BERG & TAL
24.10.2024 SportEine kleine Hassliebe
Das liebe Wetter hatte in unserem Trainingslager nicht ganz dieselben Pläne wie wir. Unser Plan: Eine Woche lang in den Park, um Sprünge zu üben, Ängste abzubauen und Sicherheit in der Luft zu gewinnen. Von sechs Tagen konnten wir schliesslich wegen starkem Wind zwei Tage gar nicht auf den Berg und zweimal nur halbtags.
Ich hatte hohe Erwartungen und wollte vorankommen. In der vergangenen Saison endeten Sprünge mit einem Sturz. Auch wenn ich mir nicht weh tat, traute ich mich nicht mehr, erneut voll zu «gehen». Diese Hürde galt es im Kopf zu überwinden, um nicht während der Saison damit zu hadern.
Dabei ist das Springen etwas, das ich eigentlich ganz gerne mache. Ich mag das Gefühl, in der Luft zu sein. Aber auf einen Kicker zuzufahren, macht mich wahnsinnig, vor allem, wenn die Transition, also die Wölbung des Sprungs, sehr stark ist. Bei einem flachen Sprung, auch wenn er gross ist, kann ich einfach mein Gewicht mittig über dem Board platzieren, meine eintrainierte Position und Körperspannung halten, fliegen und bei der Landung abfedern. Doch bei einer stärkeren Transition muss ich meine Position verändern, um nicht in Rücklage zu geraten – und zu enden.
Auch ohne Snowboard an den Füssen kann ich nur sehr schwer das Gewicht von beiden Beinen auf eines verlagern, geschweige denn auf einem Bein stehen. So muss ich die Positionsveränderung also über den Oberkörper lösen, indem ich meine vordere Hand in Richtung Brettspitze bringe. Diese Bewegung ist noch nicht automatisiert. Zudem wirken solche Sprünge optisch viel mächtiger und es ist schwieriger, die richtige Geschwindigkeit zu wählen, da man bei der Anfahrt Tempo verliert. Und wenn etwas weh tut, dann zu langsam über einen Sprung zu fahren und nicht in der Landezone aufzusetzen.
Die Jungs durften schon relativ bald über den grösseren Kicker. Das setzte mich unter Druck, da ich mich bis dahin nicht einmal über den kleineren getraut hatte. Mit einem meiner mentalen Tricks schaffte ich es am Montag schliesslich, zumindest ein einziges Mal über den Sprung. Erst am Freitag erhielt ich wetterbedingt wieder das «Go» für weitere Versuche. Da wollte ich mindestens auf fünf Sprünge kommen.
Der Druck half und mein Kopf machte nicht mehr ganz so grosses Theater. Auch wenn ich in dieser Woche gerne mehr gesprungen wäre, musste ich mich damit zufrieden geben. Umso mehr staunte ich beim «Big Air Chur», mit welcher Leichtigkeit über dieses Monster geflogen wurde. Mein allergrösster Respekt. Ich werde mir die Leichtigkeit für die anstehende Saison immer wieder vor Augen führen.
Vom Rollstuhl aufs Snowboard: Die Sissacherin Romy Tschopp wurde 1993 geboren und ist die erste Schweizer Para-Snowboarderin, die an Paralympischen Spielen teilnehmen konnte. Sie wurde 2023 Vizeweltmeisterin im Snowboardcross.