«Der Rheintunnel löst die grössten Probleme»

  24.10.2024 Baselbiet

Der Baselbieter Bau- und Verkehrsdirektor Isaac Reber (Grüne) ist für den Rheintunnel, weil damit ein Verkehrsengpass beseitigt wird und weil er überzeugt ist, dass in 10 bis 15 Jahren der Strassenverkehr im Wesentlichen elektrifiziert sein wird.

Thomas Gubler

Herr Reber, es ist bekannt, dass Sie als Baselbieter Regierungsrat ein Befürworter der Autobahnausbau-Vorlage, über die am 24. November abgestimmt wird, und damit auch für den Rheintunnel sind. Sie vertreten damit klar eine andere Meinung als Ihre Partei, die Grünen. Wie leben Sie damit?
Isaac Reber:
Ich lebe schon relativ lange damit, dass man als Mitglied einer Exekutive mitunter eine andere Position einnimmt, als man dies vielleicht als Parteipolitiker tun würde. Das gehört zu unseren Rollen. Wenn ich das nicht könnte, dann wäre ich entweder schon lange nicht mehr in dieser Position oder hätte keine Freude mehr am Amt. Das ist aber nicht der Fall. Als Verkehrsdirektor ist es mir ein Anliegen, dass diese Region über eine Infrastruktur verfügt, die funktioniert. Das heisst, wenn wir in eine Situation geraten, die nicht mehr operabel ist, sei es auf der Strasse oder auf der Schiene, dann müssen wir etwas dagegen unternehmen. Im vorliegenden Fall haben wir einen Verkehrsengpass auf der Strasse, den wir mit dem Rheintunnel beseitigen können.

Ihre Basel-Städter Kollegin Esther Keller erleidet derzeit ein ähnliches Schicksal. Auch sie spricht sich für ein Ja zur Vorlage und damit zum Rheintunnel aus. Gehört es zum Schicksal einer Magistratsperson, dass sie mitunter von ihrer Parteibasis im Regen stehen gelassen wird?
Als Mitglieder einer Kantonsregierung werden wir nicht von einer Partei gewählt, sondern von den Stimmberechtigten des Kantons. Entsprechend haben wir die Interessen der ganzen Bevölkerung zu vertreten und nicht nur die eines Segments. Das kann mitunter zu Differenzen mit der eigenen Partei führen. Aber damit hatte ich bisher nie Probleme.

Ihnen geht es, wie Sie stets betonen, beim Rheintunnel um die Beseitigung eines Verkehrsengpasses. Ihre Parteikollegin, Nationalrätin Florence Brenzikofer, vertritt ein Nein zur Vorlage mit dem Argument, mit dem Projekt werde nur Mehrverkehr generiert. Liegt sie damit falsch?
Wir reden hier übers Ganze gesehen von einem Punkt im gesamten schweizerischen Nationalstrassennetz, bei dem das Netz offensichtlich nicht funktioniert. Als Verkehrsdirektor des Kantons Baselland kann ich das nicht gut finden. Darum ist es richtig, dass man etwas verändert und die Situation verbessert. Dazu stehe ich. Genau das Gleiche würde ich übrigens sagen, wenn es um einen Engpass im Schienennetz geht.

Ihre Grünen-Kolleginnen und -Kollegen argumentieren auch, mit einem Rheintunnel liessen sich die Klimaziele nicht erreichen. Sie dagegen halten Staus auch für umweltschädlich. Wer ist nun der bessere Grüne?
Ich glaube, wir alle wären gut beraten, wenn wir solche Situationen nüchtern und sachlich analysieren. Dann stellten wir nämlich fest, dass erst einmal ein Tunnel ein Tunnel ist – ob Strassen- oder Eisenbahntunnel. Und was nun den Verkehr betrifft, der durch den Rheintunnel fliessen wird, so dürfte dieser in 10 oder 15 Jahren ein anderer sein als heute.

Wie sieht denn dieser Verkehr Ihres Erachtens in 10 bis 15 Jahren aus?
Ich bin davon überzeugt, dass der fossile Treibstoff dann nur noch eine untergeordnete Rolle spielen wird. Ich gehe davon aus, dass der Strassenverkehr dann zum grössten Teil elektrifiziert sein wird. Möglicherweise kommen aber auch noch andere Techniken ins Spiel. Es herrscht bekanntlich eine grosse Dynamik auf diesem Gebiet.

