Marktfahrer in drei Waldenburg
19.12.2024 Bezirk Waldenburg, NiederdorfWalter Bürgin reist mit seinem Käse bis ins Sachsenland
Ob im baden-württembergischen Waldenburg oder in der gleichnamigen Kleinstadt in Sachsen: An beiden Weihnachtsmärkten verkauft der Niederdörfer Walter Bürgin (80) seinen Käse für einen guten Zweck.
Elmar Gächter
Der Himmel präsentiert sich an diesem kalten Sonntagmorgen etwas verhangen, ein paar Schneeflocken haben es bis auf den Boden geschafft. Es ist Weihnachtsmarkt in Waldenburg, so wie immer am dritten Advent, nur unterbrochen von der Zeit, als die Pandemie so manches in ihren Würgegriff nahm. Unter die Markttreibenden gesellt sich ein Gast, der hier längst zur Familie der Aussteller gehört. Seit 20 Jahren nimmt er den langen Weg auf sich, um den Marktbesuchern in der 3000-Seelen-Landstadt Waldenburg, dem Luftkurort im Kreis Hohenlohe im fränkisch geprägten Nordosten Baden-Württembergs, seine Käsespezialitäten anzubieten. Nur zwei Wochen vorher führte ihn eine noch längere Reise an den weihnächtlichen Markt im sächsischen Waldenburg. Auch in dieser Kleinstadt im Norden des Landkreises Zwickau, der ehemaligen DDR, fühlt sich Walter Bürgin aus Niederdorf seit zwei Jahrzehnten wie zu Hause.
«Es ist in der Tat jeweils wie ein Heimkommen», beschreibt Bürgin seine regelmässigen Abstecher in die beiden Waldenburg im Nachbarland. Er erinnert sich, wie er 1986 als damaliges Mitglied des Musikvereins Waldenburg – im Baselbiet – erstmals den gleichnamigen Ort in Hohenlohe besuchte und wie sich daraus ab der Jahrtausendwende die gegenseitigen Einladungen auf Gemeindeebene entwickelt haben.
«Als Mitglied der damaligen Zunft zum oberen Tor habe ich mit Zunftmeister René Vogt den ersten Gegenbesuch in der kleinen Landstadt rekognosziert, just während des dortigen Weihnachtsmarkts. Wir haben uns dabei spontan entschlossen, dort an einem eigenen Stand künftig Käse zu verkaufen», so Bürgin. Der Zufall wollte es, dass an diesem Anlass Marktfahrer aus dem sächsischen Waldenburg anwesend waren. «Da wir uns von der ersten Minute an sympathisch fanden, haben wir vereinbart, auch ihren Weihnachtsmarkt zu besuchen. Wir wurden dort von Anfang an so herzlich aufgenommen, als würden wir uns schon seit 500 Jahren kennen», sagt Walter Bürgin.
Er war Gründungsmitglied der inzwischen aufgelösten Zunft zum oberen Tor, die den Frühlingsmarkt am Adelberg ins Leben rief. Dort hat Walter Bürgin seinen ersten Käse verkauft. Die Idee war, die Milch der Waldenburger Betriebe in der Käserei Reckenkien in Mümliswil zu Käse zu verarbeiten und ihn von den Landwirten selber vermarkten zu lassen. «Da sie kein Interesse zeigten, verkaufen wir seither den Käse am Frühlingsmarkt selber und lassen den Reinerlös sinnvollen Projekten in Waldenburg und Umgebung zukommen.»
18 verschiedene Sorten
In der Zwischenzeit bietet Bürgin rund 18 verschiedene exzellente Käsesorten an, auch von Käsereien im Bernbiet und aus dem Luzernischen. Mit seinen Produkten ist er nicht nur regelmässig am Frühlingsmarkt und an den Weihnachtsmärkten in den beiden deutschen Waldenburg anzutreffen, sondern auch einmal pro Monat am Freitagsmarkt in Niederdorf oder wie dieses Jahr am Dorfmarkt in Lupsingen. Walter Bürgin ist, was nicht überrascht, selber grosser Käseliebhaber. «Zu einem milden Blauschimmelkäse zum Frühstück und einem kräftigen Hartkäse am Abend kann ich schwer nein sagen.»
Als Triebfeder, jedes Jahr die bis zu 800 Kilometer langen Fahrten unter die Räder zu nehmen, nennt Walter Bürgin die grosse Gastfreundschaft, aus denen sich schöne persönliche Freundschaften entwickelt hätten. Die besondere Affinität zum Nachbarland komme wohl auch daher, dass seine Mutter in Baden-Württemberg geboren und aufgewachsen sei. In die frühere DDR hätten ihn jedoch keine zehn Pferde gebracht, heute reist er stets gerne nach Ostdeutschland.
Seine schweizerischen Käsespezialitäten seien auch an den Weihnachtsmärkten in den beiden deutschen Waldenburg gefragt und preislich durchaus konkurrenzfähig. «Ich habe anfänglich grosse Preisreduktionen gemacht, bis ich schnell festgestellt habe, dass der Vollfettkäse dort fast gleichviel kostet wie bei uns.» Es gehe ihm, wie auch an den Märkten in der Schweiz, nicht darum, einen möglichst grossen Umsatz zu erzielen. «Die schönsten Erlebnisse als Marktfahrer sind die Kontakte mit den Leuten. Man ist ja nicht dauernd am Käseschneiden, sondern hat auch Zeit zu einem ungezwungenen Gespräch», hält er fest.
Oder zu einem Kafi-Luz, den die Sachsen-Waldenburger mit Filterkaffeepulver zubereiten. «Ich habe ihn zwar getrunken, brachte das nächste Jahr jedoch die stilechten Original-Gläser aus der Schweiz und die richtigen Zutaten mit», erzählt Walter Bürgin mit einem Schmunzeln. So würden er und sein Nachbar und jeweiliger Begleiter Erich Fritz neben dem Schweizer Käse gleich noch für ein weiteres typisch helvetisches «Produkt» werben.
Der Niederdörfer ist nach wie vor begeisterter Marktfahrer und will seine Abstecher in die beiden deutschen Waldenburg so lange wie möglich weiterführen. Dies wie bisher als Idealist, der sämtliche Spesen selber berappt und den Erlös der Vereinskasse des Arbeitskreises Frühlingsveranstaltung zukommen lässt.
Zur Person
emg. Der 80-jährige Walter Bürgin wohnt mit seiner Frau in Niederdorf. Er ist in Liestal in einer Grossfamilie mit 13 Kindern aufgewachsen und hat eine Lehre als Eisenwarenverkäufer absolviert. Nach dem Wechsel in die Keramikbranche übernahm er 1981 die Firma Keramik Hess in Liestal, die er 2008 verkaufte. Bürgin kam über die Musik nach Waldenburg, wo er 1966 Aktivmitglied des Musikvereins wurde und seine besondere Beziehung zum «Stedtli» begründet liegt. Seit vielen Jahren setzt er sich für spezielle Projekte von Waldenburg und Umgebung ein, früher als Mitglied der Zunft zum oberen Tor und heute im Arbeitskreis Frühlingsveranstaltung.