Grüne nominieren Kandidierende für die eidgenössischen Wahlen

Die Sissacherin Laura Grazioli wird nicht für die Grünen in den Nationalratswahlkampf ziehen. Sie wurde vom Parteivorstand verschmäht, weil sie im Initiativkomitee für die Souveränitätsinitiative mitwirkt.

Christian Horisberger

Laura Grazioli ist nicht auf dem Nationalrats-Ticket der Grünen. An ihrer Nominationsversammlung haben die Grünen Baselland die Siebenerliste verabschiedet, die ihr vom Vorstand empfohlen worden ist – ohne die Sissacherin, die an den Landratswahlen mehr Stimmen gesammelt hatte als alle anderen Kandidierenden der Partei.

Der Parteivorstand will nicht, dass Graziolis Mitwirken im Komitee für die Souveränitätsinitiative (siehe Kasten) die Kampagne der Grünen für die Nationalratswahl belastet. Wie Parteipräsident Michael Durrer an der Versammlung vom Mittwoch in Arlesheim deutlich machte, sei es nicht dasselbe, das Anliegen der Souveränitätsinitiative zu unterstützen oder als Komiteemitglied ein Gesicht der Initiative zu sein. Im zweiten Fall bestehe die Gefahr, dass zwischen Laura Grazioli und anderen Komiteemitgliedern eine Nähe hergestellt werden könnte. Durrer dürfte vom Luzerner Corona-Massnahmenkritiker Nicolas Rimoldi und dessen Verein «Mass-Voll» gesprochen haben.

Die Souveränitätsinitiative stehe in gewissen Punkten den Grundrechten, welche die Grünen Schweiz vertreten würden, diametral entgegen, führte Nationalrätin Florence Brenzikofer nach der Versammlung näher aus. Laura Grazioli sieht dies dezidiert anders, wie sie gegenüber der «Volksstimme» sagt. Deshalb engagiere sie sich auch im Initiativkomitee. Vergleiche man die Positionen der Grünen in Sachen Grundrechte und Demokratie mit den Anliegen der Souveränitätsinitiative, so seien diese sehr gut vereinbar.

Sachliche Diskussion
Böses Blut sei an der Vorstandssitzung, an der am Vorabend die Nationalratsliste 7 zusammengestellt wurde, keines geflossen, betonte der Präsident. Es habe eine sachliche Diskussion stattgefunden, und der Parteivorstand schlage die Siebenerliste mit grosser Mehrheit zur Nomination vor. Laura Grazioli sei nach der Vorstandssitzung «im Frieden heimgegangen», so Durrer. An der Nominationsversammlung in Arlesheim hat sie indes nicht teilgenommen.

Die Verschmähte spricht im Zusammenhang mit der Vorstandssitzung vom Dienstag von einem «wichtigen und klärenden Prozess», nachdem durch die Medienberichterstattung der vergangenen Tage der Druck auf sie gross gewesen sei. Für einen Platz auf der Nationalratsliste habe sie sich nicht wegen persönlicher Ambitionen, sondern auf Wunsch der Geschäftsleitung der Grünen und von Florence Brenzikofer im Interesse der Partei beworben, betont Grazioli gegenüber der «Volksstimme». Und ihre Rolle beim Komitee für die Souveränitätsinitiative habe sie gegenüber der Parteiführung frühzeitig offengelegt. Daher sei es nicht an ihr gewesen, sich entweder fürs Komitee oder für die Nationalratsliste zu entscheiden. Sie habe den Vorstand in der Verantwortung gesehen, «eine klare Haltung zu entwickeln und eine Entscheidung zu treffen».

Sie verstehe, dass man sie aus Parteiperspektive heraus als zu grosses Risiko sehen könne, sagt Grazioli. Enttäuschend für sie sei, dass sie nur deshalb «gecancelled» wurde, weil ihre Meinung in einer Frage zu Grundrechten und Demokratie von Leuten geteilt werde, die von ihrer Partei als nicht opportun betrachtet würden.

Parteiintern angeeckt
Laura Grazioli hatte während der Corona-Pandemie mit ihrer dezidierten Kritik an den Covid-Massnahmen und der Impfpflicht in den eigenen Reihen angeeckt. Heute würden viele Menschen damit abschliessen und nichts mehr davon hören wollen, sagt sie. Doch sie habe sich weiter mit der Thematik auseinandergesetzt und wolle die Debatte über die Beschneidung der Grundrechte führen. Deshalb habe sie zugesagt, im Initiativkomitee mitzuwirken. Dies im Wissen, dass es deswegen parteiintern wieder zu Reibereien kommen könnte.

Nach der Frage, wie wohl sie sich bei den Grünen noch fühlt, überlegt Grazioli eine Weile. Sie habe stets die Kultur der Grünen Baselland geschätzt, sagt sie dann. Diese seien nicht blind Ideologien gefolgt, sondern hätten über inhaltlichen Differenzen stehen können und unterschiedliche Meinungen toleriert. Die Erfahrung der vergangenen Tage liessen dies in einem anderen Licht erscheinen und werfe grundsätzliche Fragen auf. Grazioli hofft, den Weg zu finden, bei den Grünen Baselland weiterhin mit Freude aktiv zu sein. «Stand heute sehe ich da kein Problem.»

Die Mitgliederversammlung hat am Mittwochabend die vom Parteivorstand vorgeschlagene Liste 7 ohne Wortbegehren und auch ohne jeglichen Kommentar zu den Ereignissen der vergangenen Tage nominiert. Darauf befinden sich neben der amtierenden Nationalrätin Florence Brenzikofer (Oltingen) Parteipräsident Michael Durrer (Liestal), die Landratsmitglieder Marco Agostini (Pfeffingen), Rahel Bänziger (Binningen) und Gzim Hasanaj (Therwil) sowie Andrea Sulzer (Waldenburg) und vom Jungen Grünen Bündnis Dominique Zbinden (Itingen). Ebenfalls nominiert wurden die Nationalratskandidierenden des Jungen Grünen Bündnisses und der Grünen Panther, mit denen die Grünen eine Unterlistenverbindung haben.

Den Schlusspunkt der Versammlung setzte die Nomination von Maya Graf (Sissach), die im Herbst ihren vor vier Jahren eroberten Ständeratssitz verteidigen möchte.

Souveränitätsinitiative

vs. Die im Sommer vergangenen Jahres angekündigte Souveränitätsinitiative verlangt, dass die Schweiz keine völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehen darf, die in die Grundrechte der Bevölkerung eingreifen. Bestehende internationale Verträge sollen ausserdem überprüft werden, ob sie Grundrechte tangieren – etwa der Pandemievertrag mit der Weltgesundheitsorganisation WHO. Dessen Ziel soll dereinst sein, auf globaler Ebene auf neue Pandemien reagieren zu können. Hinter der Souveränitätsinitiative steht der Corona-Massnahmenkritiker Nicolas Rimoldi mit dessen Verein «Mass-Voll». Zu den Unterstützern gehören die «Freunde der Verfassung».

Ohne Grazioli in den Wahlkampf

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