Sebastian Schanzer

Frau Gschwind, Ihre erste Woche im neuen Jahr hat bereits mit Protesten vor dem Regierungsgebäude gegen die vom Regierungsrat beschlossenen Schutzmassnahmen an den Schulen begonnen. Waren Sie vor Ort?
Monica Gschwind: Nein, war ich nicht.

Warum nicht?
Die Organisatorin der Kundgebung hat mich zwar eingeladen. Doch erachte ich es als schwierig, sich in diesem Rahmen wirklich auszutauschen. Deshalb habe ich ihr und einer kleinen Delegation ein Gespräch angeboten. Dieses hat inzwischen stattgefunden. Obwohl die Haltungen bezüglich Notwendigkeit der aktuellen Massnahmen weiterhin stark auseinandergehen, hat das Gespräch einen Mehrwert gebracht. Wir haben beispielsweise geklärt, bei welchen Stellen sie ihre Anliegen deponieren können und einen Antrag zum Homeschooling entgegengenommen.

Einerseits gibt es diese Gruppe von Erziehungsberechtigten, die für die Aufhebung der Testund Maskenpflicht kämpft, andererseits gibt es seitens Lehrpersonal schon lange Forderungen nach mehr Schutz an den Schulen. Lassen Sie sich von Protesten beeindrucken?
Ich nehme alle Äusserungen sehr ernst, auch jene besorgter Eltern. Die unterschiedlichen Haltungen zur Pandemie sind ein Abbild der Gesellschaft. Damit muss ich umgehen können. Für mich als Bildungsdirektorin ist es das Wichtigste, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Danach richten sich alle Schutzmassnahmen, die wir für die Schulen ergreifen. Wenn Eltern von jüngeren Schülerinnen und Schülern sich jetzt Sorgen machen, dass das Tragen einer Maske ihrem Kind schaden könnte, empfehle ich ihnen, Rücksprache mit dem Kinderarzt oder der Kinderärztin zu nehmen. Ich möchte aber betonen: Es gibt sehr viele Eltern, die diese Massnahmen begrüssen und mittragen. Gerade für den gestaffelten Einstieg in den Präsenzunterricht haben sich Eltern ausdrücklich bedankt, weil ihnen das Sicherheit gibt.

Baselland ist der einzige Kanton, der den Unterricht vor Ort erst dann beginnt, nachdem alle Kinder negativ getestet wurden. Zusätzlich gilt die Maskenpflicht neu ab der 1. Klasse, und alle Kinder müssen am «Breiten Testen» teilnehmen. Werden diese Massnahmen unsere Schulen vor der Omikron-Welle schützen?
Natürlich hoffe ich, dass die Schutzmassnahmen greifen werden. Wie sich die Lage weiterentwickelt, weiss letztlich aber niemand. Ein guter Schulstart im neuen Jahr, unter grösstmöglichem Gesundheitsschutz für alle in den Schulbetrieb involvierten Personen, war mir sehr wichtig. Wir haben die Lage vor den Festtagen gut analysiert und gesehen, dass es vor allem bei den jüngeren Kindern zu vielen Ausbrüchen gekommen war. Entsprechend war auch das Lehrpersonal der unteren Klassen am stärksten betroffen. Dort, wo die Maskenpflicht für Schülerinnen und Schüler bereits galt, kam es nachweislich zu weniger Ansteckungen. Deshalb hat der Regierungsrat auf Empfehlung des kantonsärztlichen Dienstes die Maskenpflicht ausgeweitet.

Sie gehen dabei den Weg über die Pflicht. Werden Widerständige sanktioniert?
Wer sich in dieser ersten Woche nicht testen lassen will, muss für sieben Tage in Quarantäne. Danach müssen die Schulen das Gespräch mit den Eltern suchen. Wenn keine Einigung erzielt werden kann, besteht die Möglichkeit von Disziplinarmassnahmen. Dies kann bis zu einer Busse gehen. Wichtig ist jedoch, für die betroffenen Schülerinnen und Schüler einen guten Weg zu finden, um sie im Unterricht zu integrieren, ohne dass sie andere gefährden. Für die Schulen ist das eine grosse Herausforderung.

Die Omikron-Variante gilt als noch ansteckender im Vergleich zu Delta. Wie gross ist Ihre Angst, dass zu viele Lehrerinnen und Lehrer ausfallen, weil sie sich angesteckt haben oder sich in Quarantäne begeben müssen?
Das versuchen wir mit unseren vorsorglichen Massnahmen zu vermeiden. Klar ist: Wenn zu viele Lehrpersonen ausfallen, ist der Unterricht vor Ort gefährdet. Wir haben keinen Überfluss an Lehrpersonen, den die Schulen im Notfall einfach aktivieren könnten. Bereits jetzt setzen wir Studentinnen und Studenten als Unterstützungskräfte ein. Zudem haben wir Szenarien entworfen, wie wir in Zukunft mit solchen Notfallsituationen umgehen könnten.

Zum Beispiel?
Man könnte sich beispielsweise auf einzelne wichtige Fächer beschränken. Das ist jedoch eine grobe Idee und erst die detaillierte Ausarbeitung wird zeigen, ob diese wirklich umsetzbar ist.

