«Mir sy und blyybe Baselbieter»

  26.09.2024 Region

Am Samstag ist Jahrestag: Vor 10 Jahren sprach sich das Baselbiet mit aller Deutlichkeit gegen eine Kantonsfusion mit Basel-Stadt aus. Die «Volksstimme» hat den früheren SVP-Regierungsrat Thomas Weber (Buus) gebeten, auf die damalige Zeit zurückzublicken und eine Bilanz zu ziehen.

Thomas Weber

Am 28. September 2014 lehnte die Baselbieter Bevölkerung bei einer Stimmbeteiligung von 52,5 Prozent die Verfassungsänderung zur Vorbereitung der Fusion mit dem Kanton Basel-Stadt überdeutlich ab: 68,3 Prozent stimmten Nein, und keine einzige der 86 Gemeinden stimmte zu. Die Nein-Mehrheiten betrugen zwischen 55,9 (Binningen) und 95,7 Prozent (Liedertswil). Ein so eindeutiges Resultat in einer hart umkämpften politischen Frage hat Seltenheitswert.

Die Baselbieter Regierung war mehrheitlich gegen die Vorlage, hatte aber beschlossen, dass die einzelnen Regierungsmitglieder ihre persönliche Haltung zur Abstimmungsfrage öffentlich vertreten durften. Dies war eine seltene Ausnahme vom sonst streng gehandhabten Kollegialitätsprinzip. Man kann und muss sich als Exekutivmitglied oft etwas verbiegen und gefasste Mehrheitsentscheide auch gegen die eigene Meinung verteidigen. Hier ging es jedoch nicht um ein einzelnes Sachgeschäft, sondern um Sein oder Nichtsein unseres Kantons. Die Wählerinnen und Wähler hatten den Anspruch, die Haltung ihrer Regierungsmitglieder zu kennen.

Der guten Zusammenarbeit im Regierungsrat tat dies keinen Abbruch, im Gegenteil. Nach dem klaren Volksentscheid war allen fünf Regierungsmitgliedern der Auftrag klar, und dieser wurde und wird umgesetzt.

Stadt oder Kanton?
Der Abstimmungskampf, der bereits früh im Jahr 2014 begonnen hatte, war von vielen Sachargumenten geprägt. Es ging um das Niveau staatlicher Leistungen, um die Grösse der Verwaltung, um den Einfluss beim Bund, um finanzielle Auswirkungen. Nach Fusionen von politischen Gebietskörperschaften wird in der Regel der jeweils höhere Standard für öffentliche Leistungen übernommen, mit der Folge, dass die Kosten steigen und damit auch Steuern und Gebühren. Der Kanton Basel-Stadt ist gleichzeitig Kanton und Gemeinde Basel. Das bedeutet, dass nach einer Kantonsfusion dort die kommunale und die kantonale Ebene für viele staatliche Aufgaben hätten aufgetrennt werden müssen. Welche Strassen Basels wären beispielsweise in Kantons-, welche in Stadthoheit übergegangen? Gäbe es Stadt- und Kantonsspitäler? Wie wären Stadtparlament und -regierung gebildet worden? Wie sollte die berufliche Vorsorge der Kantonsangestellten gelöst werden angesichts der grossen Unterschiede der beiden kantonalen Pensionskassen?

Der gewaltige politische und administrative Aufwand, der mit der Vorbereitung der Fusion beider Basel verbunden gewesen wäre, war ein starkes Argument gegen die Vorlage. Es ist zu bezweifeln, dass bei einem Ja die Kantonsfusion heute, zehn Jahre nach der Abstimmung, bereits vollzogen wäre.

Freiheitsfeste, Höhenfeuer …
In Erinnerung bleibt vor allem die emotionale Seite des Abstimmungskampfs. Mit Freiheitsfesten, dem eigens komponierten Rotstablied und Höhenfeuern im ganzen Baselbiet wurde an die Ursprünge des selbstständigen Baselbiets erinnert. Selbst nach bald 200 Jahren schmerzen die Narben der blutigen Trennung nach wie vor. Das zeigt deutlich, wie wichtig friedliche politische Konfliktlösungen sind. Auch in Bern oder Zürich war die Landbevölkerung zu Beginn des 19. Jahrhunderts unzufrieden und forderte demokratische Rechte. Dort wurden ihnen diese von der Obrigkeit, wenn auch widerwillig, zugestanden, und die Kantone konnten ihre Einheit bewahren. Unterdrückung oder gar bewaffnete Auseinandersetzungen verursachen über viele Generationen hinweg bleibende Verletzungen. Auch wenn es dort «nur» zu Sachbeschädigungen kam: Die Wunden des Jura- und in seinem Gefolge des Laufental-Konflikts sind noch nicht ausgeheilt und bedürfen stetiger Aufmerksamkeit und Pflege.

