Gewürze beeinflussen unsere Laune

Andres Klein

Gewürzdüfte gehören bei uns genau so zu Weihnachten wie der Tannenbaum. Mit dem Duft werden wir optimal auf die friedliche Zeit eingestimmt. Leider war das bei meiner Grossmutter nicht immer so: Die Zutaten für den Anisbrötchenteig (Änisgutzi, Chräbeli) wurden exakt abgemessen, der Teig millimetergenau ausgewallt und die Sterne, Herzen und Monde ausgestochen und aufs Backblech gelegt. Dann wurde ein etwas kühleres Zimmer gesucht und die Bleche sorgfältigst oben auf den Schrank gelegt. Nun sollten langsam die geraden Füsschen wachsen. Doch am nächsten Tag waren sie schräg, meine Grossmutter in der Ehre gekränkt und die Stimmung nicht weihnächtlich. Woran diese Schräge lag, habe ich nie herausgefunden. Sicher lag es nie am Gewürz, dem Anis.

Die Anispflanze gehört zu der Familie der Doldenblütler, heute auch Selleriegewächse genannt. Diese Familie zeichnet sich dadurch aus, dass die Hauptachse des Blütenstands verkürzt ist und so alle blütentragenden Nebenachsen gemeinsam an der Spitze des Sprosses ansetzen. Bei Karotte, Kümmel und Kerbel kann das sehr gut beobachtet werden. Die Arten dieser Familie haben meist auch mehrfach geteilte Blätter, wie es bei der Petersilie schön zu sehen ist.

Die Blüten sind weiss, fünfzählig, zwittrig und sehr klein. Die 3 bis 5 Millimeter langen Früchte reifen im Spätsommer. Sie gehören zu den zweiteiligen Spaltfrüchten. Sie sind seitlich etwas abgeflacht und dicht anliegend grau borstig behaart. Da die Früchte einer Dolde nicht alle gleichzeitig reif sind, spielt der richtig gewählte Erntezeitpunkt eine wichtige Rolle für die Ertragsmenge. Die Pflanzen werden als Ganzes gemäht und nachher gedroschen.

Doldenblütler bilden sehr viele verschiedene Inhaltsstoffe aus. Gefährlich sind die Pflanzen, die Giftstoffe ausbilden wie bei uns der Gefleckte Schierling und die Hundspetersilie. Viele andere Arten bilden wohlriechende Aromastoffe aus wie Anis, Fenchel, Dill, Koriander, Maggikraut und so weiter. Darum wurden und werden von dieser Familie sehr viele Arten nicht nur als Gewürz- oder Gemüsepflanze, sondern auch als Heilpflanze verwendet. So gilt die Bibernelle seit dem frühen 12. Jahrhundert als Wunderheilmittel, was der Spruch «Iss Durmedill und Bibernäll, denn stirbsch du nid so gschnäll!» zum Ausdruck bringt.

Die Anispflanze stammt aus dem östlichen Mittelmeerraum und wird heute auch in Japan, Südkorea, Mitteleuropa, Mittelamerika und rund ums Mittelmeer angebaut. Genutzt werden ausschliesslich die stark duftenden Früchte, die als Gewürz, Tee oder als Aromastoff für Schnäpse (Sambuca, Raki, Ouzo, Arak, Absinth, Pastis und Anisette) eingesetzt werden. Sehr wichtig war in vielen Kulturen die Beimischung von Anis zu Broten. Anis wie auch der verwandte Kümmel gelten auch als Hilfsmittel zur Verdauungsförderung. Anis gilt als schleimund krampflösend sowie blähungstreibend und wird bei Verdauungsbeschwerden und Husten eingesetzt. Vermutlich hätte ein Anistee dazu beigetragen, die Weihnachtslaune meiner Grossmutter massiv zu verbessern!

Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.

AHNIG VO BOTANIK

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