Emotionen und Kleider sammeln

Seit 70 Jahren bewegt und begeistert die Gymnaestrada weltweit Tausende von Turnerinnen und Turnern. Was für Spitzensportler die Olympischen Spiele sind, ist für manchen Turner im Breitensportbereich dieses Weltturnfest. Seit der ersten Austragung 1953 in Rotterdam lockt der Grossanlass, bei dem es nicht um Höchstnoten geht, die Turnscharen an – insbesondere die aus der Schweiz. In rund einer Woche ist es so weit: Am Sonntag, 30. Juli, wird im Olympiastadion von Amsterdam die 17. Austragung des internationalen Turnfestes eröffnet. Auch dabei sein werden 3500 Schweizerinnen und Schweizer – darunter auch ich. Nach der Austragung von 2019 in Dornbirn darf ich zum zweiten Mal die Schweizer Delegation medial vor Ort begleiten.

Das erste Mal erlebte ich diesen speziellen Gymnaestrada-Geist bereits 2011. Damals fand die Gymnaestrada in Lausanne statt. Für eine Berichterstattung über die regionalen Teilnehmer reiste ich für einen Tag an den Genfersee. Kaum angekommen, lernte ich eine erste Eigenheit der Gymnaestrada kennen, den «Kleider-Change». Spätestens am Ende einer jeder Gymnaestrada-Woche wird unter den Nationen kräftig die Delegationsbekleidung getauscht. Tauschte ich in Lausanne als Journalist mein normales T-Shirt mit einem Schweizer Polo-Shirt, war die Sammlung in Dornbirn, entsprechend meiner eigenen Delegationskleidung um einiges grösser: Brasilien, Deutschland, Grossbritannien, Liechtenstein oder auch Kanada, die Sammlung konnte man durchaus zeigen.

Eine Gymnaestrada ist aber viel mehr als nur Kleidertauschen. «Es ist der Turnanlass schlechthin», sagte mir Fabian vom TV Ziefen im «Volksstimme»-Interview im Hinblick auf die diesjährige Austragung. Während Fabian den Anlass schon mehrmals als aktiver Turner erlebt hat, kenne ich dieses Gefühl nur aus Sicht eines Delegationsmitglieds. Und dennoch lassen sich seine Worte mit meinen Erlebnissen bestätigen. Auch der Vergleich mit Olympischen Spielen hat durchaus etwas an sich. Olympische Spiele sind für viele Athleten das Grösste und dasselbe gilt bei der Gymnaestrada auch für die Teilnehmenden. Vor Kurzem habe ich ein Interview mit einem 70-jährigen Turner aus dem Wallis gelesen. Er sagte: «Ein Turnfest kann man nicht beschreiben, man muss es erlebt haben.» Selbes gilt meiner Meinung nach auch für das Weltturnfest, die Gymnaestrada: Man muss sie einmal erlebt haben.

Entsprechend erwartungsvoll werde ich in rund einer Woche wiederum in diese einmalige Turnwelt eintauchen und freue mich über viele neue turnerische Eindrücke aus aller Welt – und am Ende dieser Woche wohl auch wieder über einige neue Kleider.

Thomas Ditzler

Thomas Ditzler arbeitet beim Schweizerischen Turnverband und ist ehemaliger «Volksstimme»-Sportredaktor.

TURNERBLICK

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title