Das Rascheln im Blätterdach

Der Himmel färbt sich orange und spiegelt sich auf der glatten Seeoberfläche. Aus den dunklen Umrissen des Regenwaldes hallen die gespenstischen Rufe der Gibbons (Menschenaffen). Wir sitzen auf dem Deck unseres schwimmenden Luxuszeltes im Khao Sok Nationalpark und lauschen ehrfürchtig dem Gesang des Dschungels.

In Thailand schliesst sich der Kreis unserer Rundtour durch Südostasien. Noch einmal Luft holen, bis wir uns nach Singapur durchschlagen und uns in eine andere Weltgegend aufmachen. Als eines der meistbesuchten Länder der Welt braucht man Thailand nicht wirklich vorzustellen. Für Scharen von jungen Rucksackreisenden ist es die erste Anlaufstelle auf dem Weg ins Abenteuer. Für uns, als mittlerweile geübte Reisende, ist es ein Ort der Erholung und Entspannung.

Von den Amerikanern finanziell stark gefördert und als Militärbasis genutzt, musste Thailand nach dem Zweiten Weltkrieg als antikommunistisches Bollwerk in Südostasien herhalten. Das hochsubventionierte Militär etablierte sich als unabhängige, politische Kraft, die in unzähligen Putschs Reformen für mehr Demokratie immer wieder verhinderte. Viele desillusionierte Studenten verschanzten sich in den 70er-Jahren als kommunistische Untergrundkämpfer in den Regenwäldern. Unbeabsichtigt fungierten diese als effektiver Umweltschutz gegen das Abholzen und Jagen. Denn trotz Ressourcenhunger der stark wachsenden Wirtschaft traute sich niemand, nicht einmal die Regierung, in die Wälder um den Khao Sok. Aufgrund des Angebots einer Amnestie seitens der Regierung gaben die Studenten 1980 auf und sie räumten ihre Stellungen. Der Schutz des Regenwaldes wurde im Khao Sok durch seine Ernennung als Nationalpark fortgeführt.

Mindestens so lange (circa zwei Jahre), bis das Potenzial der Wasservorräte zum Bau einer Staumauer führte, welche die Bevölkerung in Südthailand mit Strom versorgen sollte. In einem Zeitraum von drei Jahren wurde ein grosser Teil des Parks langsam überflutet. In einer riesigen Rettungsaktion wurde versucht, so viele Tiere wie möglich umzusiedeln, die auf kleinen Inseln festsassen und Gefahr liefen, zu ertrinken. Leider war die Aktion nur begrenzt erfolgreich. In einem Untersuchungsausschuss kam ans Licht, dass über tausend Säuger verendeten und unzählige Fischarten verschwanden. Heute tuckern Boote mit Touristen über den künstlichen See, die sich die Überreste der Wildnis fasziniert zu Gemüte führen.

Das Dilemma zwischen Klima- und Umweltschutz und dem Druck des Ressourcenverbrauchs auf die Ökosysteme stellt sich an unzähligen Orten auf der ganzen Welt. Man kann nur hoffen, dass diese Herausforderungen besser angegangen werden als im Khao Sok, damit zukünftige Generationen einst die Chance haben werden, ihre planetaren Mitbewohner auch ausserhalb des Zoos erleben zu können. Denn das Gefühl, inmitten eines belebten Urwalds in vollkommener Dunkelheit zu sitzen, fährt einem so unter die Haut, dass sich ein Hauch von Ehrfurcht und Demut breitmacht, der uns Menschen von Zeit zu Zeit guttut.

Nikolaos Schär (29, ehemals Geschichtsstudent) ist in Basel geboren, in Läufelfingen aufgewachsen und im Dunstkreis von Sissach sozialisiert worden. Er hat den Rucksack und seine grosse Liebe mitgenommen, um die kleinbürgerliche Idylle gegen die unbekannte, weite Welt einzutauschen.

KREUZ UND QUER

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