Sie führen auch immer ins Feld, man könne nicht einfach den Kopf in den Sand stecken und auf den Verkehrskollaps warten. Einzelne Umweltpolitiker legen es offenbar aber geradezu darauf an. Was wäre die Konsequenz eines Kollapses?
Wir müssen uns einmal vor Augen führen, dass wir im Raum Basel internationalen Verkehr, nationalen Verkehr, regionalen Verkehr und lokalen Verkehr haben. All das muss durch den Knoten Basel hindurch. Und ich halte tatsächlich nichts davon, den Kopf in den Sand zu stecken. Deshalb unterstütze ich die Projekte zur Beseitigung des Engpasses – auf der Strasse wie auf der Schiene.

Aber der Rheintunnel dürfte kaum sämtliche Verkehrsprobleme im Raum Basel lösen.
Ich bin Pragmatiker. Und wahrscheinlich löst der Tunnel tatsächlich nicht sämtliche Probleme, aber immerhin die grössten. Das Problem grundsätzlich löst sich aber nur, wenn der Abschnitt Hagnau – Augst auch ausgebaut wird. Entsprechend unterstützen wir auch eine Weiterführung des Projektes in diese Richtung.

Die Umweltpolitiker setzen vor allem auf die Karte «Schiene»: nicht die Autobahnen ausbauen, sondern die Bahnkapazität. Ist das realistisch für die Region Basel oder braucht es nicht beides?
Ich wäre zunächst schon einmal zufrieden, wenn wir an beiden Orten die Engpässe beseitigen könnten: auf der Strasse und auf der Schiene. Wir haben bei der Bahn ebenfalls einen offensichtlichen Engpass. Genau wie auf der Strasse. Der Bund ist dieses Problem angegangen mit 100 Millionen Franken Planungsmitteln. Was den Bahnknotenpunkt Basel betrifft, sind Bund und Region am Planen. Und da sind wir gut unterwegs. Aber wir müssen einfach etwas sehen: Wenn wir den Anteil des öffentlichen Verkehrs mit demjenigen des Privatverkehrs vergleichen, dann können wir die Verkehrsproblematik allein mit der Bahn nicht einmal ansatzweise lösen. Nur auf die Schiene zu setzen, wäre daher ein grosser Fehler.

Aber auch auf die Schiene?
Natürlich. Es ist unbestritten und wurde uns auch vom Bund attestiert, dass wir in unserer Region bei der Erschliessung ganzer Städte – Allschwil und Reinach sind eigentlich Städte – grosse Defizite haben. Und wir haben ebenso grosse Defizite beim grenzüberschreitenden Verkehr zwischen Basel und Mulhouse. Da können wir substanziell etwas verbessern. Und den Anteil am öffentlichen Verkehr deutlich erhöhen. Aber zu glauben, das löse alle Probleme, wäre völlig blauäugig.

Im Moment deuten die Umfragen eher auf ein Ja am 24. November hin. Sollte die Vorlage gleichwohl bachab gehen, was wären dann die Konsequenzen? Haben Sie als Baselbieter Baudirektor so etwas wie einen Plan B zum Rheintunnel?
Ich gehe davon aus, dass der Rheintunnel kommt. Allerdings kann man mit jeder Situation irgendwie leben. Aber für uns ist es sicher schlecht, wenn wir ein nicht funktionierendes Verkehrssystem haben.

Aber was macht der Verkehrsdirektor Isaac Reber bei einem Nein am 24. November am Montag danach?
Es geht im vorliegenden Fall ja um eine Nationalstrasse. Die ersten Fragen würden daher auf den Bund zukommen, weil dieser für das Nationalstrassennetz verantwortlich ist. Ich glaube jedoch, dass wir bei einem Nein vorderhand mit der bestehenden Situation weiterleben müssten. Und sie würde sich bestimmt nicht verbessern.

Womit wir dann eben doch dem Infarkt entgegensteuern würden.
Ich habe die dramatischen Worte nicht so gerne.

