Revolution im Badmantel

I stand mit em Abfallsack in der Hand uf em Trottoir und lueg zue, wie der orangi Abfall-Waagen an der Strooss vornen abbiegt. I hätt hindedry gruefe, wenn i nid no s Zahnbürschtli im Muul hätt. I weer sogar hindedry gsecklet, wenn i nid im Badmantel würd do stoh – und in dene grüene Schööfli-Wulle-Finke, woni in de Irland-Ferien amene Hirt abkauft ha. Si sy zwar sehr bequem – aber vom Ästhetische här weers guet, wenn se nie öbber würd gseh. Es sin Finke, wo me versteckt, wenn Gescht chömme. Finke, won e Gheimnis sötte blybe.

D Lina fahrt uf em Velo verby: «Schöni Finke!» rüeft si und lütet mit em Glöggli. Ass das Komplimänt nid ärnscht gmeint isch, erkenn i an ihrem Lache, wo lut durs Quartier hallt, bevor au si an der Strooss vorne verschwindet.

Es isch schad, ass d Lina nid aaghalte het. Si isch die einzig Noochbere, won en Ersatzschlüssel für my Wohnig het. Vori isch nämmlig d Yygangstüre hinter mir wiider ins Schloss gheit. Im «Eifer des Gefechts» hani der Schlüssel lo hange. Sicher au, wil i in der einte Hand die yyschnydende Schnüerli vom Sack ha und mit der andere der Badmantel zueheeb. Sone Badmantel bestoht jo us zwei Teil: Mantel und Gürtel. Ass das Chleidigsstück funktioniert, sy beidi Teil enorm wichtig. Das merksch ammen erscht, wenn eis dervo fehlt. Wenn d di am Meentigmorgen us em Huus gschlosse hesch und mit der lingge Hand dä Mantel zuehebsch, ass die ganz Gschicht nid no tragischer wird.

E jungi Frau fahrt mit ihrem Cargo-Velo verby. Vorne glade: drei Chind und ei Hund. Alli luege mi voller Mitleid aa. Usser der Hund. Dä chnurrt. Ich lueg hindedry und wil i mittlerwylen eh bitz emotional bi, chömme mir fascht Träne vor Bewunderig. I mein, wie macht die Frau das? Mit drei Chind und eme Hund? Wahrschynlig bringt si die Chind grad in d Schuel und Co. Git se rächtzytig an verschiidene Ort ab. I ha kei einzigs Chind, i ha nur en Abfallsack – und nid mol dä hani gschafft rächtzytig abzgee. «Und überhaupt», dänk i, wirf der Sack uf e Boden und ghei s Zahnbürschtli in Briefchaschte, «wie schaffe d Mensche das? Der Alltag in deren erbarmigslose Leischtigsgsellschaft voller Termin, To-dos und Mail-Poschtfächer?»

S Velo verschwindet am Änd vo der Strooss. «Die Frau zum Byspiil, die hätt en Uszeichnig verdient, ändlosi Wärtschetzig, e bedingigsloses Grundyykomme! Si leischtet sälbschtlos unbezahlti Arbet, gfangen in de Chralle vom Kapitalismus! Sowieso weers doch äntlig Zyt, ass me das schädliche Syschtem über e Huffe wirft!», dänk i und schutt der Abfall-Sack um.

Numme ganz churz, bevor i im Badmantel d Revolution start, brämst d Lina vor mir ab: «Hesch di wiider uuse bschlosse?»

Nachdäm ich der Sack uf e Balkon gstellt ha (zu den andere drei, wo ihren Abgabe-Termin au knapp verpasst häi), häi d Lina und ich no e Kaffi trunke. Und ass i derby myni Wulle-Finken aabhalte ha, het sich denn immerhin au aagfühlt, wiene ganz e chlyni Revolution.

Dominik Muheim ist in Reigoldswil aufgewachsen und lebt in Liestal. Er ist freischaffender Kabarettist und Slam-Poet. Er gewann 2017 den Baselbieter Kulturpreis und ist Träger des «Salzburger Stiers» 2024.

MUNDART

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