55 Jahre lang zog Fredi Dettwiler im Dezember als Santichlaus mit Sack, Rute und Glocke von Tür zu Tür – stets in schwarz gekleidet und authentisch. Den Mantel hat er vor rund zwei Jahren an den Nagel gehängt.

Elmar Gächter

«Der Santichlaus-Brauch ist ein wichtiges Kulturgut, das zur Adventszeit gehört. Leider hat die moderne Gesellschaft die Verbindung dazu etwas verloren. Umso mehr muss man es pflegen.» Wer dies sagt, machte während sage und schreibe 55 Jahren jeweils um den 6. Dezember unzähligen Kindern und Erwachsenen seine vorweihnächtliche Aufwartung.

Als langbärtiger Geselle im schwarzen Kapuzenmantel mit Glocke, Sack und Rute liess er mit dem energischen Klopfen die Buben und Mädchen hinter den Wohnungstüren noch etwas stärker bibbern, als sie es im Vorfeld ohnehin schon taten. Den Kindern Angst und Schrecken einzujagen, war allerdings nicht sein Ding, im Gegenteil: «Es war mir stets wichtig, bei meinen Besuchen kein weinendes oder verängstigtes Kind zurückzulassen.»

Vor rund zwei Jahren hat Fredi Dettwiler als damals 75-Jähriger sein Santichlauskostüm an den Nagel gehängt und blickt heute mit viel Freude auf seine langjährige Karriere im schwarzen Mantel zurück.

«Ich hatte als Kind einerseits eine grosse Vorfreude im Hinblick auf den Santichlausabend, aber andererseits eine Riesenangst, auch wenn ich, was andernorts vorgekommen ist, nie in Sack oder Hutte mitgenommen worden bin.» Bereits mit 20 Jahren war er selber als Santichlaus unterwegs, damals noch als Mitglied des Turnvereins Niederdorf. Mit Schmunzeln erinnert er sich, wie er zusammen mit einem Turnerkollegen den Sohn eines Bauern im Dorf besuchte und diesem aus dem «Sündenregister» das Fluchen vorgehalten hat. «Mein Vater flucht ja auch, wenn er die Güllenpumpe nicht zum Laufen bringt», so dessen coole Antwort, wie man heute sagen würde.

Mit dem Esel in den Warenlift
Unvergessen blieb auch der Abstecher in ein Altersheim in Delémont, bei dem ein Esel ihr Begleiter war, den sie zum Erstaunen und vor allem zur Freude der Bewohner im Warenlift vom Untergeschoss ins Erdgeschoss beförderten.

Die allermeiste Zeit war Fredi Dettwiler als Einzelperson unterwegs. Im Gegensatz zu anderen Chläusen war er dabei stets schwarz gekleidet. «Ich denke, dass eine dunkle Farbe dem speziellen Wesen des Santichlauses am besten entspricht und mehr Eindruck macht als beispielsweise eine rote Bekleidung.» Er hatte stets auch selbst gemachte Ruten dabei, die er den Kindern in der Hoffnung übergab, dass man sie möglichst wenig oder gar nicht anwenden müsse.

Ihm sei stets wichtig gewesen, authentisch zu bleiben und einem Kind nicht etwas vorzuspielen, das man selber nicht machen würde. «Ich kam als Vorbote im Hinblick auf die kommende Weihnachtszeit und machte die Kinder darauf aufmerksam, dass ein gutes Wort des Santichlauses die Chancen vergrössert, vom Christkind das gewünschte Geschenk zu erhalten.»

In all den vielen Jahren habe er es kein einziges Mal erlebt, dass sich ein Kind ungebührlich benommen habe. Dies schreibt er vor allem auch deren Eltern zu, von denen die meisten das Brauchtum selber zu schätzen wussten und es auch pflegten. Etwas vom Wichtigsten bei seinen Besuchen sei ein freundlicher und guter Einstieg gewesen, um dann vom negativen Sündenregister zu den positiven Aspekten überzugehen.

Eine der meisten Fragen der Kinder habe sich um die Fragen gedreht, woher er komme und wo denn sein Esel sei. «Ich komme direkt aus dem Schwarzwald und musste meinen Esel zusammen mit dem Schmutzli unterwegs stehen lassen, weil der sich an einer Glasscherbe verletzt hat. Dies passiert leider, wenn die Leute ihren Unrat einfach wegschmeissen», war seine Antwort.

Freude für ältere Menschen
Während mehreren Jahren hat Fredi Dettwiler als Santichlaus neben verschiedenen Vereinen mehrere Male das Clara-Spital in Basel sowie diverse Altersresidenzen in der ganzen Region besucht. Dort sei es vor allem er gewesen, der etwas erzählte, um den älteren Bewohnerinnen und Bewohnern möglichst viele Anhaltspunkte zu geben, damit sie sich selber wieder an ihre Kindheit und die besonderen Begegnungen mit dem Santichlaus erinnern konnten. Stets hätten sie sich über seinen Besuch gefreut.
Wenn er an seine eigene Kinderzeit zurückdenke, so habe sich sehr viel verändert. Der Santichlaus nehme heute einen ganz anderen, weniger bedeutenden Stellenwert ein. «Der Brauch ist ein bisschen ‹verhunzt› worden. Dies schreibe ich nicht zuletzt den Einkaufszentren zu, bei denen die Weihnachtszeit bereits im Oktober beginnt. Bei uns fing diese erst relativ spät an, wenn der Franz-Karl-Weber-Katalog im Briefkasten lag und wir ihn von vorne bis hinten durchgeblättert und unsere Kreuze an unseren Wunschgeschenken angebracht haben.» Heute nehme man den Kindern viel zu früh ein gewisses Spannungsfeld vor Weihnachten, was dem ganzen Brauchtum schade.

Fredi Dettwiler wird auch heute noch verschiedentlich angefragt, als Santichlaus aufzutreten. «Ich habe meine Rolle mit Freude und Überzeugung gespielt und sie auch als eigentliche Berufung empfunden. Doch alles hat seine Zeit und ich werde nicht jünger.» So sei ihm der Aufwand heute einfach zu gross. Aber er würde es auch nochmals genauso machen, wie damals, als er als junger Mann mit einer gewissen Anspannung erstmals den Kindern gegenübergestanden ist.

Zur Person

emg. Fredi Dettwiler ist 77-jährig und seit drei Jahren Witwer. Er ist Vater eines Sohnes und einer Tochter und darf sich an seinen fünf Enkelkindern erfreuen. Er ist gelernter Hochbauzeichner mit einer Zusatzlehre als Maurer und fachlicher Weiterbildung. Während vielen Jahren war er in verschiedenen Betrieben als Bauführer-Bauleiter unterwegs, auch auf sehr grossen Baustellen. Zu einem seiner Hobbys zählt er die Sammlung von speziellen Eisenbahnmodellen und Flugzeugmotoren, und er ist nach wie vor begeisterter Modellflieger.

Aus dem Schwarzwald kam er her

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