Janis Erne

Für die Behörden ist er ein Novum: Der Schutzstatus S, der eine unbürokratische Aufnahme geflüchteter Personen aus der Ukraine ermöglicht, wird hierzulande erstmals angewandt. Um den Überblick zu behalten, hat das Kantonale Sozialamt in einer Liste die wichtigsten Fragen zur Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge beantwortet. Ein Abschnitt widmet sich den Heranwachsenden: «Für Kinder ist es wichtig, dass sie möglichst rasch eine Struktur haben und Normalität leben können. Dazu gehört der Schulbesuch.»

Dank dem Schutzstatus S können schulpflichtige Flüchtlingskinder also sofort die Schule besuchen. «Der Einschulungsprozess für Kinder und Jugendliche im schulpflichtigen Alter wird mit der Anmeldung in der Wohnsitzgemeinde ausgelöst», erklärt Fabienne Romanens, Mediensprecherin der Bildungs-, Kultur- und Sportdirektion (BKSD), auf Anfrage. Unklar ist, wie viele Kinder unter den 150 vom Bund zugewiesenen ukrainischen Flüchtlingen bereits an einer Schule im Baselbiet unterrichtet werden. «Eine Meldepflicht der Gemeinden gegenüber der BKSD besteht nicht. Wir prüfen jedoch, ob und in welcher Form ein Monitoring zur Beurteilung der Situation eingerichtet werden kann», sagt Romanens.

Vereinzelte Anfragen
Um sich im Oberbaselbiet ein Bild zu machen, hat die «Volksstimme» bei mehreren Primar- und Sekundarschulen nachgefragt, ob bereits ukrainische Flüchtlingskinder aufgenommen wurden. Der Grundtenor ist überall gleich: Zwar gebe es vereinzelte Anfragen von den Gemeinden, doch Anmeldungen blieben bislang aus. Die Sekundarschule Gelterkinden habe Anfragen erhalten, sagt deren Schulleiter Roger Leoni: «Um die Kinder bestmöglich unterbringen zu können, halten wir derzeit Rücksprache mit dem Amt für Volksschulen und sind in Koordination mit der Sekundarschule Sissach.» In Sissach weiss Primarschulleiter Patrick Schwab von zwei Flüchtlingskindern, die bald an seine Schule kommen werden.

Die tiefen Anmeldungszahlen lassen sich damit erklären, dass die ersten Flüchtlinge aus der Ukraine erst seit rund einer Woche im Baselbiet verweilen. «Erfahrungsgemäss dauert eine Einschulung von fremdsprachigen Kindern ein paar Tage, da Einstufungstests gemacht werden müssen», erklärt Rolf Rossi, Asylkoordinator des Kantons Baselland. Je schneller die Einschulung erfolgt, desto besser für die Kinder. In seiner FAQ-Liste zählt das Kantonale Sozialamt die Vorteile auf: «Der Schulbesuch gibt den Kindern eine Struktur. Weiter können Bildungslücken aufgrund der Fluchterfahrung bestmöglich verhindert und Kontakte zu anderen Kindern geknüpft werden.»

In Regelklassen integrieren
Trotz der geringen Anzahl Anmeldungen von ukrainischen Kindern treffen die Schulen Vorsorgemassnahmen. Patrick Schwab von der Primarschule Sissach teilt mit, dass es zusätzliche Ressourcen und zusätzliches Personal für Deutsch als Zweitsprache brauchen werde. «Solange die Zahl von schulpflichtigen Flüchtlingskindern in Sissach überschaubar bleibt, planen wir, die betroffenen Kinder in bestehende Regelklassen zu integrieren und sie nur für Lektionen in Deutsch als Zweitsprache zu separieren.»

Der Vizepräsident des Lehrerinnen- und Lehrervereins Baselland (LVB), Philipp Loretz, befürwortet die Handhabung, ukrainische Kinder von Anfang an in den Regelunterricht einzugliedern: «Ich denke an Fächer wie Englisch, Sport oder Bildnerisches Gestalten, die auch ohne Deutschkenntnisse besucht werden können.» Erfahrungsgemäss können sich Kinder schnell integrieren und finden relativ rasch zu einer gewissen Normalität zurück, wenn sie mit Gleichaltrigen zusammen sind.

Für die Behandlung kriegsbedingter Traumatisierungen oder posttraumatischer Störungen brauche es genügend ausgebildete Fachleute, sagt Loretz. «Vorrangige Aufgabe der Schule ist es, für einen geschützten Raum zu sorgen. Flüchtlingskinder brauchen klare Strukturen, Ruhe und Geborgenheit.» Sorge bereitet Loretz die Belastung der psychotherapeutischen und sozialpädagogischen Angebote. «Mit dem Ukraine-Krieg folgt nach der Coronapandemie sogleich die nächste Krise.» Angesichts der vom Bund erwarteten Vervierfachung der Schutzsuchenden bis Ende Juni stehe der Kanton vor einer Herkulesaufgabe, so der LVB-Vizepräsident.

Schulen erwarten Flüchtlingskinder

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