QUERPASS

  07.11.2024 Sport

Die Unermüdlichen

«Was für e Chischte!», entfährt es mir. Und entgegen meiner Art, während Fussballspielen ruhig und besonnenen zu bleiben, springe ich vom Sitz auf und klatsche mit dem Kameramann ab. Ein solch unglaublich schönes Tor habe ich lange nicht gesehen, schon gar nicht live und unmittelbar am Spielfeldrand sitzend wie jetzt. Torschützin ist die erst achtzehnjährige Naomi Luyet. Am Dienstag vergangener Woche wars, als sie der Schweiz mit ihrem wunderbar frechen Schlenzer den 2:1-Sieg gegen Frankreich schenkte.

Luyets Tor ist auch am Sonntag noch Thema, in der Besenwirtschaft im «Räbhüsli Oberdorf», wo ich mit ehemaligen Klubkollegen des FC Oberdorf ins Plaudern komme. Was wir doch alles gemeinsam erlebten! Gesehen haben wir uns aber ewig nicht mehr, umso grösser die Wiedersehensfreude. «So ein Tor machst du auch nicht alle Tage», befindet Georg. «Oder auch gar nie, in meinem Fall», entgegne ich. Wir lachen. Und während wir noch den Treffer der jungen Nationalspielerin verhandeln, schwelgen wir auch schon in Erinnerungen an frühere, mehr oder weniger glorreiche Zeiten auf dem Fussballplatz «z’Hof».

Luyet hat ihr erstes Tor für das A-Nationalteam mit 18 erzielt – fast gleich alt war ich, als ich im August 2005 mein erstes Training auf dem Oberdörfer «Schutti» absolvierte. Längst zu alt – und, zugegeben, auch zu wenig talentiert –, um ganz oben mitspielen zu können. Das war aber auch nie meine Absicht. Wer damals das blau-gelbe Trikot der FCO-Frauen trug, wollte ohnehin nicht weg. Das lag am Teamzusammenhalt und daran, wie gut wir in den Verein integriert waren. Vor allem aber an unseren Trainern: Hanspeter, den noch heute alle nur «Böbs» nennen, und später Georg. Spass stand für sie stets an erster Stelle. Wenn sie auch keine Naomi Luyet im Kader hatten – sie forderten und förderten uns. Unermüdlich setzten sie sich für uns Spielerinnen ein. Lange, bevor dieser Sport für Frauen boomte.

Wie dankbar ich knapp 20 Jahre danach auf jene legendäre Zeit zurückblicke! Nie hätte ich mir damals ausmalen können, dereinst als Reporterin das Frauennationalteam fürs Schweizer Fernsehen begleiten zu dürfen. Heute dagegen wird mir bewusst, wie wertvoll die Erfahrungen waren. Und wie sehr ich am Spielfeldrand noch immer davon profitiere: Taktik, Spielverständnis, Abwehrverhalten, all dies lernte ich von «Böbs» und Georg. Einzig darauf, dass Luyets Goal ein Traumtor war, wäre ich von selbst gekommen. Was für e Chischte!

Seraina Degen (37) ist in Niederdorf aufgewachsen. Als Torhüterin spielte sie lange leidenschaftlich Fussball, heute bleibt sie beruflich am Ball – als Redaktorin bei SRF Sport.


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