FASNACHTSZEITUNG FÜR DAS OBERBASELBIET
07.03.2025 Fasnacht, Gemeinden, Fasnacht, BaselbietEin Tränenweg macht noch keinen Naturquark
Als es an der Sissacher Gmäini hiess, dass die Doktoren Ruedi Räppleund den Matz Malz in Sissach den Historischen Tränenweg für Gottes Lohn pflastern würden, waren wir verzückt. Mit beiden Händen und den Füssen noch dazu haben wir aufgestreckt und im hohen C «Jaaaaaaaaaaaa» gerufen zu den netto 65 000 Fränkli für das Achtjahrhundertprojekt. Einem fast geschenkten Gaul schaut man schliesslich nicht ins Maul. Im Nachhinein wissen wir es natürlich besser: Wir hätten nachfragen müssen, was im Kleingedruckten des Tränenweg-Kontrakts im Absatz «bei Differenzen» unter Punkt «Betongrinde» geschrieben steht. Jä nu. Der Schaden war mit dem Rodeo zwischen dem sich aufbäumenden Amtsschimmel im Gemeindehaus und den prinzipienreitenden Historikern angerichtet.
Aber wie sagt der Baselbieter so schön: Gibt dir das Leben matschige Chiirssi, brenne Kirsch draus.Gmäinimiini Zeter Pfuuser und sein im Recherchieren und Formulieren geübterer Stallkollege Lobby Gütiger erklären den Tränenweg zur Regierungssache und unterziehen das Konzept einer Frischzellenkur. Auf die Staublunge vom Wühlen im Cheesmeyer-Plunder von Robi Frevelfinger oder in Ueli Unterlis A2-Musikverein- und Wanderkartenarchiv können sie gerne verzichten. Und die einst geächtete Dichterin, frühere Moralapostel der Kirche und ehemalige Fabrikfürsten lassen sie in Frieden ruhen. Lieber befassen sie sich mit dem, was die Sissacher im Hier und Jetzt verdriesst und beglückt, mit denen, über die getratscht wird, und mit den Plätzen, an denen sie sich wohl fühlen oder die sie links liegen lassen. Das soll aber jetzt nicht gegen das Heimatmuseum gehen!
Geheime Recherchen des «Gurlifienggers» zeigen: Die Sissacher Fluh bleibt wie im ursprünglichen Konzept Höhe-, Dreh- und Angelpunkt des revitalisierten Tränenwegs – auch ohne das von der Gmäini definitiv gelöschte Erstaugust-Höhenfeuer. Auf «The Rock», wie das kahlgeschorene Sissacher Wahrzeichen neuerdings auch genannt wird, geniessen Ausflügler den Ausblick vom Felssporn über Heimat und Tafeljura. Da wird einem gleich ganz naturparkisch. Vor allem aber – und das fasziniert die neuen Tränenweg-Architekten – gelingt auf der Fluh, woran sie in der Begegnungszone unten im Dorf seit Jahren scheitern: Die Spezies Wanderer, Fussgängerin, Töfffahrer, E-Bikerin und Autolenkende koexistieren in Frieden und Harmonie. Das erstaunt umso mehr, als die furchterregend steile und unübersichtliche Bergstrasse nicht ganz ungefährlich ist – im Gegensatz zum «Strichcode»-Boulevard. Und doch spielen sich in der Begegnungszone gemäss Schilderungen von Müssig- und Fussgängern täglich Beinahe-Verkehrsdramen ab. Die Fluh, der Friedens- und Kraftort.
