«Steuern rauf oder Schwimmbad schliessen»

  19.12.2024 Bezirk Waldenburg, Waldenburg

Die Baselbieter Regierung toleriert kein weiteres Defizit der Gemein de Waldenburg. Das Budget 2025 wird daher nicht genehmigt. Die Gemeinde muss laut Regierung nun die Steuern erhöhen oder ihr Schwimmbad schliessen.

David Thommen

Dass die Einwohnergemeinde Waldenburg chronisch von Finanzsorgen geplagt wird, ist seit Jahren ein grosses Thema. Kein Diskussionspunkt war dies allerdings an der Budgetgemeindeversammlung, die am 2. Dezember über die Bühne ging: «Für einmal blieb das Budget nur ein Nebenschauplatz», hiess es nach der Versammlung in der «Volksstimme». Der Voranschlag mit einem voraussichtlichen Mehraufwand von 44 000 Franken sei praktisch ohne Diskussion einstimmig verabschiedet worden.

Wie sich nun zeigt, stand das Budget an der Gemeindeversammlung völlig zu unrecht nicht im Brennpunkt des Interesses. Denn die abgesegneten 44 000 Franken Defizit brachten das Fass beim Kanton zum Überlaufen.

Statt weitere Schulden anzuhäufen, müssten diese nun zwingend abgetragen werden, teilte die Kantonsregierung gestern mit – und erklärte den Waldenburger Voranschlag kurzerhand für ungültig.

Entweder oder
Gleichzeitig weist die Regierung die Gemeinde ultimativ an, nun sofort auf die Sparbremse zu treten, um den immer höher werdenden Bilanzfehlbetrag zu reduzieren: «Entweder die Gemeinde erhöht den Steuerfuss auf mindestens 72 Prozent oder aber sie schliesst das Schwimmbad», schreibt die Regierung in ihrer Medienmitteilung.

Und weiter: «Sollte die Einwohnergemeinde Waldenburg der Weisung nicht folgen, behält sich der Regierungsrat im Rahmen seiner Aufsichtspflicht vor, weitergehende Massnahmen zu ergreifen und beispielsweise den Steuerfuss per Verfügung festzulegen.»

Um ein Beispiel für ein solch dezidiertes Einschreiten des Regierungsrats aufgrund einer desolaten Finanzsituation einer Baselbieter Gemeinde zu finden, muss man weit zurückblättern. Vermutlich sei 1991 letztmals die aufsichtsrechtliche Sanierung der Finanzlage in einem Dorf angeordnet worden, erinnert man sich vage auf der kantonalen Finanzdirektion – getroffen habe es damals Rickenbach.

Steigender Bilanzfehlbetrag
Martina Rupp, die stellvertretende Generalsekretärin der Baselbieter Finanz- und Kirchendirektion (FKD), erläutert die getroffene Weisung an die Adresse des Waldenburger Gemeinderats: Ein Bilanzfehlbetrag bestehe im Bezirkshauptort seit dem Jahr 2020. Das Gesetz sehe vor, dass ein solches Defizit innerhalb von fünf Jahren abgetragen werden müsse. Ende 2024 laufe die Frist nun aus.

In Waldenburg sei deutlich zu wenig unternommen worden – im Gegenteil zeichne sich sogar eine weitere Verschlechterung der Lage ab: Ende 2023 habe der Bilanzfehlbetrag der Gemeinde rund 840 000 Franken betragen. Laut der Schätzung über den Abschluss der Jahresrechnung 2024 sowie dem nun genehmigten Voranschlag 2025 werde sich der Waldenburger Bilanzfehlbetrag bis Ende 2025 voraussichtlich auf fast 1,5 Millionen Franken aufsummieren. Pro Kopf werde der Fehlbetrag dannzumal bei rund 1300 Franken liegen, was nicht mehr akzeptabel sei.

