Neues Zentrum der Branche
24.05.2024 Waldenburg, Hölstein, Bezirk Waldenburg, WirtschaftFeinmechanik-Serie, Teil 1: Hölstein
Mit dem Medizinaltechnikunternehmen DePuy Synthes in Oberdorf verlagert die bis anhin grösste Feinmechanik-Firma im Waldenburgertal rund die Hälfte ihrer Stellen ins Ausland. Was bedeutet das für das Tal, und wie ist die historisch wichtige Feinmechanik-Branche heute aufgestellt? In dieser Ausgabe: Hölstein.
Andreas Hirsbrunner
Zusehends löst Hölstein die Gemeinden Oberdorf und Waldenburg als traditionelle Zentren der Feinmechanik im vorderen Frenkental ab. Symptomatisch für diesen Prozess steht die Firma Bächler. 1964 übernahm Erich Bächler den kleinen Décolletage-Betrieb der Gebrüder Stephani in Oberdorf mit sieben Mitarbeitenden. Sukzessive vergrösserte und modernisierte er den Betrieb, holte seine beiden Söhne Martin und Jürg mit an Bord, zog zuerst nach Niederdorf und 1992 nach Hölstein. Martin und Jürg Bächler, die bis 2019 respektive 2020 in der Geschäftsleitung tätig waren und heute den Verwaltungsrat der Bächler Verwaltungs AG bilden, der die Liegenschaften gehören, sagen unisono: «Dieser Umzug nach Hölstein war der wichtigste Meilenstein in der Geschichte der Firma Bächler.»
Das, weil er ihr grosse Expansionsmöglichkeiten eröffnete, welche die Firma im Verlauf der Jahre auch nutzte. Sie kaufte damals den hinteren Teil der Uhrenfabrik Oris, in den sie 1992 mit ihren 35 Mitarbeitenden zog. Gleichzeitig änderte sie den Namen von Bächler Décolletage AG auf Bächler Feintech AG, wie die Firma noch heute heisst. Eine erste bauliche Erweiterung folgte im Jahr 2000, der Hauptbrocken dann 2012, als ein grosser Anbau direkt an die 1992 erworbenen Gebäude erstellt wurde. Damals umfasste die Belegschaft bereits 115 Mitarbeitende. Im Jahr 2021, so erzählt Jürg Bächler, sei der Bau um ein Bürogeschoss erweitert worden. Als nächstes stehe die Errichtung einer Anlage mit 74 Parkmöglichkeiten an der Bennwilerstrasse an.
Produktemässig stellte die Firma die Weichen neu, als sie vor knapp 40 Jahren die ersten CNC-Produktionsmaschinen anschaffte, welche die Verarbeitung von Rohstoffen wie Titan, Zirkonium und Edelmetallen sowie von Kunststoffen ermöglichten. Damit einher ging auch ein Wandel bei der Kundschaft: Firmen aus dem Medizinalbereich wurden immer wichtiger als Auftraggeber, während Bächler früher vor allem für die Uhren-, Apparate- und Maschinenindustrie produzierte.
Türöffner waren dabei auch Firmen aus dem Waldenburgertal. Dazu Jürg Bächler: «In den 1980er-Jahren entstanden Kontakte zu Dental- und Medizinaltechnikfirmen, für die wir Dreh- und Frästeile herstellten. Sie sind bis heute wichtige Kunden geblieben.» Als mit der Firma Straumann einer dieser Kunden 2004 von Waldenburg nach Basel zog, war das ein schmerzlicher Schnitt in der Industriegeschichte des Waldenburgertals.
Auch die Firma Bächler Feintech durchlebte in den vergangenen Jahren grössere Veränderungen: 2019 verkaufte die Familie Bächler ihren Betrieb – «zur Sicherstellung einer nachhaltigen Nachfolgeregelung», wie es damals hiess – an die deutsche Klingel-Gruppe, die ihrerseits Ende vergangenen Jahres an die Elos Medtech überging. Somit ist Bächler Feintech heute Teil dieses schwedischen Weltkonzerns mit 1500 Mitarbeitenden in sechs Ländern. Reto Strickler, langjähriges Geschäftsleitungsmitglied von Bächler Feintech, sagt dazu: «Das ist für uns eine markante Kulturänderung hin zu einem globalen Unternehmen mit ausgeprägtem Fokus auf die Kunden.»
Andererseits sei die kürzliche Ankündigung von Synthes, in Oberdorf 100 Stellen abzubauen, «ein rabenschwarzer Tag» für Bächler gewesen, denn Synthes sei ihr grösster Kunde. Zwar rechnet Strickler zumindest mittelfristig nicht mit einem Auftragsrückgang, doch bedeute der grossteilige Wegzug von Synthes in die USA eine signifikante Umstellung in der Lieferkette: «Bisher konnten wir unsere Produkte von Hölstein nach Oberdorf fahren, in Zukunft müssen wir alles nach Übersee verschicken.»
95 Prozent der Aufträge der Firma Bächler kommen laut Strickler aus der Medizinal-Branche, davon 12 Prozent aus dem Dentalbereich (zum Beispiel Straumann), der ganze Rest aus der Orthopädie (zum Beispiel Synthes). Ironie der Geschichte: Mit dem Aderlass bei Synthes rückt die Bächler Feintech mit heute 170 Mitarbeitenden in Hölstein zum grössten Industriebetrieb im Waldenburgertal auf.
Oris wieder auf Erfolgskurs
Ein anderes, ebenfalls in Hölstein ansässiges feinmechanisches Aushängeschild des Tals ist die Uhrenfabrik Oris SA. Sie hat im Gegensatz zu Bächler, bei der es eigentlich stets aufwärts ging, eine sehr wechselvolle Geschichte. Ein Höhepunkt waren die 1960er-Jahre, in denen Oris mit bis zu 900 Mitarbeitenden zu den zehn grössten Uhrenherstellern der Welt zählte. Die Fabrikarbeiter wurden damals morgens mit den weit herum bekannten Oris-VW-Bussen aus den verschiedensten Tälern nach Hölstein und abends wieder zurück gekarrt. Dann folgte die Uhrenkrise und Oris mit noch ein paar wenigen Dutzend Mitarbeitenden wurde Teil der ASUAG. Ab 1982 rappelte sich Oris dank eines Management-Buy-outs und der Konzentration auf mechanische Uhren wieder langsam auf; heute zählt sie in Hölstein 93 und weltweit 230 Mitarbeitende.
In Hölstein stehen aber keine Produktionsanlagen mehr. Mediensprecherin Sonja Opel sagt: «Hier werden heute die Uhren gemäss den Swiss-Made-Richtlinien entwickelt und hergestellt.» Will heissen, dass mindestens 60 Prozent der Herstellungskosten einer Oris-Uhr in der Schweiz anfallen müssen und die Hälfte des Werts eines Uhrwerks aus Bestandteilen schweizerischer Fabrikation stammen muss. Mehrheitsaktionär der Oris ist Chairman Ulrich Herzog, der vor 42 Jahren zusammen mit Rolf Portmann das erfolgreiche Management-Buy-out wagte.
In einem überflügelt Oris das andere Hölsteiner Aushängeschild aber klar: Sie wird am 1. Juni 120 Jahre alt und damit genau doppelt so alt wie die Firma Bächler.
Die «Volksstimme» hat verschiedene Gemeinden im und ums Waldenburgertal besucht und legt in einer sechsteiligen Serie dar, wie es den dortigen Feinmechanik-Firmen geht.