«Die Energiewende kommt voran»

  20.03.2025 Baselbiet, Gemeinden, Baselbiet, Gesellschaft, Energie/Umwelt

Experte Thomas Tribelhorn über Solarausbau, Windparks und mehr

Er ist Geschäftsführer der Adev Energiegenossenschaft und Präsident der Baselbieter GLP: Thomas Tribelhorn. Im Interview erklärt der Oberbaselbieter, warum es aus seiner Sicht eine Solarpflicht braucht.

Janis Erne

Herr Tribelhorn, es werden derzeit weniger Solaranlagen, Wärmepumpen und Elektroautos verkauft als in den Vorjahren. Die Energiewende scheint ins Stocken zu geraten. Wie beurteilen Sie das?
Thomas Tribelhorn:
Der Klimaschutz und die Energiewende stehen politisch unter Druck, das sieht man deutlich, wenn man in die USA, nach Deutschland oder in die Schweiz schaut. Bei der Adev und ihrer Tochterfirma Willy Gysin AG verzeichnen wir glücklicherweise keinen Auftragsrückgang. 2024 haben wir Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von 6 Megawatt installiert – das ist in einem Jahr halb so viel wie in den 30 Jahren zuvor zusammen. Die Energiewende kommt also voran.

Trotzdem gibt es Entwicklungen, die Ihnen nicht gefallen dürften. Der Bundesrat wollte kürzlich die minimale Einspeisevergütung für Solarstrom auf 0 bis 4,6 Rappen festlegen. Ihre Partei, die GLP, sah den Ausbau der Photovoltaik gefährdet und intervenierte.
Dank unserer Unterschriftensammlung soll die Mindestvergütung ab 2026 nun 6 bis 6,2 Rappen betragen. Das ist eine massive Verbesserung und gibt den Leuten Planungs- und Investitionssicherheit, wenn sie eine Solaranlage installieren wollen. Die Diskussionen um tiefere Vergütungen und «Abregelungen» von Photovoltaikanlagen in den Sommermonaten wegen Überproduktionen haben die Menschen verunsichert und möglicherweise dazu geführt, dass grössere Installationsfirmen weniger Aufträge erhalten haben und Leute entlassen mussten.

Diskussionen gab es auch über die lokalen Elektrizitätsgemeinschaften (LEG), die 2026 kommen. Darunter versteht man die Möglichkeit, seinen Solarstrom an andere Haushalte im Dorf zu verkaufen.
Auch hier dürfte der Appell der GLP zu einer Verbesserung führen. Der Bundesrat will den LEG nun etwas bessere Bedingungen einräumen. Dem direkten Nachbarn oder den Mietern eines Mehrfamilienhauses kann man schon seit ein paar Jahren seinen Solarstrom in einem sogenannten Zusammenschluss zum Eigenverbrauch (ZEV) über ein privates Kabel verkaufen. Um den Strom in der weiteren Nachbarschaft einer LEG verkaufen zu können, braucht es das öffentliche Netz und für dessen Nutzung gibt es einen Rabatt. In der Schweiz soll der Rabatt 40 Prozent betragen, in Österreich liegt er bei 60 Prozent. Klar ist: Ohne Rabatte rechnen sich diese Nachbarschaftsmodelle nicht.

Ende gut, alles gut – oder wie?
Jein. Wir hätten natürlich gerne die gesetzlich möglichen 60 Prozent Rabatt. Zudem gibt es eine Lücke im eidgenössischen Stromgesetz.

Welche?
Das Parlament hat es leider versäumt, dafür zu sorgen, dass der Strom aus Windkraftanlagen direkt in den Standortgemeinden verbraucht werden kann. Der lokale Stromverkauf ist nur auf derselben Netzebene erlaubt, nicht aber zwischen den Netzebenen. Eine Windkraftanlage produziert auf der Mittelspannungsebene (Netzebene 5), die meisten Privathaushalte beziehen ihren Strom aber auf der Niederspannungsebene (Netzebene 7). Deshalb kann Windstrom nur an ein paar grössere Strombezüger verkauft werden, in der Regel also grössere Gewerbebetriebe oder Firmen.

Bleiben wir noch kurz bei der Solarenergie. Sie sitzen in zwei Initiativkomitees, die eine Solarpflicht für Neu- und Bestandesbauten fordern. Wie verträgt sich das mit Ihrer Rolle als Kantonalpräsident einer liberalen Partei?
Ich unterstütze sowohl die kantonale Solarinitiative der SP Baselland als auch jene der Grünen Schweiz. Bei der GLP ist die Solarpflicht umstritten, weil sie zwar grün, aber nicht ganz so liberal ist. Tatsache ist, dass sich eine Solaranlage – auch mit einer Batterie zur Stromspeicherung – für den Eigentümer finanziell lohnt. Deshalb finde ich es richtig, diese zukunftsfähige Technologie mit Vorschriften zum Durchbruch zu verhelfen.