Waldenburg müsse zeitnah handeln, sagt Rupp namens des Regierungsrats. Eine Erhöhung des soeben bestätigten Steuerfusses von 69,5 auf 72 Prozent würde eine Verbesserung des Ergebnisses um 74 000 Franken bringen. Die wahlweise Schliessung des Freibads – laut FKD gehört ein solches nicht zur Grundausstattung von Gemeinden mit vergleichbarer Grösse – würde mit einer Einsparung von 30 000 Franken deutlich weniger einschenken. Daher seien für diesen Fall weitere Einsparungen und/oder Mehreinnahmen gefordert, sagt Rupp.

Die Gemeinde ist von der Regierung angewiesen worden, das Budget 2025 zu überarbeiten und spätestens bis Mitte/Ende Februar von der Gemeindeversammlung bewilligen zu lassen. Ansonsten müsse der Kanton einschreiten. Es gehe nicht zuletzt darum, die schlimmstenfalls drohende Zahlungsunfähigkeit der Gemeinde zu verhindern, verdeutlicht FKD-Vertreterin Martina Rupp.

Klar ist allerdings bereits jetzt, dass der aufgelaufene Finanzfehlbetrag nicht wie vom Gesetz gefordert bis Ende 2024 vollständig getilgt werden kann. Der Regierungsrat sei daher bereit, die Frist dafür zu verlängern. Vorgesehen sei eine solche Regelung im Gesetz zwar nicht, doch hierbei handle es sich um ein Entgegenkommen des Regierungsrats, heisst es bei der FKD auf Nachfrage.

Geschah das sehenden Auges?
Warum kommt die recht harsche Weisung der Regierung an die Adresse Waldenburgs erst im Nachgang zur ruhig verlaufenen Budget-Gemeindeversammlung vom 2. Dezember? Wäre ein lauter Warnschuss im Vorfeld der Versammlung nicht sinnvoller gewesen?

Bei der kantonalen Finanzdirektion winkt man ab: Seit Jahren finde ein regelmässiger Austausch zwischen dem Gemeinderat und dem Kanton statt, sagt Rupp. Waldenburg habe bereits seit vielen Jahren mehrfach Aufwandüberschüsse verzeichnet und auch Härtebeiträge des Kantons beansprucht. Der Gemeinde sei immer wieder Hilfe angeboten worden, um Massnahmen aufzuzeigen, wie sie den Fehlbetrag abbauen könnte. Überraschend, so Rupp, kämen die nun erlassenen Weisungen des Regierungsrats für den Gemeinderat daher nicht – auch wenn es im dortigen Gremium zuletzt zu Wechseln gekommen sei.

Hat Gemeindepräsidentin Andrea Sulzer im Vorfeld der Gemeindeversammlung nicht erkannt, dass die Genehmigung des defizitären Budgets ein Eingreifen des Kantons nach sich ziehen wird? «Wir waren in regelmässigem Austausch mit dem Kanton und hatten positive Zeichen hinsichtlich unserer Sanierungsbemühungen erhalten. Über die geplante Weisung wurden wir erst kurzfristig vorinformiert», sagt sie gegenüber der «Volksstimme». Der Antrag an die Regierung um einen Aufschub der Massnahmen sei dann aber abgelehnt worden. Sulzer zeigt auch Verständnis: «Die Regierung muss sich ans Gesetz halten.»

Was nun passiert ist, sei dennoch schade. Die Gemeinde sei aufgrund einer externen Finanzanalyse mitten in einem Sanierungsprozess und habe den Haushalt im Vergleich zu den Vorjahren bereits stark verbessert; eine Vielzahl von Sparmassnahmen sei getroffen worden. Aber leider habe man es nicht geschafft, die 44 000 Franken Budgetdefizit beseitigen zu können. Sulzer: «Wir haben alles gegeben, doch es hat noch nicht gereicht.»

Daher bleibe Waldenburg nun nichts anderes übrig, als den Voranschlag zu überarbeiten und im Februar der Gemeindeversammlung nochmals vorzulegen. Am Schluss müssten die Einwohnerinnen und Einwohner entscheiden, ob sie sich für die Steuererhöhung oder für die Schliessung des Schwimmbads samt einigen weiteren kleinen Sparmassnahmen entscheiden.


Image Title

1/10

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Haben Sie noch kein Konto? Registrieren Sie sich hier

Ja. Ich benötige ein Abo.

Abo Angebote