Trommelwirbel

Daniel Zwygart

Am Stadtrand wohnend hatte ich am schönen Sonntagnachmittag das Gefühl, die Basler Fasnacht sei schon in vollem Gange. Trommler- und Pfeifergruppen und auch Guggen drängte es in die Natur, um den Winter und noch mehr das Coronavirus zu verdrängen.

Derweil wollten meine Ohren eigentlich einem anderen Trommelkonzert folgen. Denn die Spechte spüren den Frühling ebenfalls und machen mit ihren Tönen auf sich aufmerksam. Neben stimmlichen Lautäusserungen sind die Klopfsalven wichtig für die Paarbildung und Reviermarkierung. So lassen sich anhand der Trommelwirbel sowohl Spechtarten als auch das Geschlecht unterscheiden. Und die Klopfgeräusche sind im unübersichtlichen Wald auf grosse Distanzen hörbar.

Die Anpassung an das Leben an und auf Baumstämmen wurde bei den Spechten im Laufe der Jahrmillionen eindrücklich perfektioniert: Die Kletterfüsse mit einer Wendezehe und spitzen Krallen, ein kräftiger Stützschwanz und ein perfekt angepasster Meisselhammerkopf ermöglichen ihnen ein erfolgreiches Leben im Wald.

Wenn nun also ein Specht, zum Beispiel der bei uns häufige Buntspecht (siehe Bild) ein Signal abschicken möchte, dann sucht er einen dürren Ast mit guter Resonanz, setzt sich zurecht, plustert das Gefieder etwas auf (fragen Sie nicht wieso), senkt den Schnabel lotrecht Richtung Ast und schlägt dann seinen Wirbel. Dann blickt er sich kurz um und schon kommt die nächste Salve. Von Auge oder mit unseren Ohren können wir die Schlagfrequenz nicht erkennen. Dank guter Mikrofone und entsprechender Analyse auf dem Computer wissen wir, dass es bei dieser Spechtart zwischen 11 und 20 Schläge pro Sekunde sind. Ein Wirbel dauert zirka eine halbe bis eine ganze Sekunde. Und dies geschieht dann in höchster Balzstimmung acht bis zehn Mal in der Minute, über den ganzen Tag sind es Tausende von Wirbeln. Die Rivalen oder potenzielle Partnerinnen reagieren mit Trommeln oder mit spezifischen «kreck»-, «rä»- oder «wäh»-Rufen und intensivem Herumfliegen. Die Trommeltöne dienen aber nicht nur der Paarfindung oder der Revierabgrenzung. Mit Trommelsignalen werden auch andere brutspezifische Aktionen angezeigt (Eiablage, Ablösung beim Brüten, baldiges Ausfliegen der Jungen). Der Meisselschnabel dient auch zur Futtersuche und zum Höhlenbau. Dann sind nur einzelne Klopfund Hacktöne hörbar. Ob die Spechte am Abend Kopfweh haben, wissen wir nicht. Verschiedene stossdämpfende Knochen- und Muskelstrukturen und ein Hirn, das oberhalb der Schnabelverlängerung liegt, scheinen dies aber effizient zu verhindern.

Und dann gibt es noch Spechtarten, die nicht oder nur selten trommeln, wie der Wendehals oder der Mittelspecht. Und ausserdem gibt es Spechtarten, die ihr Futter nicht im morschen Holz, sondern am Boden suchen, wie der Grün- und der Grauspecht. Sie suchen vor allem Ameisenpuppen, die sie mit ihrer genialen Zunge aufnehmen – 10 cm weit herausstreckbar, mit Borsten und Klebsaft versehen. Nein, kein «Lälli», sondern eher eine Harpune.

Daniel Zwygart ist Biologe. Er unterrichtete während vieler Jahre am Gymnasium Liestal.

ZOOLOGISCH

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