«Am liebsten hätte ich ein Theater gehabt»

  20.03.2025 Bezirk Sissach, Gemeinden, Gesellschaft, Gastronomie

Gastronom Heinz Zimmermann blickt auf ein facettenreiches Leben zurück

Er hätte auch Bauunternehmer, Hotelmanager, Innenarchitekt, Schauspieler oder Entertainer werden können. Stattdessen vereinte der Gelterkinder Heinz Zimmermann all seine Interessen und Talente in einer 50-jährigen Gastronomie-Karriere.

Marianne Ingold

Sein Leben hat fast so viele Facetten wie der grosse Kronleuchter, der in seinem Liestaler Lokal «Scenario» hängt. 1951 geboren, wuchs Heinz Zimmermann in Basel als Sohn einer Arbeiterfamilie auf. Mit 13 Jahren begann er beim FC Nordstern Fussball zu spielen. Gut sei er schon gewesen, sagt er, sonst hätte er nicht in der höchsten Juniorenklasse und später mit Karli Odermatt zusammen spielen können. Wenn er daneben nicht auch noch Eishockey, Tischtennis und Landhockey gespielt hätte – wer weiss? Jedenfalls blieb der Sport immer ein wichtiger Teil seines Lebens.

Auch die Liebe zur klassischen Musik entstand in der frühen Jugendzeit: Auf Empfehlung seiner Lehrerin sang der junge Heinz als Sopran in der Basler Knabenkantorei: «Ich kenne heute noch jede Kirche in der Region und jedes Kirchenlied.» Geübt wurde im Münster, das sei wunderschön gewesen. Vor allem die Weihnachtszeit habe ihm sehr gefallen mit den geschmückten Kirchen und Kathedralen, in denen der Chor auftrat – einmal sogar zusammen mit den Wiener Sängerknaben.

Nach der Sekundarschule und einem Werkjahr machte Zimmermann eine Lehre als Bauspengler und Sanitär-Installateur. «Das war eine totale Katastrophe, hat mir aber später geholfen», erinnert er sich. Er schloss die Lehre zwar ab, wollte aber lieber mit Menschen zusammenarbeiten. Zufällig stiess er auf das Inserat einer Blumengrosshandelsfirma. «Ich stieg als Chauffeur ein», sagt er. «Doch dann fiel einer der Verkäufer aus, die alle Blumenläden in der Schweiz anriefen. Der Chef schickte mich in einen Kurs und danach verkaufte ich Blumen.»

Vom Bären ins Hilton
Ein paar Jahre später bot der Schweizer Hotelier-Verein eine Gastroausbildung für Leute mit einer abgeschlossenen Berufslehre an. Im Schulhotel «Bären» in Interlaken lernte Heinz Zimmermann den Service von der Pike auf und legte sich voll ins Zeug: «Vorher musste ich in der Schule immer bei den anderen abschauen. Nun schauten die anderen bei mir ab.» Um sich die Namen von Weinen zu merken, dachte er sich dazu passende Geschichten aus. «Nennen Sie mir sieben Weine aus dem Beaujolais, das fragt ja heute keiner mehr. Ich wusste das alles – Abschlussnote 6.»

Nach der Ausbildung wollte er ins «Euler», ins «Hilton» oder ins «Drei Könige», obwohl es keine Stellen gab. «Die schuf ich mir selber», sagt er. An einem Freitag während der Muba 1975 sagte er zur Service-Verantwortlichen im Hilton-Café: «Ich möchte gerne bei euch einsteigen.» Von ihr aus schon, meinte sie, doch sie müsse erst den Chef fragen. «Der fand, ich sei ein frecher Kerl. Ich konnte aber schon am nächsten Tag anfangen und er nahm mich unter seine Fittiche.» Das «Hilton» sei eine andere Liga gewesen, erinnert sich Zimmermann: «Michael Jackson kam, die Rolling Stones mieteten eine ganze Etage, Scheiche logierten in zweistöckigen Suiten.»

Damals war Zimmermann Captain beim FC Breiti, der eine Fussballbeiz aufbauen wollte. Gleichzeitig erhielt er vom «Hilton» das Angebot, ein Jahr auf Hawaii zu arbeiten. Er übernahm 1978 das Restaurant «Lehenmatt». Der Fussballklub finanzierte das Inventar des Lokals für 60 000 Franken, das er bald mit den Einnahmen aus den Spielautomaten zurückzahlen konnte.

Die Anfangszeiten als Wirt waren nicht einfach: «Ich kam als Oberkellner vom ‹Hilton›, hatte aber keine Ahnung von Tuten und Blasen.» Obwohl es gut lief, konnte er sich den Koch nicht leisten. Er bezahlte ihn noch während zwei Monaten und stand jeden Tag neben ihm, um kochen zu lernen: «Währschafte Küche, 30 bis 50 Menus über Mittag, am Abend viele Vereine.» Später rief er jeweils seine Mutter an, wenn er etwas nicht wusste: Das Gemüse brachten seine Eltern aus ihrem Schrebergarten.

Strip-Bar und Pubs
1980 kam Zimmermann in die «Pinocchio»-Bar in Liestal. Dort lancierte er eine Talkshow mit prominenten Gästen aus Sport und Unterhaltung, die er selber moderierte und später erfolgreich in seinen anderen Lokalen weiterführte: «Ich wusste, dass sich die Leute gerne mit Promis umgeben, und das hat auch voll funktioniert.»

