihre heutige Gestalt bekam, erhielt Waldenburg erst 1834 eine eigene Kirche. Dafür wurde ein Kornhaus umgenutzt.

Vor der Reformation von 1529 mussten die Waldenburgerinnen und Waldenburger den Gottesdienst in der Kirche St. Peter im Nachbardorf besuchen, im Städtchen selbst stand ihnen allenfalls die Kapelle St. Georg zur Verfügung.

Diese Kapelle geht wohl auf die Gründungszeit des Städtchens zurück. Es wird angenommen, dass sie bei einer Belagerung Waldenburgs als Versammlungsort dienen sollte. 1237 kam sie wie die Kirche St. Peter an das Kloster Schöntal. 1447 stifteten Waldenburger eine Frühmesse und erwarben sich damit das Recht, den Geistlichen zu bestimmen, der ihnen passte. 1463 wurde ein Neubau nötig, 1471 erfolgte die Weihe der neuen Kapelle.

Nach der Reformation wurde die Kapelle als solche aufgehoben und hatte keine kirchliche Funktion mehr. Wie das Kloster Schöntal ging sie in den Besitz des Spitals Basel über, das sie an Waldenburger Einwohner vermietete. 1806 sollte die ehemalige Kapelle verkauft und in ein Gefängnis umgewandelt werden. Es zeigte sich aber, dass das Gebäude dafür nicht geeignet war. Schliesslich wurde es von Hieronymus Baumann, Schmied in Waldenburg, erworben.

Kirchgemeinde St. Peter
Waldenburg wurde nach der Reformation Teil der Kirchgemeinde St. Peter, zu der auch Oberdorf, Niederdorf und Liedertswil zählten. Zu den Besonderheiten dieser Kirchgemeinde gehörte es, dass sich die Kirche in Oberdorf, das Pfarrhaus aber in Waldenburg befindet. Dieser Umstand brachte für den Pfarrherrn gewisse Unannehmlichkeiten mit sich, wie ein Gesuch des damaligen Waldenburger Pfarrers Ludwig Blech aus dem Jahr 1716 deutlich macht. Darin bittet Blech, es möge ihm bei der Kirche ein Häuschen erstellt werden, wo der Landvogt und er, aber auch Täuflinge und entfernt wohnende Kirchgänger verweilen könnten, bis sie in der Kirche erscheinen müssten. Weiter merkte er an, es sei unangenehm, im Sommer nachmittags in der Hitze noch einmal zur Kirche zu gehen, um Kinderlehre zu halten. Seine Bitte wurde erhört und das Häuschen gebaut.

Spätestens im Jahr 1812 machte sich in Waldenburg der Wunsch nach einer eigenen Kirche bemerkbar. In jenem Jahr regte Pfarrer Samuel Merian, der von 1791 bis 1816 Pfarrer in Waldenburg war, in einem Memorandum an seine Gemeinde und zuhanden Basels die Einrichtung einer Kirche im Städtchen an. Dabei betonte er, wie viel besser es für Alte und Schwache, für Arme mit schlechter Kleidung, für die Jugend und für Knechte und Mägde sei, eine Kirche in der Nähe zu haben.

Zwar gebe es seit 25 Jahren einen Wochengottesdienst in der Waldenburger Schule, doch fänden Taufen und Hochzeiten noch immer in St. Peter statt. Mit dem Kornhaus, das dem Spital Basel gehöre, sei ein Haus vorhanden, das sich zum Bau einer Kirche eigne. Mit seinem Anliegen stiess Pfarrer Merian vorerst jedoch auf taube Ohren.

1817 doppelte die Gemeinde nach und machte eine eigene Eingabe. In Basel reagierte man darauf mit der Bemerkung, die Waldenburger seien Jahrhunderte hindurch auch ohne Kirche Christen gewesen … 1821 unternahm die Gemeinde, diesmal unterstützt von Statthalter Schmid, einen weiteren Vorstoss bei der Regierung. Schmid wies auch darauf hin, dass das Kornhaus seit einem Jahr leer stehe und für 2400 Franken gekauft werden könne. Auf diese Eingabe folgten Abklärungen, die schliesslich im Sand verliefen. Wenig hilfreich war, dass Merians Nachfolger, Pfarrer Emanuel Meyer, der die Eingabe von 1817 noch unterstützt hatte, in der Zwischenzeit seine Meinung geändert hatte.

1829 kam die Frage erneut aufs Tapet. Die anschliessenden Abklärungen des Statthalters ergaben, dass niemand Waldenburg eine eigene Kirche missgönne, aber auch niemand etwas daran leisten wolle.

Eigentum der Gemeinde
Die Trennungswirren spalteten die Kirchgemeinde in zwei Lager: Oberund Niederdorf hielten zur Stadt, Liedertswil und Waldenburg zur neuen Regierung. Diese erteilte am 1. März 1833 die Bewilligung für den Bau der neuen Kirche. Darauf wurde in Waldenburg eine Baukommission gewählt, welcher der «Löwen»-Wirt Johann Jörin, damals Landrat, und Martin Thommen, Oberrichter, beide einst Mitglieder der provisorischen Regierung, angehörten.

Im Kornhaus wurde der erste Kornboden entfernt und der zweite mit Säulen gestützt. Im Obergeschoss befanden sich bereits die neuen Schulräume, die Schulstube, Küche und Lehrerwohnung. Die Kirche wurde im Empirestil eingerichtet. Die dreischiffige Decke ruhte auf hohen Säulen. Kanzel, Altar und Orgelprospekt waren zum Teil marmoriert. Schon 1834 konnte in der neuen Kirche gepredigt werden. Die Kosten betrugen 8900 Franken.

Waldenburg hätte es gerne gesehen, wenn der Staat die Kosten für den Kirchenbau übernommen und die Kirche zum Staatsgut erklärt hätte. Aber davon wollte man in Liestal nichts wissen, und so blieb die Kirche im Eigentum der Einwohnergemeinde – ein Unikum im Kanton Basel-Landschaft.

Kirchturm mit Terrasse
Was jetzt noch fehlte, war ein Kirchturm. Dieser wurde 1841 errichtet. Bemerkenswert ist, dass er über eine Aussichtsterrasse verfügt. Die vier Glocken des Turms haben ein Gesamtgewicht von 50 Zentnern. Gegossen wurden sie von Glockengiesser Rüetschi in Aarau.

1955 beschloss die Gemeinde eine umfassende Renovation der Kirche. Dabei wurde das Innere stark umgestaltet und eine neue Orgel angeschafft. Für die Renovation hatte die Gemeinde einen Kredit von 215 000 Franken bewilligt. Bei einer späteren Sanierung wurde das Dach vollständig erneuert, auch am Turm wurden Arbeiten ausgeführt und das Glockengeläut saniert. Dieses Mal beliefen sich die Kosten auf rund 400 000 Franken. Dafür steuerte der Kanton aus dem Lotteriefonds («Swisslos») 175 000 Franken bei, während die Reformierte Kirchgemeinde Waldenburg St. Peter 40 000 Franken übernahm, sodass, wie Markus Meyer in der «Heimatkunde Waldenburg» 2011 schrieb, «die Kosten für die Gemeinde in einem vertretbaren Rahmen gehalten werden konnten».

Quellen: Heinrich Weber:
Geschichte von Waldenburg (1957),
Heimatkunde Waldenburg (2011).


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