«Der Film soll an Tabus rütteln»
20.03.2025 Sport, SportSnowboarderin Romy Tschopp gewährt Einblick in ihr Leben
Am Samstag zeigt Romy Tschopp im Marabu exklusiv den Film «Rising Beyond Limits». Ein Fernseh-Team begleitete die Behindertensportlerin durch ein schwieriges Jahr. Entstanden ist ein tabufreies Porträt einer manchmal hadernden, meist aber optimistischen Oberbaselbieterin.
Jürg Gohl
Frau Tschopp, der 10. Rang im Banked Slalom, der 12. im Boardercross und der 6. im Mixed-Teamevent an der Para-Snowboard-WM in Kanada dürften nicht ganz Ihren Erwartungen entsprechen. Richtig?
Romy Tschopp: Definitiv habe ich mir mehr erhofft. Die Konkurrentinnen waren sehr stark. Der Slalom war mit 23 Banks sehr lang, und im Cross hatte ich ein wenig mit dem weichen Schnee zu kämpfen. Ich erhielt dadurch nicht viel Feedback an meinen Körper und es fiel mir schwer, den Kanteneinsatz gut zu dosieren. Dazu kam sicher ein wenig Pech.
Eigentlich können wir uns gerade im Parasport, in dem eine absolut faire Einteilung unmöglich ist, auf den Standpunkt stellen, dass das Mitmachen und der Sieg über sich selber wichtiger sind als der Erfolg.
Klar habe ich im Vergleich eine relativ starke Einschränkung, aber alle kämpften mit ihren Herausforderungen, und ich möchte mich gar nicht zu stark auf solche Vergleiche einlassen. Ich bin schon enttäuscht, ich hätte gerne bessere Ergebnisse nach Hause gebracht, aber die Erfahrungen waren gut, und ich konnte einiges von dieser Zeit lernen. Nun muss ich weiter hart arbeiten und unbedingt ein ganzes Stück besser werden.
Eine Woche nach der WM folgt die Premiere des Films «Rising Beyond Limits», in dem Sie Filmemacherin Flavia Reinhard und Produzentin Sandra Büchi durch das vergangene Jahr begleiten. Er dreht sich um eine grössere Operation und um Ihren Kampf zurück. Da sind doch Rangierungen nebensächlich.
Es beschäftigt mich eben gerade, dass ich im Film mein Leben in den Mittelpunkt stelle, es aber vorher versäume, diese Aufmerksamkeit mit Leistungen zu rechtfertigen. Ich ziehe es vor, mit meinen sportlichen Leistungen präsent zu sein, nicht wegen anderer Themen. Aber es handelt sich um zwei verschiedene Missionen. Die erste ist eine sportliche, in der zweiten geht es darum, einen offenen, transparenten Einblick in mein Leben mit der Krankheit Spina bifida zu gewähren, und darum, Aufklärung zu betreiben. Vielleicht muss ich selber noch lernen, diese beiden Missionen unabhängig voneinander zu betrachten. Ich bin sehr nervös vor der Premiere und gespannt auf die Reaktionen. Bevor der Film im Fernsehen gezeigt wird, ist er nur am Samstag im Marabu zu sehen. Ich bin sehr neugierig, wie viele Leute sich das überhaupt ansehen wollen. Gross beworben haben wir den Anlass nicht.
Sie geben im Film sehr viel von sich preis.
Ja, ich zeige mich sehr, sehr verletzlich. Es ist auch das Ziel des Films, mich durch eine Zeit zu begleiten, in der bei mir nicht alles rund läuft. Ich habe grossen Respekt davor, Leute mit gewissen Aussagen ungewollt vor den Kopf zu stossen. Es geht mir aber darum, Aufklärung zu betreiben und dazu für den Behindertensport zu werben. Treffe ich die Balance? Diese Frage macht mich nervös.
Sie haben die Filmcrew ausgerechnet in einer gesundheitlich schwierigen Phase an sich herangelassen. Warum dieser Zeitpunkt?