Der nächste Hosenlupf könnte Ihnen am Bachgraben bevorstehen. Auch beim Zubringer Bachgraben (Zuba) droht Ihnen Ungemach, zumal der dafür nötige Tunnel quasi Basel-Stadt unterquert. Die Basler Grünen aber sind klar dagegen. Eigentlich war die Planauflage für 2024 bis 2025 vorgesehen. In welcher Phase des Projekts befinden wir uns derzeit?
Da haben wir erst vor wenigen Wochen im Landrat Rechenschaft abgelegt. Beim Zubringer Bachgraben sind wir so weit wie noch nie. Das Projekt braucht Zeit, ist aber auf Kurs. Es gibt wohl Kreise, die etwas ungeduldig sind. Ich kann aber sagen, dass wir gut vorankommen. Voraussichtlich wird das Projekt nächstes Jahr im Entwurf vorliegen. Klar ist aber, dass dieses Zeit braucht, weil auch Frankreich beteiligt ist. Der ursprünglich vorgesehene Baustart im Jahr 2028 war zu optimistisch. Heute haben wir einen realistischeren Fahrplan und gehen von einem Baubeginn 2031 aus. Die Verzögerung ist im Wesentlichen auf den Faktor Abklärungen, auch mit Frankreich, zurückzuführen.

Böse Zungen behaupten, die Verzögerungen hätten mit dem Abgang von Kantonsingenieur Drangu Sehu zu tun? Ist das so?
Da gibt es eine einfache Antwort drauf: Der Kantonsingenieur macht die Projekte nicht. Der Zusammenhang ist konstruiert. Mit dem Abgang von Drangu Sehu hat das alles nichts zu tun. Und abgesehen davon haben wir gar keine wirkliche Verzögerung. Und wenn es denn einen personellen Grund gäbe, dann den, dass es angesichts des grossen Fachkräftemangels schwierig ist, Leute für die Leitung von Projekten zu finden.

Ist es so, dass der Baudirektor in diesem Kanton grundsätzlich an jedem Missstand schuld ist – vom einzelnen Stau bis hin zum Projekt, das in Verzug gerät? Wie gehen Sie mit dieser Form von Kritik um?
Ich habe mir seinerzeit den Wechsel von der Sicherheits- in die Baudirektion gut überlegt. In einer Bau- und Umweltschutzdirektion steht man eben im Schaufenster. Solange die Kritik konstruktiv ist, habe ich damit keine Mühe. Was ich mir wünschen würde, ist, dass man sich etwas mehr zusammenrauft und versucht, sachlich etwas zu bewirken. Aber vielleicht ist es eben auch am einfachsten, die kantonalen Behörden zu kritisieren, auch wenn die Sache Bundes- oder Gemeindeangelegenheiten betrifft. Der Bund ist weit weg und Gemeinden haben wir deren 86. Der Kanton dagegen ist häufig am nächsten und am greifbarsten. Aber damit können wir leben.

Wie steht es denn mit dem Dialog zwischen der BUD und den Wirtschaftsorganisationen?
Es gibt diesen Dialog, von dem ich mir manchmal allerdings mehr wünsche. Möglicherweise war er auch schon besser. Aber das hat meines Erachtens nichts mit der Baudirektion zu tun, sondern damit, dass nicht alle bei diesem Dialog dabei sind. So nimmt etwa die Wirtschaftskammer, im Gegensatz zur Handelskammer, am Dialog mit der Regierung nicht teil.

Warum nicht?
Das müssen Sie die Wirtschaftskammer fragen. Wir wären sicher gerade im Zusammenhang mit Infrastrukturprojekten an einer intensiveren Zusammenarbeit interessiert.

Sie sind nun seit bald 14 Jahren Regierungsrat. Macht Ihnen der Job noch Spass?
Wenn es nicht so wäre, würde ich jetzt nicht hier sitzen. Ja, meine Aufgabe macht mir nach wie vor viel Freude. Mir war 2019 beim Direktionswechsel auch klar, dass ich das nicht nur für eine Legislatur mache, sondern sinnvollerweise für zwei. Und bei der zweiten bin ich jetzt mittendrin.


Der Rheintunnel
gu.
Der Rheintunnel ist eines von sechs Ausbauprojekten auf dem schweizerischen Nationalstrassennetz, über die das Schweizer Volk am 24. November abstimmt. Er besteht laut Bundesamt für Strassen (Astra) aus zwei zweispurigen Röhren von 3,6 beziehungsweise 3,8 Kilometern Länge sowie zwei einspurigen Röhren von je 1 Kilometer Länge, die an die bestehenden Verbindungen von und nach Deutschland und Frankreich anknüpfen. Das südliche Tunnelportal Birsfelden/Muttenz ist beim Kreisel Rheinfelder-/Birsfelderstrasse, das nördliche befindet sich beim Badischen Bahnhof gleich neben den Gleisen.
Die vorgesehenen Kosten betragen für den Rheintunnel 2,6 Milliarden Franken, für das gesamte Projekt 4,9 Milliarden Franken.


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