Oberbaselbieter fordert Freispruch

  06.02.2025 Baselbiet, Gesellschaft, Polizei

Bern | Zweite Instanz behandelt Thunersee-Mordfall

Januar 2021 soll ein Oberbaselbieter eine ehemalige Sexpartnerin ermordet und im Thunersee versenkt haben. Der heute 40-Jährige wurde in erster Instanz wegen Mordes verurteilt. In der Berufungsverhandlung beharrt er auf seiner Unfallversion.

sda./vs. Freispruch oder lebenslange Freiheitsstrafe: Diese heikle Frage muss das Berner Obergericht in einem Mordfall entscheiden. Ein heute 40-jähriger Mann aus dem Oberbaselbiet soll im Januar 2021 eine Sexpartnerin brutal umgebracht und die Leiche anschliessend im Thunersee versenkt haben. Er selber spricht von einem Unfall.

Das erstinstanzliche Regionalgericht in Thun sah in der Unfallversion des Angeklagten eine Schutzbehauptung und sprach ihn des Mordes schuldig. Von einem rein sexuellen Motiv für die Tötung ging das Regionalgericht aber nicht aus. Es verurteilte den Angeklagten zu einer Freiheitsstrafe von 17 Jahren und 8 Monaten. Ausserdem ordnete es eine ambulante therapeutische Massnahme an, da der Mann an einer dissoziativen Störung leide und der Verdacht auf eine sexuellsadistische Störung vorliege (die «Volksstimme» berichtete im Dezember 2023).

Vor dem zweitinstanzlichen Obergericht beharrte der Angeklagte diese Woche auf seiner Unfallversion. Er habe zu einer ehemaligen Sexpartnerin wieder Kontakt gesucht. Bei einem Treffen an einem abgelegenen Ort auf dem Bruderholz bei Basel sei die Frau gestürzt und habe sich am Kopf verletzt. Er habe bei ihr keine Lebenszeichen mehr gespürt und sei in Panik verfallen, bekräftigte der Mann. Statt die Frau ins nahegelegene Spital zu fahren oder Hilfe zu holen, habe er sie gefesselt, mit einem Baustellensockel beschwert und dann am Thunersee bei Gunten ins Wasser geworfen.

Gutachten in der Kritik
Der Verteidiger geisselte die Gutachten, auf die sich das erstinstanzliche Gericht bei seinem Schuldspruch gestützt hatte. Die Gutachter hätten entlastende Momente zugunsten des Angeklagten zu wenig geprüft. Es mache vielmehr den Anschein, dass das Gutachten versuche, die These der Staatsanwaltschaft zu unterfüttern.

Der Angeklagte habe den Sturz der Frau nicht gesehen, weil er zu dieser Zeit gerade aus dem Auto ausgestiegen sei. Dass er zum Sturz nicht viel sagen könne, dürfe man ihm nicht ankreiden. Zudem habe sein Mandant mehrfach konsistent ausgesagt, dass es bei dem Treffen mit der Frau zwar auch um Sex gegangen sei, aber nicht in erster Linie. Sein Mandant sei nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten» vom Vorwurf des Mordes freizusprechen und für seine Haft zu entschädigen.

Der Verteidiger erinnerte an den Mord von Kehrsatz in den 1980er-Jahren und den damals von vielen als einseitig empfundenen Prozess. Der seinerzeit Verurteilte wurde in den 1990er-Jahren in einem Revisionsverfahren freigesprochen. Auch im vorliegenden Fall habe der Angeklagte ein Recht auf einen fairen Prozess, betonte der Verteidiger am Dienstag.

Sexuelle Motive im Vordergrund
Ganz anders argumentierte der Staatsanwalt. Er hielt sexuell-sadistische Motive des Angeklagten für das zentrale Motiv des Gewaltdelikts. Der Angeklagte habe sich in der düsteren Welt stark sexualisierter Gewalt bewegt und entsprechendes pornografisches Material konsumiert. Er sei einschlägig vorbestraft und habe es laut Führungsbericht auch in der Strafanstalt Thorberg (BE), wo er aktuell einsitzt, geschafft, an pornografisches Material zu gelangen.

In den Wochen vor der Tat habe sich der Mann intensiv mit sadistisch-sexualisierter Gewalt beschäftigt und dann alles daran gesetzt, eine alte Sexpartnerin zu reaktivieren, um seine Fantasien in der Realität auszuleben. Er habe die Frau unter einem Vorwand in sein Fahrzeug gelockt und sei mit ihr ins Bruderholzgebiet gefahren. Die Frau habe sich seinen sexuellen Wünschen widersetzt und zu fliehen versucht. Der Angeklagte habe sie daraufhin mit einem hammerähnlichen Gegenstand niedergeschlagen und an Händen und Füssen gefesselt.

Mit dem Opfer sei er zu seinem Wohnhaus im Oberbaselbiet gefahren. Weil er die sich wehrende Frau nicht unbemerkt in seine Wohnung bringen konnte, habe er sie im Fahrzeug «von Angesicht zu Angesicht» erdrosselt, um sich an ihren Qualen zu erregen. Anschliessend habe er abgeklärt nach Gewässern gesucht, in denen er die Leiche versenken könnte. Er kam auf den Thunersee, wo er die Frau schliesslich ins Wasser warf.

Der Staatsanwalt betonte, die kritisierten Gutachten seien stichhaltig. Entlastende Momente seien genügend abgeklärt worden. Vielmehr sei es so, dass die Aussagen des Angeklagten nicht mit den rechtsmedizinischen Befunden übereinstimmten. Das Obergericht wird sein Urteil morgen Freitag am Nachmittag bekannt geben. Die «Volksstimme» wird am kommenden Dienstag darüber berichten.


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