Desinformation
05.12.2024 RegionVerbindliche Regeln sind nötiger denn je
Zur «Carte blanche» «Totengräber der Demokratie» in der «Volksstimme» vom 21. November, Seite 2
Wenn sich unser Bundesrat den Bemühungen der EU anschliesst und ähnliche Gesetze plant, wie man die ausufernden und unreflektierten Outputs im Internet in den Griff bekommen könnte, hat das mit Zensur nichts zu tun. Auch beschneidet die «Political Correctness» die Meinungsfreiheit nicht. Das in der EU anwendbare Gesetz über digitale Dienste (DSA) soll helfen, das Verbreiten von illegalen Inhalten zu verhindern und die Grundrechte der Nutzerinnen und Nutzer zu schützen; auch deren Redefreiheit im Internet. Es verpflichtet grosse Online-Plattformen und Suchmaschinen, die monatlich mindestens 45 Millionen aktive Nutzerinnen und Nutzer erreichen, unter anderem zu besonderer Sorgfalt im Umgang mit Daten.
Insofern werden wir als Leserinnen und Leser von Peter Rieblis «Carte blanche» desinformiert, wenn er behauptet, DSA und «Political Correctness» würden Diskussionen über wahr und unwahr, richtig und falsch verhindern und vergiften. Das Ziel sei, den Gegner mundtot zu machen.
Kein Mund korrekt Denkender wird tot gemacht, Herr Riebli. Im weiteren nehmen Sie an, dass jene, die am häufigsten vom Schutz der Demokratie reden, die eifrigsten Totengräber der Demokratie seien. Wen meinen Sie damit? Sie fragen sich, wer denn bestimmt, was Desinformation ist und was nicht. Etwa Sie? Mit Ihrer «Carte blanche» erweisen Sie sich nicht als Experte.
Wenn die Demokratie Totengräber und Krematorien zu befürchten hat, sind diese vor allem im Dunstkreis der digitalen Medien zu orten. Denen verbindliche Regeln zu verpassen ist notwendiger als je zuvor und eine Möglichkeit, den Austausch gegensätzlicher Meinungen auf anständige Art und Weise zu fördern. Es kann ja nicht Ihr Ernst sein, gegen Fairness in der Demokratie zu opponieren.
Ihre persönliche Weltanschauung ist in der Zwischenzeit hinlänglich bekannt. Sie werden sie weiterhin verbreiten und andere Meinungen als linksideologische Desinformation bezeichnen können. Auch sind Sie frei, einen Zusammenhang herzustellen zwischen der Wohnungsnot und der angeblichen Tatsache, dass wir (?) jedes Jahr um die 100 000 Menschen aus anderen Ländern «hereinlassen». Mit Reaktionen und Richtigstellungen werden Sie allerdings als bekennender Demokrat rechnen müssen. Ich bin dabei, wenn es darum geht, staatliche Verordnungen zu hinterfragen, die gegen Menschenrechte verstossen.
Sich der Meinungsfreiheit zu bedienen, setzt ein Gespür voraus, zu erkennen, was für das Gesunden der Demokratie hilfreich ist oder nicht – mit anderen Worten eine politische Urteilsfähigkeit. Das geht nicht nur die Landräte und Landrätinnen an.
Heinz Schweingruber, Kilchberg