Die Gebergemeinden gehen aufs Ganze

  26.09.2024 Baselbiet

Unterbaselbieter Gemeinden lancieren eine Gemeindeinitiative

Geber- und Nehmergemeinden des Finanzausgleichs haben zusammen mit dem Kanton einen Kompromiss für eine Teilrevision des Finanzausgleichsgesetzes erarbeitet. Der Regierungsrat sistierte darauf das Vorhaben. Das wollen die Gebergemeinden nicht akzeptieren.

Tobias Gfeller

Die einen zahlen Millionen, die anderen erhalten Millionen. Das ist kurz gesagt der horizontale Finanzausgleich zwischen den Gemeinden im Kanton Baselland. Finanz- und strukturstarke Gemeinden unterstützen die finanz- und strukturschwächeren Gemeinden finanziell. 2024 zahlen die Gebergemeinden 76 Millionen Franken in den Finanzausgleich ein. Zusätzlich richtet der Kanton im Rahmen des vertikalen Finanzausgleichs knapp 23 Millionen Franken an Gemeinden mit überdurchschnittlichen Lasten in den Bereichen Bildung, Sozialhilfe und Nicht-Siedlungsfläche aus.

Zu den Gebergemeinden gehören vor allem Gemeinden aus dem Unterbaselbiet. Zu den Nehmergemeinden gehören vorwiegend kleinere Gemeinden auf dem Land. Das Beispiel Reinach zeigt, dass die Gebergemeinden auch einzahlen müssen, wenn ihre aktuelle finanzielle Lage schwierig ist.

So bezahlt die besagte Gemeinde jährlich rund 9 Millionen Franken, obwohl sie noch immer mit einem strukturellen Defizit zu kämpfen hat. Weil die Belastung immer grösser wurde, forderten die Gebergemeinden jahrelang eine Anpassung des Finanzausgleichsgesetzes.

Im Rahmen einer Konsultativkommission handelten die Geberund Nehmergemeinden mit dem Kanton zusammen einen Kompromiss für eine Teilrevision des Gesetzes aus. Gemäss diesem müssten die Gebergemeinden langfristig weniger einzahlen. Die Mindereinnahmen bei den Nehmergemeinden würden unter anderem damit aufgefangen, dass der Kanton seine vertikalen Zahlungen an die Gemeinden erhöht. Auch sollen die vertikalen Zahlungen erstmals an die Teuerung angepasst werden. Die Vernehmlassung zu der nötigen Teilrevision des Finanzausgleichsgesetzes verlief ohne wirklichen Widerstand.

Doch kurz bevor die Vorlage im vergangenen Frühjahr in den Landrat kommen sollte, sistierte sie der Baselbieter Regierungsrat. Die Verärgerung bei den Gemeinden – allen voran natürlich bei den Gebergemeinden – war wenig überraschend gross. Als Grund für die Sistierung wurde die verschlechterte Finanzlage des Kantons vermutet. Mit dem neuen Finanzausgleichsgesetz müsste sich der Kanton stärker an den Lasten der Gemeinden beteiligen.

Fünf Gemeinden werden aktiv
Die Gebergemeinden, die sich in der «Interessengemeinschaft für einen massvollen Finanzausgleich» zusammengetan haben, wollen den Marschhalt aus Liestal nicht akzeptieren. Um den ausgehandelten Kompromiss und damit die Teilrevision des Finanzausgleichsgesetzes doch noch durchzubringen, lancierten sie eine Gemeindeinitiative.

Damit eine Gemeindeinitiative zustande kommt, müssen Legislativen von mindestens fünf Gemeinden der Einreichung zustimmen. Dann kommt es zu einer Volksabstimmung im ganzen Kanton. Bisher haben dies der Einwohnerrat Allschwil und die Gemeindeversammlung Arlesheim getan. Die Gemeindeversammlungen von Oberwil und Therwil und die Einwohnerräte Pratteln, Reinach und Binningen sollen folgen. Markus Eigenmann, Gemeindepräsident von Arlesheim und Präsident der IG für einen massvollen Finanzausgleich, geht davon aus, dass es Formsache sein wird, die fünf Gemeinden zusammenzubekommen.

Das Instrument der Gemeindeinitiative kommt selten zur Anwendung. Das zeige, wie gross die Dringlichkeit der Anpassungen beim Finanzausgleich ist, erklärt Markus Eigenmann. «Wir fragten uns, was wir noch machen könnten. Der bisherige Weg mit dem in der Konsultativkommission ausgehandelten Kompromiss führt anscheinend nicht zum Ziel.»

Die Gemeindeinitiative sei aktuell die einzige Möglichkeit, um die nötigen Veränderungen anzustossen, so Eigenmann. Für die Beteiligten sei die Sistierung durch den Regierungsrat nach der umfassenden Arbeit «enttäuschend» gewesen, berichtet der IG-Präsident und Gemeindepräsident von Arlesheim.

Markus Eigenmann äussert aber auch Verständnis für die Perspektive der Regierung infolge der schwierigen Finanzlage des Kantons. «Die Sistierung ist trotzdem zu kurzfristig gedacht. Das Thema brodelt schon lange und verschwindet nicht so schnell wieder.» Es sei methodisch unbestritten, dass es Anpassungen am Finanzausgleichsgesetz braucht, sagt Markus Eigenmann und meint damit insbesondere die Berücksichtigung der Teuerung bei den vertikalen Zahlungen durch den Kanton.

Michael Wild, Gemeinderats-Vizepräsident und Finanzchef von Oberdorf, kann den Ärger bei den Gebergemeinden nachvollziehen. «Die Vorlage war pfannenfertig. Das Vorgehen des Regierungsrats kann man durchaus diskutieren. Für mich war es irritierend.» Auch die Nehmergemeinden hätten sich die Behandlung der Landratsvorlage zur Teilrevision des Finanzausgleichsgesetzes im Landrat gewünscht, bestätigt Wild.

Kritik äussert der Oberdörfer Gemeinderat an Vorgehen der IG. «Wir wären gerne früher und proaktiver über die Lancierung der Gemeindeinitiative informiert worden.»


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