«Der Entscheid fiel unter Tränen»
29.02.2020 Bezirk Sissach, Gesellschaft, Sissach, Gesundheit, FasnachtFGS-Präsident Fabio Fedriga begründet Totalabsage
Die Fasnachtsgesellschaft Sissach bläst die ganze Fasnacht ab. Cliquen und Sicherheitskräfte werden informiert und Toiletten abbestellt. Die Vorstandsmitglieder werden am Sonntag Plaketten und «Glöggeliwagä» verkaufen, um den finanziellen Verlust etwas zu mildern.
Christian Horisberger
2006 drohte der Umzug im Schnee zu versinken, vergangenes Jahr stürmte es während der «Chluuri»-Verbrennung. Jetzt müssen Sie die Fasnacht wegen des Coronavirus ganz absagen. Herr Fedriga, wie schwer haben Sie sich damit getan?
Fabio Fedriga: Wir haben uns am Freitagmittag zu einer Krisensitzung getroffen. Der Bundesrat hatte da schon klar informiert, dass Anlässe mit mehr als 1000 Personen verboten sind. Ich hatte auch bereits mitverfolgt, wie die Basler Regierung über die Absage der dortigen Fasnacht informierte. Dass unser Umzug ausfallen würde, war sofort klar. Diskutiert haben wir darüber, ob die Anlässe mit weniger als 1000 Personen trotzdem stattfinden können. Es war ein einstimmiger Beschluss, alles abzusagen. Er fiel unter Tränen. Es ist für alle ausserordentlich schwer und wir bedauern es wahnsinnig.
Warum haben Sie auch die Anlässe unter der kritischen Grenze gestrichen?
Tatsächlich waren die Beizenfasnacht – der «Ursprung» –, der Kinderball und der Schnitzelbankabend ein Thema. Aber wenn man den Schnitzelbankabend als Beispiel nimmt, haben wir auch wieder einen Anlass mit 1000 Personen – verteilt in 14 Beizen … Wir haben entschieden, unter die diesjährige Fasnacht den Schlussstrich zu ziehen und freuen uns auf die Fasnacht 2021.
Eine Verschiebung ist keine Option?
Nein. Das ist heutzutage nicht mehr möglich. Und selbst wenn: Stellen Sie sich vor, dass wir alles erneut organisieren und dann grassiert noch immer Corona. Nein, danke.
Welche Aufgaben stehen nun für das Organisationskomitee an?
Wir werden die Aktiven sofort auf allen Kanälen über die Absage informieren. Lieferanten und weitere Organisatoren und Partner, zum Beispiel für Feuerwerk, Funkgeräte, Toiletten, auch Beizer, Feuerwehr oder Polizei, informieren wir mündlich, ebenfalls schnellstmöglich. Wir versuchen damit, die Kosten tiefstmöglich zu halten.
Die Plaketten sind gestanzt, der «Glöggeliwagä» gedruckt. Die kann man nicht abbestellen oder zurückgeben.
Alle Vorstandsmitglieder werden am Sonntag mit Megafonen durch die Gassen und Beizen ziehen, um möglichst viele «Glöggeliwagä» zu verkaufen. Mehr als 1000 Exemplare haben wir drucken lassen. Wir werden auch Plaketten mitnehmen und hoffen, dass wir viele Leute finden, die uns aus Solidarität Plaketten abkaufen. Üblicherweise verkaufen wir während der Fasnacht einen Drittel der Plaketten.
Die geplatzte Fasnacht dürfte ein gehöriges Loch in die Kasse der FGS reissen. Wie hoch ist das Budget der Sissacher Fasnacht und was kostet der Ausfall?
Unser Budget liegt bei 150 000 Franken. Wir werden voraussichtlich einige 10 000 Franken verlieren. Wie gross das Loch sein wird, lässt sich nicht abschätzen. Es hängt davon ab, ob und wie weit uns Lieferanten, die bereits Leistungen erbracht haben, entgegenkommen.
Kann sich die FGS den Verlust leisten?
Uns wird es nach wie vor geben.
Mit der Absage kann nicht verhindert werden, dass Cliquen trotzdem ausrücken und in Sissach Fasnacht machen. Was bedeutet dies für die FGS?
Für uns bedeutet das nichts. Wir sagen unsere Anlässe ab und tragen somit auch keine Verantwortung mehr. Wir weisen die Cliquen jedoch darauf hin, dass es ohne Fasnacht illegal ist, mit den nicht strassenverkehrstauglichen Fasnachtswagen auf die Strasse zu gehen. Sie würden Bussen riskieren. Wir appellieren daher an unsere Aktiven, sich zurückzuhalten.
Dann sollen die Fasnächtler gleich ganz zu Hause bleiben?
Wenn ein Fasnächtler einfach nur kostümiert nach Sissach kommt, dann freut mich das. Das ist auch uns gegenüber eine schöne Geste.