Schafft das der Markt nicht?
Teilweise schon, aber nicht ganz. Denn zum einen verzichten Menschen auf eine Solaranlage, weil Gegner der erneuerbaren Energien Angst machen und behaupten, die Installation lohne sich nicht, was absolut nicht stimmt. Zum anderen stellen sich ganz praktische Fragen: Als Mieter hat man zum Beispiel wenig Einfluss. Man kann sich bei der Wohnungswahl nicht nur danach richten, ob das Haus mit erneuerbarer Energie versorgt wird. Auch andere Faktoren wie Mietpreis, Wohnungsgrösse oder Wohnort müssen berücksichtigt werden. Wenn erneuerbare Energien erst einmal Standard sind, werden sie so billig sein, dass Förderungen und Vorschriften nicht mehr nötig sind und der Markt den Preis bestimmt. Das wird auch bei Wärmepumpen der Fall sein, wo wir bei den Verkaufszahlen schon weiter sind als bei Solaranlagen.

Vorschriften und Abgaben im Energiebereich sind beim Volk nicht sehr beliebt, wie die Abstimmungen über das eidgenössische CO2-Gesetz 2021 oder das nur knapp angenommene Baselbieter Energiegesetz 2024 gezeigt haben.
Das Baselbieter Energiegesetz wurde mit 54,3 Prozent Ja-Stimmen angenommen. Das ist kein superklares Resultat, aber auch kein knappes. Ich finde es demokratiepolitisch heikel, dass die Gegner das Gesetz mit dem Dekret verknüpfen und mit einer Volksinitiative die Abstimmung wiederholen wollen. Schade ist auch, dass das Kantonsgericht die Solarpflicht für Neubauten gekippt hat. Für mich sind die Positionen der SVP und von Teilen der FDP unverständlich. Andere Kantone – auch solche, die eher als konservativer gelten wie Luzern, St. Gallen, die beiden Appenzell, Schwyz oder Glarus – kennen eine Solarpflicht für Neubauten.

Was stört Sie konkret an SVP und FDP in der Energiepolitik?
Gerade die SVP, die immer wieder betont, wie wichtig die Unabhängigkeit und die Selbstversorgung der Schweiz seien, handelt für mich widersprüchlich. Wenn wir weiterhin auf Öl, Gas und Atomstrom setzen, für den Uran benötigt wird, machen wir uns abhängig von anderen Ländern, die zudem oft autoritär regiert werden. Erneuerbare Energien hingegen erhöhen den Eigenproduktionsgrad im Strombereich. Wir müssen die Chancen nutzen und diese Energieformen ausbauen, zumal wir in der Schweiz die besten Voraussetzungen haben: Wasserkraft und alpine Solaranlagen liefern Strom im Winter, Photovoltaikanlagen im Mittelland im Sommer.

Die drittwichtigste erneuerbare Energiequelle – wenn auch mit deutlichem Abstand – ist nach Wasser und Sonne die Windkraft. 2024 wurde in der Schweiz so viel Windenergie produziert wie noch nie. Im Baselbiet steht jedoch noch keine einzige grössere Windkraftanlage, obwohl geeignete Standorte vorhanden sind. Wie beurteilen Sie die Situation?
Neben der geplanten Anlage in Muttenz ist ein Windpark auf dem Schleifenberg in Liestal am weitesten fortgeschritten. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsprojekt der Elektra Baselland (EBL) und der Adev. Wir sind mit der EBL im Gespräch und würden das Projekt wahrscheinlich übernehmen, wenn die EBL nicht mitmachen will.

Die Adev hat bereits Erfahrungen auf diesem Gebiet.
In St. Brais im Kanton Jura betreiben wir zwei Windturbinen. Auch im Entlebuch planen wir eine Anlage, das entsprechende Baugesuch ist in Vorbereitung. Die Realisierungschancen sind gut, da in der betroffenen Gemeinde bereits drei Windturbinen stehen. Interessant ist, dass Gemeinden mit Windparks dieser Technologie deutlich positiver gegenüberstehen als Gemeinden ohne Windparks. Solche Anlagen scheinen also doch nicht so schlimm zu sein, wie die Gegner glauben machen wollen.

Vor wenigen Wochen wurde die Interessengemeinschaft ProWind Nordwestschweiz gegründet. Gibt das der Windenergie den nötigen Aufwind?
Ja, das hoffe ich. Ich war an der Gründungsversammlung anwesend und erstaunt darüber, wie viele Leute sich für eine Mitarbeit interessieren. Eines der Ziele von ProWind ist es, ein Gegengewicht zu den Windkraftgegnern zu bilden. Wir wollen die Menschen frühzeitig über die Vorteile der Windenergie informieren und so Projekten zum Durchbruch verhelfen.

