«Das Schlimmste wäre es, KI nicht zu nutzen»

  24.10.2024 Baselbiet

Niemand hält sie für einen Gag: Am Baselbieter Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsforum 2024 wurde deutlich, dass Künstliche Intelligenz mehrheitlich als Chance gesehen wird. Voraussetzung sei eine Strategie für den Einsatz, sagten Experten.

Peter Sennhauser

Ganz bewusst verzichte er in seinem Betrieb auf den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) im Bereich der Human Ressources, bekannte Jürg Frefel, CEO der Stöcklin Logistik AG. «Ich finde, dort handelt es sich um ein Persönlichkeits- und Datenschutzproblem, und die Spielregeln sind noch nicht etabliert.» Darin liegt die eindeutigste Antwort auf den zweiten Teil der Frage zum Baselbieter Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsforum 2024: «KI, Hilfe oder Last?»: Als Gefahr sehen die Anwender der Künstlichen Intelligenz vor allem mögliche Verletzungen des Datenschutzes.

Darüber hinaus ist offenbar allen klar, was der Experte Tobias Deusser vom Fraunhofer-Institut betonte: Das Schlimmste, was man als Unternehmen tun könnte, wäre, KI gar nicht zu nutzen. Allerdings, so seine eindringliche Ermahnung, sollte man eine Strategie, einen Plan und Ziele haben, was man mit der mächtigen neuen Technologie anfangen will.

Informationsaustausch tut Not
Die Baselbieter Unternehmen seien jedenfalls offen für die KI, freut sich Martin Daetwyler, Direktor der Handelskammer beider Basel. Dies hat eine einfache Umfrage unter 200 Unternehmen in der Region aufgezeigt.

Niemand halte die Technologie für einen «Gag», mit dem man Texte und nette Bildlein machen könne. Wirtschaft und Gewerbe seien sich vor allem der Chancen bewusst und wünschten sich mehr Information, Unterstützung vom Kanton, Gelegenheiten zum Austausch von Erfahrungen – und keine Überregulierung.

Darauf drängten neben Jürg Frefel auch seine Podiums-Nachbarn aus der Wirtschaft, Markus Eigenmann von der Alpha Diagnostics, der in seiner Anwendung der KI auch gleich die Chancen aufzeigte: Sein Unternehmen erstellt Systeme zur Überwachung von grossen Maschinen wie Schiffsmotoren. «Das wird einfacher mit der KI-Analyse von Daten, die wir bereits haben», und in einer weiteren Zukunft hoffe man, mit erhobenen Daten sogar Prognosen über Wartungsintervalle und dergleichen machen zu können.

Patrick Geiser vom Phoenix Technologie-Cluster nutzte die Gelegenheit für einen gut platzierten Werbespot für die Leistungen seines Unternehmens, das im Uptown Basel in Arlesheim demnächst einen Supercomputer in Betrieb nimmt und AIund Cloudrechnerleistungen anbietet: Die Chance für Unternehmen liege auch in der Unabhängigkeit der Schweiz. Niemand müsse seine Daten in die USA schicken, sondern könne sie vor der Haustüre in Arlesheim verarbeiten.

Was dabei möglich ist, hatte Experte Deusser zuvor am Beispiel einer Lösung seines Instituts für die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PWC) vorgestellt. Das Auditing von Geschäftsberichten bei PWC sei eine extrem aufwendige und dabei monotone Aufgabe. Hunderte von Kriterien müssten in Tausenden von völlig verschieden aufgebauten Geschäftsberichten gesucht und auf einer Checkliste abgehakt werden. Die Anwendung mit Künstlicher Intelligenz, die das Fraunhofer Institut für PWC erstellt habe, erledige diesen Job in einem Viertel der Zeit und helfe PWC, den Fachkräftemangel zu bewältigen.

Technisch alles machbar
Wie man zu solch sinnvollen Lösungen kommt, sollte ein zweites Panel mit den Pionieren Alain Veuve vom Sissacher Dokumenten-Management-Unternehmen Parashift AG und Christopher Joder, regionaler Entwicklungschef des Innovations-Förderzentrums CSEM, aufzeigen. Beide mahnten wie schon Deusser, man sollte einen Plan haben. Die häufigste Frage sei die, was man mit den Daten machen könnte, die schon vorlägen, sagte Joder. Die Experten liessen durchblicken, dass die Frage nach Zielen eher zu brauchbaren Lösungen führe als die offene Frage nach den Möglichkeiten. Denn die sind nahezu unbegrenzt, aber nicht immer sinnvoll.

«Wir scheitern bei neuen Prozessen nie an der Technik», sagte Veuve, und Joder fügte an: «… aber an den Kosten, da kann man durchaus scheitern.» Man müsse Lösungen, die man erarbeitet habe, am Ende nämlich auch in den produzierenden Betrieb eingliedern, was keine triviale Aufgabe sei.

Abgesehen vom Volkswirtschaftsdirektor Thomi Jourdan, der als Gastgeber in seinem Schlussreferat neben den immensen Chancen auch die Gefahren wie den Kontrollverlust benannte, mit denen sich die Gesellschaft befassen müsse, wollte an diesem Abend niemand grössere Gefahren der neuen Technologie erwähnen oder gar Spielverderber sein.

Es ist und war klar: «Wenn Sie sich nicht mit Künstlicher Intelligenz beschäftigen», sagte Experte Deusser, «werden es Ihre Mitarbeitenden ohne Ihr Wissen tun.»


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