Zeter Pfuuser und Lobby Gütiger, vollgepumpt mit Fluh-Energie, blicken vom Felsen auf ihr Reich – vom besudelten Nebiker-Turm im Osten bis zum Tenniscenter im Westen und dann in Richtung Sissach-Süd, wo die Abendsonne das neue Wahrzeichen des ungeliebt-geliebten Nachbarorts, dessen Name nicht genannt werden darf, glühen lässt. Mit dem Turm auf dem Büchel bringen die dortigen Gemeindeoberen die Archäologen des Kantons langsam, aber sicher zur Weissglut. Viele Monate haben die Tonscherbengräber beide Augen zugedrückt, nun ist ihre Geduld am Ende. Sie verlangen den Abriss. Pfuuser und Gütiger sind uneins, ob sie der Holzburg einen roten Hahn auf die Zinnen setzen oder eine Gemeindeinitiative pro Büchelburg lancieren sollen. Klar ist für beide: In Du-weisst-schon-wo wird eine Tränenweg-Skulptur installiert – auch als Mahnmal für das (finanziell) missratene Dorffest.
Von da aus soll es aber direttissima nach Sissach gehen: dem Diegterbach entlang, hinter der «Kunsti» durch und an der katolischen Kirche vorbei zum Bahnhof. «Was ist eigentlich aus den Plänen fürs neue "Centro" geworden? Liegt die Baubewilligung nicht längst vor?», fragt Pfuuser. «Die andere Kirche hat Geburtstag!», klärt Gütiger ihn auf. «Ist mir doch schnurz, ob evangelisch, katholisch oder reformiert – Hauptsache Religion. Die Kirche ist die nächste Tränenweg-Station!» Die Recherche zum Verbleib des Neubaus wird das Duo unweigerlich zur Ex-Kirchgemeindepräsidentin Ladriana Linshallah-ta führen; zugleich Impresaria des Hotels Wonne (Posten drei: Gastro und Batzenchlemmerei). Nur sie kennt die Wahrheit, warum das neue «Centro» überfällig ist: Fehlt es am Geld, der Presidentessa vor lauter «Sonne»-Kaderleute Austauschen an Zeit oder der Kirche an den Schäfchen, die im schicken Neubau Gottes Werk verrichten könnten?
«Apropos: Kennst du den?», fragt Pfuuser und wartet die Antwort gar nicht erst ab: «Was haben Gott und der Naturquark Baselbiet gemeinsam? Beide kannst du nicht anfassen und niemand kann dir so recht erklären, wo sie dir helfen. Du musst einfach daran glauben.» Anstatt zu lachen fragt Lobby Gütiger Pfuuser, ob er den Witz auch seiner Nachbarin Mayeli unter der Fluh erzählt habe. Er hat – und die hat ihn brühwarm Flora Brenzikoffer weitererzählt. «Läck, haben die mir das Gurli gfienggt: Wir Grünen müssten doch zusammenhalten und so. Null Humor, sage ich dir. Als ob ich und nicht Urs Chrottien den Quark zu Matsch getrampelt hätte.» Gütiger schlägt vor, einen Naturquark-Gedenkstein in den Tränenweg zu integrieren. Über den Standort muss nicht lange diskutiert werden: die Aula des geplanten Primarschulhauses, exakt da, wo die Gmäini den Naturquark abgeschossen hat.
Die Hälfte des Tränenwegs ist unter Dach, das neue Dream Team mit sich ziemlich zufrieden. Das Feierabendbier im "Stöpfli"ruft. Man trifft – natürlich – Hippie Bärtschi an, den Säckelmeister der Würgergemeinde Sissach. Er zieht den Pachtzins in Naturalien-Form ein. Leutselig erzählt er vom Coup des Würgerrats: der Akquisition der Weinhandlung Buess – ohne die Tschudy-Baracke – pardon: Villa. Die Würgergemeinde wolle das Gelbe Haus zum Hauptsitz für die Verwaltung ihrer Ländereien, Waldungen, Wohnbauten, Kulturhäuser, Werk- und Ladenlokale, Beizen sowie Spiel- und Tummelplätze machen. Und da, wo es bis vor Kurzem gärte und schimmelte, werde ein neues Versammlungs-, Trink- und Fasnachtslokal eingerichtet: der Würgerkeller. Na dann Prost!