Fische mit «ewigen Chemikalien» belastet

  26.09.2024 Baselbiet

Der lokale Fischbestand weist teilweise hohe Belastungen mit gesundheitsgefährdenden PFAS-Stoffen auf. Stark betroffen sind Ergolz und Hintere Frenke. Anglern wird empfohlen, nicht häufiger als einmal pro Monat selbst gefangenen Fisch zu verspeisen.

David Thommen

Bachforellen, Barben sowie Alete sind für die Untersuchung des lokalen Fischbestands gefangen worden, teilen die Gesundheitsdirektionen der beiden Basler Kantone mit. Die Analyse habe gezeigt, dass der Höchstgehalt an PFAS – per- und polyfluorierte Alkylverbindungen, sogenannte «ewige Chemikalien» – teilweise überschritten werde.

PFAS (siehe Kasten) bauen sich in der Umwelt nur extrem langsam ab. Sie können gemäss Communiqué die Wirksamkeit von Impfungen verringern und Auswirkungen auf die Leber, die Nieren und auf ungeborene Kinder haben. Anderen Quellen zufolge stehen die Chemikalien im Verdacht, Krebs zu verursachen.

Die Untersuchungen haben ergeben, dass jeder achte Fisch aus unseren Gewässern nicht verkauft werden dürfte. Die Gesundheitsbehörden empfehlen den Anglern daher, nicht mehr als einmal im Monat hier gefangenen Fisch zu essen. Lebensmittelrechtliche Massnahmen könnten aber nicht ergriffen werden, da die Fische nicht in den Verkauf gelangten, erläutert der Baselbieter Kantonschemiker Peter Brodmann. Alle kommerziell vertriebenen einheimischen Fische aus Zuchten hätten die gesetzlichen Vorgaben in der Untersuchung hingegen eingehalten.

Ergolz, Hintere Frenke, Birs
In sämtlichen wild lebenden Fischen aus den Gewässern beider Basel konnten PFAS nachgewiesen werden. Entnommen wurden die Tiere an einem Dutzend Fangstellen; insgesamt handelte es sich um 87 Bachforellen, 10 Barben, 10 Alete (ein Weissfisch). Die höchsten Werte wurden in Fischen aus der Ergolz zwischen Lausen und Böckten gemessen. Hier überschritt jede zweite gefangene Bachforelle den Lebensmittelhöchstwert an PFAS. Ebenfalls übermässige Belastungen wurden ausserdem in jeweils zwei von zehn Bachforellen aus der Hinteren Frenke bei Bubendorf und aus der Birs bei Aesch festgestellt. Ferner wiesen vier von zehn Aleten aus der Wiese in Basel zu hohe Werte auf. An anderen Fangstellen im oberen Kantonsteil – Hölstein, Liestal und Gelterkinden – waren die Werte weniger besorgniserregend.

Kantonschemiker Peter Brodmann hat für die lokalen Unterschiede der Belastung keine schlüssige Erklärung. PFAS kämen mittlerweile fast überall vor, und selten sei die Quelle – zum Beispiel ein ehemaliger Brandplatz, an dem Löschschaum zum Einsatz kam – eindeutig eruierbar. Eine übermässige Belastung des Wassers in den Bächen kommt als Ursache eher nicht infrage. Wie beim Trinkwasser seien Spuren zwar festzustellen, diese lägen jedoch im gesetzlichen Rahmen. Da Forellen aus ebenfalls mit Bachwasser gespiesenen Forellenzuchten weniger stark belastet sind, könne man spekulieren, dass das Futter eine Rolle spielen könnte: Zuchtforellen werden mit speziellem Fischfutter grossgezogen, während sich Forellen in den Bächen zu einem höheren Anteil von möglicherweise belasteten Insekten ernährten. Untersuchungen dazu gebe es allerdings nicht.

«Keine Panik»
Brodmann weiter: «Wir wollen keine Panik schüren.» Dass nur noch eine Forelle pro Monat gegessen werden solle, sei eine einfach zu verstehende Empfehlung, mit der die Hobbyangler selbstverantwortlich umgehen müssten. Im Bericht sei einsehbar, an welchen Gewässerabschnitten zu hohe Belastungen aufgetreten sind.

Was sagen die Pächter der besonders stark betroffenen Fischweiden? «Es ist gut, dass wir nun Gewissheit haben», meint Nico Longhi, der bei den Lausner Fischern bis vor Kurzem Präsident war. Er sei schockiert, aber eigentlich nicht überrascht: «Es liegt so viel Dreck herum, und früher wurden so viele Abfälle vergraben, dass man fast damit rechnen musste, dass etwas davon ins Wasser gelangt.» Angst, dass nun im Lausner Fischereiverein der Exodus der Mitglieder einsetzt, hat er nicht: Gemäss Statuten liegt die maximale Fangzahl pro Mitglied ohnehin bei zehn Ergolz-Forellen jährlich. Vermutlich schöpfe keines der rund 20 Mitglieder das Kontingent auch nur annähernd aus.

Etwas weniger optimistisch schaut Marc Tartari vom Fischereiverein Bubendorf und Umgebung in die Vereinszukunft: «Wir werben derzeit um Nachwuchs, da sich altersbedingte Austritte abzeichnen.» Die empfohlene Beschränkung des Fischverzehrs könnte potenzielle neue Mitglieder – sie bezahlen 200 Franken pro Jahr
– abschrecken. Und er frage sich, wie er sich nun selbst verhalten soll: «Wenn man schon weiss, dass die Forellen aus unserem Bach belastet sind, isst man nicht weniger, sondern verzichtet konsequenterweise vermutlich ganz …» Angst davor, wegen zu vieler verspeister Forellen aus der Hinteren Frenke krank zu werden, hat Tartari nicht: «Ich bin eine robuste Natur.»

Der kantonale Fischereiverwalter Holger Stockhaus sagt, dass er die Sorgen der Fischereivereine, die bei der Pflege der Gewässer eine wichtige Funktion einnehmen, verstehe. Hauptmotivation für die Vereinsmitglieder sei allerdings schon längst nicht mehr, möglichst viele Forellen in die Pfanne zu bekommen. Das sieht auch Dominic Tanner so, der Präsident des kantonalen Fischereiverbands. «Kein Hobbyfischer wird über das Untersuchungsresultat erstaunt sein. Wir alle ahnten das schon lange.» Die PFAS seien kein Todesstoss für die Fischereivereine. Ihnen mache der Klimawandel mit zu hohen Bachwassertemperaturen oder Niedrigwasser im Sommer mindestens ebenso viele Sorgen.


Die PFAS
tho.
Per- und polyfluorierte Alkylverbindungen (PFAS) werden aufgrund ihrer technischen Eigenschaften in verschiedenen industriellen Prozessen und Produkten eingesetzt. Dazu zählen Textilien, elektronische Geräte, Papierbeschichtungen, Farben, Feuerlöschschäume und Skiwachse. Die PFAS-Gruppe umfasst laut Schätzungen mehr als 10 000 verschiedene Stoffe. Um Gesundheits- und Umweltrisiken zu senken, ist die Verwendung zahlreicher Stoffe aus dieser Gruppe in diversen industriellen Prozessen und Produkten bereits verboten. Weitergehende Verbote sind laut dem Communiqué der Gesundheitsbehörden beider Basel geplant.


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