Die Baselbieterinnen und Baselbieter waren und sind entschlossen, den Kanton als Stand der Eidgenossenschaft zu festigen und zu erhalten, wie dies in unserer Kantonsverfassung geschrieben steht: «Der Kanton Basel-Landschaft ist ein eigenständiger Kanton der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Er beteiligt sich aktiv an der Gestaltung der Eidgenossenschaft und unterstützt den Bund in der Erfüllung seiner Aufgaben. Seine Behörden wirken darauf hin, dass er zu einem Vollkanton mit einer ganzen Standesstimme und mit zwei Mitgliedern des Ständerates wird.» Der erste und der zweite Satz handeln, unmissverständlich bestätigt durch das Abstimmungsergebnis von 2014, von der Gegenwart. Der dritte Satz hingegen bleibt ein nicht erfüllter Auftrag. Unserem Kanton mit seiner Bevölkerung von rund 300 000 Personen steht die Vollmitgliedschaft in der Eidgenossenschaft zu, und das gilt sinngemäss auch für den Kanton Basel-Stadt mit seinen rund 200 000 Einwohnern. Selbst nach mehreren Rückschlägen im Bundesparlament gilt es, diesen staatspolitischen Felsbrocken unermüdlich weiter zu behauen.

Zu ähnliche Kantonsnamen
Dass ausserhalb unserer Region fast alle, mit denen man ins Gespräch kommt, Mühe haben, die beiden Basel zu unterscheiden – «bi öich z Basu nide» –, ist auf die zum Verwechseln ähnlichen Kantonsnamen zurückzuführen. Wenn nach der Trennung 1833 der junge Kanton beispielsweise «Ergolz» genannt worden wäre oder «Sisgau», abgeleitet aus einer früheren Bezeichnung des hiesigen Gebiets, wären die Bezeichnungen eindeutig. Der jüngste Kanton der Eidgenossenschaft machte es aus gutem Grund besser und nannte sich nicht etwa «Canton de Berne-Nord» sondern «République et Canton du Jura».

Das Baselbiet ist die Mitte des Wirtschafts- und Lebensraums Nordwestschweiz, der Region nördlich des Jurakamms. Der selbstständige Kanton Basel-Landschaft hat die Aufgabe, Motor der Weiterentwicklung unserer Region zu sein, sachbezogen, Schritt für Schritt und in guter Zusammenarbeit mit den Nachbarkantonen und dem angrenzenden Ausland. Beim Blick etwa auf das Life-Sciences-Gebiet Bachgraben in Allschwil oder auf das Schoren-Areal in Arlesheim mit seinen technologischen Grossprojekten, zeigt sich die Attraktivität unseres Wirtschaftsstandorts. Eine Politik der kurzen Wege ermöglicht es, dass hier Tausende von neuen Arbeitsplätzen entstehen. Dazu braucht es einen selbstbewussten, handlungsfähigen, überschaubaren Kanton, der sich um seine Kernaufgaben und die Anliegen der eigenen Bevölkerung, der Gemeinden und der Unternehmen kümmert – einen Kanton, der weltoffen und vernetzt ist und zugleich bodenständig und bürgernah.

In der Abstimmung vom 28. September 2014 ging es auch darum, ob wir den Mut und die Kraft aufbringen, in einer Zeit von Gleichmachung, Kulturvermischung, Globalisierung und Zentralisierung zu uns und unserem eigenen Staatswesen zu stehen. Nicht die grössere Einheit löst unsere Probleme, nicht in der Masse liegt unser Wohl. Wir wollen im eigenen Haus Ordnung halten und in unserem eigenständigen Kanton Lösungen finden, die auf uns zugeschnitten sind. Wir schätzen dabei unsere Nachbarn und arbeiten gerne mit ihnen zusammen. Und wir legen Wert darauf: «Mir sy und blyybe Baselbieter!»

Thomas Weber (62, SVP) war von 2013 bis 2023 Regierungsrat des Kantons Baselland und als solcher Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion (VGD). Er setzte sich vor der Abstimmung Ende September 2014 aktiv gegen die Wiedervereinigung des Baselbiets mit Basel-Stadt ein. Weber ist verheiratet, hat drei erwachsene Söhne und lebt in Buus.


1969 und 2014
tho.
Mehrfach hat es seit der 1833 vollzogenen Kantonstrennung Bestrebungen für eine Wiedervereinigung von Basel-Stadt und Baselland gegeben. In der jüngeren Vergangenheit scheiterte ein Anlauf 1969, als die Baselbieter Bevölkerung die geplante gemeinsame Kantonsverfassung mit knapp 60 Prozent Nein-Stimmen ablehnte (Basel-Stadt stimmte mit 68 Prozent zu). Als Folge der Ablehnung wurde die partnerschaftliche Zusammenarbeit forciert. Ende Juli 2012 wurde in beiden Kantonen eine Volksinitiative lanciert, mit der vorerst ein Prozess hin zur Wiedervereinigung eingeleitet werden sollte. Im Baselbiet scheiterte das Begehren Ende September 2014 bei einem Nein-Anteil von 68,3 Prozent. Basel-Stadt stimmte wiederum zu – diesmal mit rund 55 Prozent allerdings weniger deutlich als 1969.


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