Es dürfte Ihnen gefallen, dass der Regierungsrat die Bewilligungsverfahren für Windkraftanlagen beschleunigen will. Eine entsprechende Vorlage soll dem Landrat 2026 unterbreitet werden.
Diese Massnahme, die der Kanton Luzern vor wenigen Monaten bereits beschlossen hat, wäre enorm wichtig. Sofern eine Standortgemeinde mit geplanten Windkraftanlagen einverstanden ist, soll das Plangenehmigungsverfahren gebündelt werden, sodass nur noch einmal Beschwerde vor Kantons- und Bundesgericht möglich ist. Heute können Windkraftanlagen jahrelang verzögert werden, weil die Nutzungsplanung, die Zonenplanänderung und das Baugesuch einzeln angefochten werden können. In der Schweiz dauert es deshalb von der Idee bis zum Bau einer Windkraftanlage im Durchschnitt 20 bis 25 Jahre, in Deutschland hingegen nur 4 bis 5 Jahre – und das empfinden die Deutschen schon als lang. In der Nähe von Freiburg im Breisgau hat sich die Adev an einem Windpark beteiligt: Alte Turbinen wurden dort teilweise innerhalb von nur 16 Monaten nach dem Plangenehmigungsverfahren ersetzt.

Bei unseren nördlichen Nachbarn ist die Akzeptanz der Windenergie deutlich höher. Worauf ist das zurückzuführen?
Das hat sicher mit der Geografie und der Grösse des Landes zu tun. Deutschland hat weniger Möglichkeiten zur Erzeugung von Wasserkraft als wir und hat deshalb schon früh auf die Windenergie gesetzt. Windkraft ist zentral für die Schliessung der Winterstromlücke, und das hat Deutschland erkannt. Zudem ist die Schweiz dichter besiedelt, weshalb Windparks rasch als störend empfunden werden. Aber das ist Geschmackssache. Ich persönlich finde, dass Windräder auch etwas Beruhigendes haben. Natürlich haben sie Auswirkungen auf das Landschaftsbild, aber das haben Atomkraftwerke auch …

Themenwechsel: Im Gegensatz zu China, wo jedes zweite verkaufte Auto ein elektrisches ist, spielt die E-Mobilität bei uns noch eine untergeordnete Rolle. Woran liegt das?
Das hat mehrere Gründe. Einer davon ist, dass die Leute aktuell generell zurückhaltend sind beim Autokauf, also auch beim Kauf von Verbrennern. Das liegt wohl daran, dass es eine gewisse Unsicherheit gibt, wie sich die Wirtschaft entwickeln wird. Ausserdem sind Elektroautos im Durchschnitt noch teurer als Verbrenner. Und schliesslich stockt der Ausbau der Ladestationen.

Bräuchte es eine Ladestellen-Pflicht für Neubauten, wie sie im Baselbiet schon einmal diskutiert wurde?
Ja, es bräuchte ein «Recht auf Laden» für Mieter. Der Kanton Luzern hat kürzlich eine Vorschrift eingeführt, wonach in Einstellhallen von neuen Gebäuden ab einer gewissen Anzahl Parkplätzen die Grundinfrastruktur für Ladestationen installiert werden muss. Das hilft den Mietern in bestehenden Gebäuden zwar nicht, ist aber ein Anfang. Die Ladeinfrastruktur muss in der Schweiz besser ausgebaut werden. Entlang der Autobahnen und in einigen Städten sind wir gut ausgerüstet, aber auf dem Land hapert es noch.

Die Adev will am Läufelfinger Bahnhof zwei Schnellladestationen installieren. Die Elektroautos sollen mit Solarstrom vom Dach des Werkhofs nebenan aufgeladen werden können. Sie sprechen von einem Pilotprojekt – warum?
Im Oberbaselbiet gibt es noch kaum Schnellladestationen für Elektroautos, und auch wir von der Adev haben noch wenig Erfahrung damit. Darum sprechen wir von einem Pilotprojekt. Es soll diesen Sommer starten. Wir haben auch ein Projekt in Basel. Dort haben wir einem Quartier zwei bidirektional ladbare Elektroautos zur Verfügung gestellt, die einerseits zum Fahren genutzt werden können und andererseits als Batterien dienen, um Lastspitzen zu brechen und so Stromkosten zu sparen. Die Elektromobilität hat ein enormes Potenzial, das Stromnetz zu entlasten und den Netzausbau zu verlangsamen. Elektroautos sind sozusagen fahrende Batterien. Berechnungen zeigen: Würden alle Autofahrer in der Schweiz auf Elektroautos umsteigen, stünde doppelt so viel Speicherkapazität zur Verfügung wie in allen Schweizer Stauseen zusammen.

Der SP-Nationalrat und ehemalige Adev-Verwaltungsratspräsident Eric Nussbaumer hat kürzlich an einem Podium gesagt, der Kanton Baselland solle analog zu Basel-Stadt den Bau von Wärmeverbünden in Gebieten mit zu geringer Gebäudedichte fördern. Sie stimmen ihm zu, oder?
Ja, das tue ich. Wenn die Gebäudedichte zu gering ist, lohnt sich der Bau eines Wärmeverbunds finanziell oft nicht, weil zu viele Meter Leitungen verlegt werden müssen und die Projekte dadurch zu teuer werden. Sowohl in Tenniken als auch in Waldenburg, wo die Adev die Übernahme und den Weiterausbau bestehender Wärmeverbünde prüft, ist die Gebäudedichte zum Beispiel nicht sehr hoch. Ökologisch sinnvoll sind solche Verbünde aber gleichwohl. Mit staatlicher Förderung würden Wärmeverbünde vor allem in ländlichen Gebieten rentabler – wovon auch die Kunden profitieren würden.


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