Das war mir von Anfang an bewusst, und das ist schliesslich auch das Ziel des Films. Ich wurde nicht von einem grossen Filmteam begleitet. Nur Flavia Reinhard war mit der Kamera eng dabei. Während des Drehens fühlte ich mich nicht einmal herausgefordert. Als ich hinterher das gefilmte Material sah, das mich in kritischen Situationen im Spital oder danach in der Reha zeigt, beschäftigte mich das weit mehr.
Haben Sie Szenen, die zu persönlich waren, rausschneiden lassen?
Auf jeden Fall. Verschiedene Szenen und Aussagen liess ich entfernen. Flavia Reinhard und Sandra Büchi haben einen sehr harmonischen, in sich geschlossenen Film geschaffen. Eine Szene im Spital schmerzte mich nachträglich. Aber es liegt in der Absicht des Films, dass ich eine gewisse Nähe zulasse. Es gibt Szenen, in denen ich weine. Doch wenn wir an gewissen Tabus rütteln wollen, dann gehört das unbedingt dazu.
Eines dieser Tabu-Themen ist das Darm- und Blasenmanagement.
Es war mir ein Anliegen, darauf einzugehen. Es wird am Ende nicht so ausführlich dargestellt, wie ich es mir anfänglich vorgestellt habe. Es soll nicht im Mittelpunkt stehen. Gerade bei Tabu-Themen ist das Gleichgewicht wichtig.
Wie viele Personen haben den Film bereits gesehen?
Nur ganz wenige. Es gehört zu mir, dass ich oft sehr unsicher bin. Wenn ich den Film zu vielen vorher zeige und entsprechend viele verschiedene Reaktionen erhalte, verunsichert mich das nur. Zudem sind die beiden Produzentinnen Profis, auf die ich vertraute. Die wenigen Rückmeldungen fielen positiv aus. Am anspruchsvollsten war das Projekt für meinen Mann, ohne sein Einverständnis, seine Unterstützung und seine Ermunterungen wäre es nicht gegangen.
Weshalb entschieden Sie sich überhaupt für diesen Testlauf im Marabu, bevor der Film am 27. März im Fernsehen gezeigt wird?
Meine Physiotherapeutin Ursula Biland hatte die Idee, und ich finde es sehr schön, mit so einer Premiere im Marabu starten zu dürfen. Ich fühle mich sehr geehrt. Die Premiere wird Reaktionen auslösen. Positive und vielleicht auch negative. Darauf bin ich gefasst. Und so kann ich mich ein wenig auf das Echo einstellen, das die Ausstrahlung im Fernsehen auslösen könnte. Es ist geplant, dass «Rising Beyond Limits» auch an Filmfestivals gezeigt wird. Zusagen haben wir aber noch keine erhalten.
Romy Tschopp wirkt nach aussen immer sehr optimistisch und aufgestellt. Lernen wir Sie von einer anderen Seite kennen?
Ist das der Eindruck? Ja, ich verfüge über eine sehr positive Seite, und diese Seite hilft mir im Alltag sehr. Ich trage sie sehr gerne nach aussen. Der Film offenbart aber, dass ich nicht immer nur stark bin. Das ist niemand von uns, und niemand verlangt von uns, immer nur stark zu sein. Man sieht mich im Film oft auch schwach. Aber ich darf verraten: Das Ende ist positiv.
Film «Rising Beyond Limits» mit Romy Tschopp. Premiere und bisher einzige Kino-Vorführung. Marabu, Gelterkinden. Samstag, 20.15 Uhr. Eintritt frei, Kollekte.
Zur Person
vs. Romy Tschopp (31) ist mit einem offenen Rücken (Spina bifida) zur Welt gekommen. Das Gebrechen schränkte sie immer stärker ein, und deshalb ist sie im Alltag auf einen Rollstuhl angewiesen. Das hält sie aber nicht davon ab, im Para-Sport auf dem Snowboard Weltcup-Rennen und Weltmeisterschaften zu bestreiten. Romy Tschopp ist in Rothenfluh aufgewachsen und lebt heute mit ihrem Ehemann Gregor Tschopp in Sissach.