«Kenne alle Gäste in unserem Haus sehr gut»
06.02.2025 Bezirk Sissach, Baselbiet, Gesellschaft, Gelterkinden, GesundheitBeat Bürgin – vom Bäcker zum Pflegehelfer
Viele kennen Beat Bürgin: Er war 35 Jahre lang mit Leib und Seele der «Bürgi Beck». Ebenso leidenschaftlich schlug er mit 65 Jahren nochmals einen neuen Berufsweg ein und absolvierte die Lehrgänge zum Pflegehelfer und zum Sterbebegleiter.
Brigitte Keller
Es gab eine Zeit, wo sich Beat Bürgin nichts anderes hätte vorstellen können, als bis 70 in der Backstube zu stehen und dabei Lernenden das Bäckerhandwerk weiterzugeben. Doch der Strukturwandel im Bäckereigewerbe machte diesem Plan einen Strich durch die Rechnung. Die Corona-Krise hinterliess ebenfalls Spuren. Als es wieder hätte aufwärtsgehen können und sollen, kündigten sich just dann grosse Strompreiserhöhungen und damit exorbitante Mehrkosten an, wie Bürgin erklärt. Schweren Herzens fasste er den Entschluss, auf Ende 2023 – und damit auf das Erreichen des 65. Lebensalters hin – seinen Bäckereibetrieb mit Backstube in Gelterkinden aufzugeben.
Den Plan aber, bis mindestens 70 weiterzuarbeiten, wollte er noch nicht aufgeben. Und so sorgfältig, wie er die Geschäftsauflösung abwickelte, so minuziös machte er sich auch Gedanken, wie es beruflich weitergehen könnte. Die Frage, wo die Möglichkeit bestünde, mit 65 noch eine Anstellung zu finden, stand dabei an oberster Stelle. Am ehesten wohl im Pflegebereich, sagte sich Bürgin. Und damit in einem Bereich, den er sich sehr gut vorstellen konnte. Auch das Bedürfnis, weiterhin in einem Team arbeiten zu können und etwas Sinnvolles zu machen, könnte dort erfüllt werden.
Beat Bürgin entschied sich, in einem ersten Schritt den Lehrgang Pflegehelfende des Roten Kreuzes (SRK) zu absolvieren. Abgesehen von dem spannenden Lernstoff sollte ihm der Kurs auch aufzeigen, ob er die Arbeit mit und am Menschen leisten konnte. «Kann ich das, eine Person pflegen und waschen?», fragte er sich. Der Kurs, verteilt über drei Monate, und das anschliessende Praktikum im Pflegezentrum Brunnmatt in Liestal brachten Gewissheit, dass er auf dem richtigen Weg war. «Dort wurde ich vom Team sehr gut aufgenommen und konnte meine ersten Schritte in der Praxis machen.»
Neue Ziele und Wege
Für Beat Bürgin stand von Anfang an fest, dass er das Gelernte nicht als freiwilliger Helfer einbringen wollte, sondern als Mitarbeitender im Anstellungsverhältnis. Und so begab er sich gespannt auf Stellensuche. Eines der Heime, das schnell auf seine Bewerbung reagierte, war das Wohnund Pflegezentrum Oasis in Trimbach. «Es handelt sich um ein eher kleineres Zentrum, was meinem Wunsch sehr entspricht», sagt Bürgin. Nach zwei Schnuppertagen waren sich Arbeitgeber und -nehmer einig und Bürgin trat mit einem 60-Prozent-Pensum seine neue Stelle an.
«Was mich dort von Anfang an beeindruckt hat, ist, dass die Bewohnenden – zwischen 32 und 36 an der Zahl – drei Mal täglich zum gemeinsamen Essen in den Speisesaal gebracht werden», erzählt Bürgin. In grösseren Häusern gehe das nicht mehr, dort blieben die Bewohnenden zum Essen in Gruppen auf den Stationen oder nehmen das Essen zum Teil gar in ihren Zimmern ein. «Mittlerweile kenne ich alle 36 Gäste unseres Hauses sehr gut», erklärt er. «Dass dies möglich ist, ist ein grosser Vorteil.»
Das «Oasis» verfüge des Weiteren nach wie vor über Zweierzimmer, wodurch es sich ebenfalls von anderen Heimen unterscheide. «Ich finde das eine sehr gute Sache. Die Gäste interagieren viel mehr miteinander und sind nie alleine», so der Gelterkinder. Auch wenn kleinere Reibereien vorkommen könnten, überwiege das Positive bei Weitem, ist er überzeugt. Es biete zudem den Vorteil, dass zwei Pflegende, die sich zur selben Zeit im Raum befinden, sich bei Bedarf schnell gegenseitig unterstützen könnten. Um neben der Kompetenz auch die körperliche Gesundheit mitzubringen und zu erhalten, geht Bürgin drei Mal pro Woche ins Fitnesszentrum.
Um Menschen besonders auch in der letzten Phase des Lebens respektive beim Sterben die bestmögliche Unterstützung bieten zu können, hat Beat Bürgin zusätzlich den Lehrgang «Passage SRK» absolviert. «Ein sehr guter, intensiver Kurs. Die Teilnehmenden kamen aus den verschiedensten Bereichen, neben der Pflege auch aus dem kirchlichen Umfeld.» Es sei sehr nahrhaft gewesen, sich ganze Tage mit dem Sterben und Tod auseinanderzusetzen. «Ich habe auch über mich selber viel gelernt», fügt Bürgin an und er habe auch für sich persönlich Wünsche formulieren und Anordnungen treffen können.
Mittlerweile ist Beat Bürgin längst angekommen im Team. Er kann auch seine jahrzehntelange Erfahrung in der Ausbildung von jungen Menschen zum Vorteil aller einbringen, und seine Inputs aus einem ganz anderen Berufsfeld werden als bereichernd empfunden. «Zuerst einmal war ich ja für die jungen Leute hier auch ein alter Mann», erzählt Bürgin, aber wenn sie merkten, was er einbringe, werde dies sehr geschätzt. Gerade kürzlich wurde mit den Bewohnenden unter seiner Anleitung Pizzas hergestellt und im Anschluss zum Nachtessen aufgetischt. «Man spürt, wie viel die Bewohnenden noch können, wenn man sie abholt. Ein Höhepunkt für das ganze Haus.»
Achtsam bis zum Schluss
Beat Bürgin freut sich sehr darüber, dass er bereits nach kurzer Zeit bei einem Beitrag in der Sparte «Aktivitäten» eingebunden war. Auch die besonders anspruchsvolle Begleitung von Personen mit Demenz, die im «Oasis» gemeinsam mit allen anderen Gästen betreut werden, liegt ihm am Herzen und erbringt er, wenn gewünscht, sehr gerne. Gerne möchte er sich in diesem Bereich und insbesondere bei der «Sterbebegleitung» noch mehr Wissen aneignen und diesen Weg mit betroffenen Menschen und deren Familien gehen. «Diese Betreuung wäre für mich eine Herausforderung, auf die ich mich so gut wie möglich vorbereiten will.» Die Arbeit solle ihm helfen, diese hohe Hürde mit viel Kompetenz und Achtsamkeit zu meistern. «Ich möchte diesen höchst vulnerablen Menschen die bestmögliche Stütze sein.»