Die Delegierten der SP Baselland sollen an ihrer Versammlung heute Abend in Reinach die Resolution «Keine neuen AKW im Baselbiet!» verabschieden. Sie wird von Energiepolitiker Thomas Noack vorgestellt. Der Landrat aus Bubendorf argumentiert, dass die Atomenergie kurzfristig nichts bringe.

Janis Erne

Herr Noack, der Bundesrat will das Neubauverbot für Atomkraftwerke (AKW) aufheben. Was halten Sie davon?
Thomas Noack: Ich halte den Entscheid des Bundesrats für falsch. Erstens widerspricht die Aufhebung des Neubauverbots der vom Volk deutlich beschlossenen Energiestrategie 2050, die ein Verbot neuer AKW beinhaltet. Ein AKW-Neubau im Kanton Baselland und in dessen Nachbarschaft widerspricht zudem der Baselbieter Verfassung. Zweitens kommt die Diskussion angesichts der Klimakrise zur Unzeit und lenkt von den Herausforderungen der kommenden Jahre ab.

Erläutern Sie das bitte.
Nach Fukushima hat der Bundesrat 2011 den Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen. Dazu legte er die Energiestrategie 2050 vor. Sie sieht einen umfassenden Umbau der Energieversorgung vor – mit dem Ziel, die erneuerbaren Energien, also Wasserkraft, Sonne, Wind und Biomasse, auszubauen und die Energieeffizienz zu steigern. Mit dem Übereinkommen von Paris hat sich die Schweiz zudem verpflichtet, bis 2050 «Netto Null» zu erreichen. Die dafür notwendigen Massnahmen entsprechen weitgehend der Energiestrategie: Ersatz der Verbrennung von Öl und Gas durch erneuerbare Energien und Steigerung der Energieeffizienz. Beide Ziele sind sehr ambitioniert und können nur erreicht werden, wenn wir uns voll darauf konzentrieren.

Ist dieser Fokus denn gefährdet?
Für Bundesrat und Energieminister Albert Rösti sowie die SVP stehen die genannten Themen derzeit nicht im Zentrum. Der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Energieeffizienz wurden in der öffentlichen Diskussion subtil durch das Thema Energiesicherheit und die Angst vor einem Blackout ersetzt. Energiesicherheit ist in der Tat wichtig und anspruchsvoll. Nur leisten neue AKW weder kurznoch langfristig einen wesentlichen Beitrag dazu.

Weshalb nicht?
Weil sie zu spät gebaut würden und zu teuer wären. Denn: Obwohl die Reaktorunfälle von Tschernobyl und Fukushima langsam in Vergessenheit geraten, ist die breite Akzeptanz des AKW-Risikos in der Bevölkerung nach wie vor fraglich. Zudem bestünde durch die Abhängigkeit von neuen Grossanlagen ein hohes Klumpenrisiko. Fällt eine Anlage aus, haben wir grosse Probleme. Dies hat die Baselbieter Regierung in ihrer Antwort auf eine Interpellation von mir bestätigt.

Für den Bundesrat stehen weiterhin Wasserkraft, Sonne und Wind, also die erneuerbaren Energien, im Vordergrund. Zudem könnten neue Nukleartechnologien deutlich weniger gefährlich sein. Warum will sich die SP dem technischen Fortschritt verschliessen?
Die SP verschliesst sich dem technischen Fortschritt nicht. Doch statt in äusserst kapitalintensive, risikoreiche und unsichere Technologien zu investieren, müssen Forschung, Investitionen und gesellschaftliche Diskussion dringend auf die Umsetzung einer nachhaltigen Energiewende ausgerichtet werden. Die Technologien dafür sind erprobt und stehen bereit. Keines der heute diskutierten neuen Reaktorkonzepte kann die Probleme und Risiken der Kerntechnik lösen. Darüber hinaus bleibt das Problem der sicheren und gesellschaftlich konsensfähigen Lagerung der vorhandenen und zukünftigen radioaktiven Abfälle zu lösen.

Ohne einen massiven Zubau von Solaranlagen droht mittelfristig eine teure Stromlücke im Winter. Wie schätzen Sie das ein?
Das ist die grosse Herausforderung. Hier sind alle unsere Anstrengungen gefragt: Sei es bei Technologien (Stromspeicher), bei Innovationen (intelligente Netze und Steuerungen, Nutzung der Batterien von Elektroautos), bei Investitionen (Netzausbau, alpine Solaranlagen, Windnutzung, Geothermie) oder bei Anreizen und Vorschriften (Nutzung von grossen West- und Ostdächern auf Alt- und Neubauten, konsequentere Nutzung der Speicherseen als Winterreserve). Zudem braucht es kluge Investitionen in die Produktion von Wasserstoff aus Überschussstrom und ein Stromabkommen mit der EU als Voraussetzung für die optimale Nutzung der Reserven der internationalen Stromproduktion. Auf diese Herausforderungen müssen wir uns bis 2050 konzentrieren. Hier muss der Staat mitdenken, fördern, investieren und lenken.

Inwiefern?
Ich bin ganz klar der Meinung, dass es neben deutlich höheren Anreizen durch Fördergelder aus Steuermitteln von Bund, Kantonen und Gemeinden auch Investitionen in innovative und nachhaltige Technologien sowie klare staatliche Vorschriften und Vorgaben braucht. Dies fordern wir als SP Baselland zum Beispiel mit unserer Solarinitiative, die derzeit in der Umwelt- und Energiekommission des Landrats beraten wird und über welche die Baselbieterinnen und Baselbieter bald auch abstimmen können.

Der Wirtschaftsverband Economiesuisse befürwortet die Offenheit gegenüber der Nukleartechnologie. Ignoriert die SP die Anliegen der? Warum?
Ich frage mich, warum Economiesuisse als liberaler Wirtschaftsverband, der sich sonst immer den freien Markt auf die Fahne schreibt, nicht auf die Betreiber von Atomkraftwerken hört. So sagte Markus Ehringer von der BKW gegenüber SRF Ende August, dass die Wirtschaftlichkeit neuer Kernkraftwerke in der Schweiz derzeit nicht gegeben sei und neue AKW in der Schweiz ohne staatliche Subventionen kaum realisierbar seien. Ich möchte klarstellen: Dies sagen nicht die Sozialdemokraten, sondern die AKW-Betreiber. Und die müssen es wissen.

Das Interview wurde schriftlich geführt.

«Die AKW-Diskussion kommt zur Unzeit»

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