Mit Go-go-Tänzerinnen brachte das «Pinocchio» das Nachtleben ins verschlafene Liestal. Die Fotos im Schaukasten sorgten für Empörung, und es kam sogar zur einer Busse über 500 Franken, über die alle Zeitungen berichteten. Das sei eine super Reklame gewesen, schmunzelt Zimmermann.

Im «Pinocchio» lernte er seinen besten Freund Karl Odermatt kennen, der damals Kaffeemaschinen verkaufte. Die beiden spielten nicht nur zusammen Fussball beim FC Baudepartement, sondern wohnten auch eine Weile zusammen.

Noch als «Pinocchio»-Pächter gründete Zimmermann eine eigene Firma und richtete Pubs ein. «Mein Ding war das Unternehmerische – ich bin ein Macher», sagt er. Das «Shakespeare» in Liestal war das erste Pub im Baselbiet. 1984 kam das «Oliver Twist» im ehemaligen «Pöstli» in Sissach dazu, 1986 ein weiteres «Oliver Twist» im früheren «Rössli» in Reigoldswil – das lief aber nicht. «Das war die Zeit, als alle dachten: mehr, mehr, mehr!», sagt Zimmermann selbstkritisch. «Doch man hat lieber nur einen oder zwei Betriebe, auf die man schaut.»

Casanova und Verdi
Das Restaurant «Pizzadoro» in Gelterkinden baute Heinz Zimmermann 1988 mit viel Stahl und Beton zum «Musikund Trendlokal Casanova» um. Die Musikanlage befand sich in einem halbierten Mini Cooper. Insgesamt habe er 1 Million Franken in Umbauten investiert: «Bei jedem Lokal dachte ich, ich müsse es umbauen, statt einfach den Betrieb laufen zu lassen.»

Als Dekor kaufte er Bilder, Lampen, einen Flügel, Tapeten, eine Bar im Stil der Belle Epoque und vieles mehr. Er habe eben ein Flair für Theater und Opernhäuser, für Samtiges und Plüschiges, am liebsten in der Farbe Rot. «Und wenn ich irgendwo arbeite, muss ich Freude daran haben und gerne reingehen», sagt er. Es sei aber ein Fehler gewesen, dass er nie über die damit verbundenen Kosten nachgedacht habe.

Das war auch bei der «Eintracht» in Sissach so, die er 1989 als «Giuseppe Verdi» eröffnete und mehrere Jahre lang selber führte. Für Inserate und Zeitungsartikel posierte er gerne mit einer Verdi-Büste. Da ihn Giuseppe Verdi faszinierte, war er Mitglied in der «Gesellschaft der Verdi-Freunde» und organisierte sogar einmal eine Verdi-Reise.

Auch im «Verdi» fanden Talkshows statt mit zahlreichen Prominenten aus Sport, Showbusiness und Kultur, auch mit internationalen Stars wie Opernsängerin Eva Lind. Zimmermanns Freund Karl Odermatt mit seinen guten Connections wirkte oft als Türöffner, während Wirtschaftskammer-Direktor Hans-Rudolf Gysin die zahlenden Gäste brachte. «Radio Raurach» sendete den Sonntagstalk live aus dem Sissacher Lokal, unter dem Motto «Die ganze Schweiz bei Heinz». «Ich hatte immer gern Prominente», sagt Zimmermann. Gerne wäre er Schauspieler geworden. Er modelte in den 1970er-Jahren eine Weile, unter anderem für Hochzeitsmode und den Otto Versand in Hamburg.

Papi-Pause und Wiedereinstieg
1994 hörte Heinz Zimmermann mit dem «Giuseppe Verdi» auf und kaufte das «Törli» in Liestal, das er wie das «Shakespeare» und das «Oliver Twist» verpachtete. Während der folgenden Jahre nahm er eine Auszeit von der aktiven Gastgeberrolle und kümmerte sich um seine beiden Kinder aus zweiter Ehe. Er sei der erste Vater im ‹MuKi›-Turnen gewesen, sagt er stolz. Als er 2004 das «Scenario» in Liestal eröffnete, nahm er sich vor, sich für seine Familie weiterhin so viel Zeit zu nehmen wie vorher.

Weil er gerne schöne Häuser hat, kaufte er später noch den «Schlüssel» in Liestal. Das letzte seiner Restaurants war die «Ergolz» in Böckten. An diesem Lokal fuhr er jeweils mit dem Velo vorbei und dachte, da könnte man etwas daraus machen. «Ich dachte aber nicht daran, dass ich wieder persönlich als Gastgeber gefragt war und ständig vor Ort sein musste.» Also gab er das Lokal wieder auf und machte danach Einrichtungen und Gastroberatung. Heute besitzt er noch den «Schlüssel» und das «Scenario» in Liestal.

Seine Zeit als Gastronom hat Heinz Zimmermann in zahlreichen Gästebüchern und Alben dokumentiert. Beim Stöbern darin zeigt er sich dankbar dafür, dass er vor allem in den 1980er- und 1990er-Jahren aktiv sein konnte. Das sei eine super Zeit gewesen, weil es noch keine Handys gab und weniger Unterhaltungsangebote. Durch seine Arbeit habe er enorm viele interessante Menschen kennengelernt, schwärmt er. Doch ohne seine Frau Susanne, die ihn bei all seinen Unternehmungen unterstützt habe, wäre es nicht gegangen: Sie sei sein Lottosechser mit Zusatzzahl.


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