Der Name verrät die Pflanze

Die Pflanzendecke in unserer Gegend des Juras ist reich an verholzten Arten. Bäume und Sträucher machen rund 10 Prozent der vorkommenden Arten aus. Eine Kennerin oder ein Kenner unserer Pflanzenwelt kann locker 30 bis 40 dieser Arten in unseren Wäldern und Feldgehölzen finden. Mit einem Bestimmungsbuch oder der «FlorApp» von Info Flora lassen sich die Gehölze auch von Laien einfach bestimmen. Viel schöner ist es, wenn anhand von Mundartnamen eine Pflanze bestimmt werden kann.

Es gibt bei uns ein Gehölz, das wird auch «Kantholz» genannt. Das bedeutet, dass diese Art Äste mit klaren Kanten hat. Und schon kommen nur noch zwei Pflanzenarten in Frage. Den Namen «Schueneegeli» für diesen Strauch kennen wenige von uns, aber er zeigt auf, dass diese Holzart für einen spezifischen Zweck eingesetzt wurde. Da das Holz nicht splittert, kurzfaserig, hart und etwas elastisch ist, haben die Schumacher kleine Keile (Nägelchen) geschnitten und diese gebraucht, um Löcher von alten Nägeln in der Gummisohle zu schliessen und somit den neuen Nagel besser fixieren zu können. Bei den Flip-Flops geht das leider nicht mehr. Wenn man einen weiteren Namen, nämlich «Chralle- oder Chrällelibeeri» hinzuzieht, wird klar: Teile der Frucht gleichen einem «Chrälleli», also einem perlenähnlichen runden Kügelchen. Wenn man dann noch findet, die ganze Frucht gleiche einem «Pfaffehuet», dann ist klar: Es handelt sich um das Gemeine Pfaffenhütchen, oft auch «Spindelstrauch» genannt, weil das Holz für Spindeln und Spinnräder gebraucht wurde.

Das Pfaffenhütchen ist eine europäische Pflanze, die an Waldrändern und Feldgehölzen wächst. Sie gehört zur Familie der Spindelbaumgewächse, die weltweit vor allem mit Gehölzen in über 1200 Arten verbreitet ist. Familienmitglieder fehlen lediglich in der Sahara, auf der arabischen Halbinsel und in den zentralasiatischen Wüsten.

Die jungen Zweige sind grün, die Blätter gegenständig und leicht gezähnt. Die grünen Blüten und somit auch die Früchte sind vierzählig. Die älteren Zweige sind vierkantig, die Kanten oft weisslich oder leicht rosa. Obwohl das Pfaffenhütchen einen sehr schönen Stamm und wunderbare Früchte hat, wird es eher selten in Privatgärten gepflanzt, da der Konsum der Früchte und Blätter zum Tod führen kann; dass Dornröschen vom Stich einer Spindel aus Pfaffenhütchen-Holz vergiftet wurde, kann nicht sein, da das reine Berühren diese Holzes nicht zu einem hundertjährigen Schlaf führen kann. Da muss die Königin mit etwas anderem nachgeholfen haben. Die Gebrüder Grimm haben uns somit ein echtes Märchen aufgetischt.

Seit dem 12. Jahrhundert wurden wässrige Auszüge und getrocknete Pflanzenteile in der Medizin gegen unterschiedliche Leiden, beispielsweise die Wassersucht, eingesetzt. Da heute die Wassersucht kaum mehr diagnostiziert wird, wird das Rezept mit Pfaffenhütchen nicht mehr angewandt. Ein aufgekochter Sud der Pflanzenblätter wurde im Garten und bei Haustieren gegen Insektenbefall eingesetzt, bevor die synthetischen Insektizide zur Mode wurden.

Andres Klein ist Botaniker. Er lebt in Gelterkinden.

AHNIG VO BOTANIK

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