Unter welchen Umständen werden die Massnahmen an den Schulen gelockert?
Die Pandemie ist unberechenbar. Massgebend sind die Empfehlung des BAG, des Kantonsärztlichen Dienstes, des Kantonalen Krisenstabs und die Einschätzung des Regierungsrats. Sobald es die Situation erlaubt, werden Massnahmen wieder aufgehoben. So wie beispielsweise die Maskenpflicht vor den Sommerferien im vergangenen Jahr, als es kaum noch Fälle an den Schulen gab. Es gilt das Credo des Regierungsrats: So wenige Einschränkungen wie möglich, aber so viele wie nötig.

Noch vor den Weihnachtsferien sind die Fallzahlen an den Schulen explodiert. Haben Sie zu spät reagiert?
Wir haben bereits Ende November die Maskenpflicht ab der 5. Klasse wieder eingeführt und waren damit im gesamtschweizerischen Vergleich eher früh. Die Maskenpflicht zeigte auch Wirkung.

… aber nur da, wo sie auch eingeführt wurde. Warum haben Sie bei den jüngeren Klassen zugewartet?
Es gilt immer, sorgfältig abzuwägen. Entscheidungen müssen gut begründet und verhältnismässig sein und sollten nicht vorschnell getroffen werden. Ich bin nicht diejenige, die Massnahmen auf Vorrat ergreift.

Als Bildungsdirektorin stehen Sie aber in der Verantwortung, was das Infektionsgeschehen an den Schulen betrifft. Wie nahe geht es Ihnen, wenn Sie von einem Kind hören, welches das Virus von der Schule nach Hause bringt und seine Grossmutter ansteckt, die Wochen später daran stirbt?
Klar, es gibt viele tragische Schilderungen und Einzelschicksale, die mich sehr betroffen machen. Ich darf mich in meiner Position jedoch nicht von Gefühlen leiten lassen. Meine Aufgabe ist es, an das grosse Ganze zu denken. Hier war und ist immer das Ziel, den Präsenzunterricht aufrechtzuerhalten. Entscheidungen müssen sachlich und rational begründet werden. Dazu habe ich neben dem Kantonsärztlichen Dienst viele Beratungsgremien an meiner Seite. Bereits im Februar 2020 habe ich eine Taskforce BKSD eingesetzt, in der alle meine Dienststellen vertreten sind. Die jeweiligen Problemstellungen, allfällige Massnahmen sowie unsere Stellungnahmen zu Vernehmlassungen des Bundes werden intensiv diskutiert. Eingebunden sind auch die Beteiligten der Schulen, also die Spitzen der Schulleitungen und Lehrerverbände, die mir aus der Praxis berichten. Wir sind auch im Kantonalen Krisenstab vertreten und die Diskussionen im Regierungsrat sind wichtiger Bestandteil zur Entscheidungsfindung. Dies alles trägt dazu bei, dass Entscheide breit abgestützt und in der Praxis auch umsetzbar sind. Schreibtischentscheide sind nicht mein Stil.

Was erhoffen Sie sich von der Impfung für Kinder ab fünf Jahren für den Schulbetrieb?
Ich bin nicht Gesundheitspolitikerin. Aber natürlich erhoffen sich alle von der Impfung eine Beruhigung. Dass die Pandemie unberechenbar ist, wissen wir mittlerweile leider bestens.

Machen Sie auch nach der Pandemie weiter im Regierungsrat?
Im Moment bestimmt Corona sehr stark unseren Alltag. Dennoch ist es mir wichtig, dass wir auch in den priorisierten Projekten und Geschäften Fortschritte erzielen. Wie zum Beispiel beim Massnahmenpaket «Zukunft Volksschule», das dank grosser Anstrengungen ab Schuljahr 2022/23 umgesetzt werden wird. Ich hoffe sehr, dass bald ruhigere Zeiten einkehren werden und wir uns wieder ganz auf unser Kerngeschäft konzentrieren können. Ob ich an den Regierungsratswahlen im kommenden Jahr für eine weitere Amtszeit kandidieren werde, ist noch nicht entschieden.

Sind Sie zufrieden mit der bisherigen Pandemiebewältigung des Regierungsrats?
Wir hatten schon immer ein sehr gutes Verhältnis untereinander. Dies hat sich während der Pandemie ausbezahlt. So haben wir uns bei Bedarf über die Direktionen hinweg ausgeholfen, beispielsweise mit Personal. Die Zusammenarbeit zwischen den Direktionen ist auf jeden Fall viel enger geworden, sodass wir sehr schnell agieren können. Ich schätze die Diskussionskultur in den Regierungssitzungen ausserordentlich: Sie führen dazu, dass wir Entscheidungen treffen, die von allen Regierungsmitgliedern mitgetragen werden. Ein einheitliches Auftreten erachte ich als sehr wichtig für unsere Bevölkerung.

Zur Person

ssc. Monica Gschwind startete ihre politische Karriere in ihrem Wohnort Hölstein. Dort wurde die Treuhänderin im Jahr 2000 in den Gemeinderat gewählt, den sie ab 2012 präsidierte. Ein Jahr zuvor zog sie für die FDP im Baselbieter Landrat ein. Im Jahr 2015 folgte die Wahl in den Baselbieter Regierungsrat, wo sie seither als Vorsteherin der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion fungiert.

«Darf mich nicht von Gefühlen leiten lassen»

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