Mit dem Piepston zur Sicherheit

  30.04.2020 Baselbiet

Sebastian Schanzer

Als Hans-Jörg Fankhauser noch Mathematiker werden wollte, hat er am Ende seiner Ausbildung Pandemien berechnet – von Hand. Spätestens von da an wusste er, wie eine Pandemie-Kurve aussieht – jene Kurve, welche die rasend schnelle Ausbreitung des Coronavirus auch für medizinische Laien deutlich veranschaulicht. Mittlerweile ist er Architekt, Geschäftsführer der Fankhauser Arealentwicklungen AG mit Sitz in Reinach und Initiant des 500-Millionen-Bauprojekts Uptown Basel. Auf dem rund 70 000 Quadratmeter grossen Schoren-Areal in Arlesheim entsteht bis 2027 ein Innovations-Campus, an dem sich Technologie-Unternehmen niederlassen, sich miteinander vernetzen, Ideen entwickeln und auch gleich umsetzen sollen. Rund 2000 Arbeitsplätze stehen in Aussicht.

Seit einem Jahr wird auf dem Schoren-Areal gebaut. Ein erstes von insgesamt sieben Gebäuden kann Anfang 2021 von den Mietern bezogen werden. Allerdings: Mit dem Bauen ist es in Coronazeiten so eine Sache. Auf den Baustellen müssen die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) empfohlenen Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten werden, entsprechend werden sie auch kontrolliert. Auch auf Baselbieter Baustellen kam es zu einigen Beanstandungen durch die Arbeitsmarktkontrolle – allerdings nicht auf dem Schoren-Areal. «Unsere Baustelle wurde selbst von der Unia als vorbildlich bezeichnet», sagt Fankhauser stolz. Er habe schon früh Schutzmassnahmen eingeführt, Masken zur Verfügung gestellt und WCsowie Sanitär-Anlagen erweitert.

Dennoch merkte er: «Bei den Bauarbeitern herrschte eine grosse Verunsicherung, teilweise auch Angst vor der Ansteckungsgefahr.» Nicht immer sei es möglich, den geforderten Abstand einzuhalten. Bei den eingespielten Arbeitsabläufen könne dieser schnell vergessen gehen.

Kampf gegen die Zeit
Die Idee für ein erstes Produkt aus dem Innovations-Campus liess nicht lange auf sich warten: Ein Sensor im Helm soll den Träger warnen, sobald er die Distanz von zwei Metern zu seinen Mitarbeitern nicht mehr einhält. Erst leuchtet ein LED-Lämpchen, das Gerät vibriert und nach 15 Minuten signalisiert ein lauter Piepston die Gefahr. Der Ton verstummt erst, wenn der Abstand wieder eingehalten wird. «Das Tool gibt den Bauarbeitern Sicherheit. Sie können sich so besser auf ihre Arbeit konzentrieren», sagt der Filmproduzent Bela Böke, Mieter der ersten Stunde und Urheber der Idee.

Das Team von «Uptown Basel» liess seine Kontakte zu Unternehmen und Ingenieuren spielen und bereits eine Woche nach der vagen Idee lag der Prototyp eines solchen Geräts auf dem Tisch und konnte getestet werden. Seither wird mit Hochdruck an der weiteren Optimierung des Geräts gearbeitet. Möglichst klein und leicht soll es sein, aus möglichst nachhaltigem Material soll es bestehen.

«Wir lernen jetzt alle, was es heisst, Innovation zu betreiben», sagt Hans-Jörg Fankhauser. Dabei habe man vor allem gegen die Zeit zu kämpfen. Denn die Anfragen purzeln nur so ins Haus. Logistikunternehmen, Werkzeughersteller, Verkaufsläden aus Frankreich, Kanada, Malaysia, Schweden und natürlich aus der Schweiz haben bereits ihr Interesse bekundet. «Zwei Tage nachdem das Schweizer Fernsehen von unserem Produkt berichtet hat, verbuchten wir bereits Anfragen für 100 000 Geräte. Mittlerweile zählen wir nicht mehr», so Fankhauser. Gerade nach den vom Bundesrat gestern beschlossenen Lockerungsmassnahmen in der Schweiz ab dem 11. Mai könnte das Interesse noch steigen.

Zum Einsatz kann die Technologie freilich nicht nur auf Baustellen kommen, sondern überall, wo die Distanzregel zu beachten ist, vor allem in Verkaufsläden: «Beim Anstehen halten die Kunden Abstand. Aber im Innern des Ladens sieht es anders aus. Hier würden die Sender zusätzlich sensibilisieren.» Explizit verzichtet hat man beim Gerät auf einen GPS-Tracker, zum einen aus Gründen des Datenschutzes, zum andern, weil die entsprechende Technologie zu ungenau arbeite. Aus diesen Gründen habe man von einer App abgesehen, sagt Böke.

Das ganze involvierte Team kann es kaum erwarten, bis das Endprodukt vorliegt. Der Preis für ein Gerät soll sich auf unter 100 Franken belaufen. Derweil spinnt Fankhauser den Faden weiter: Auch nach der Coronakrise bleibe der Sender ein nützliches Tool. «Auf Schiffen könnte man bespielweise viel schneller bemerken, wenn ein Mann über Bord geht, die Absturzgefahr auf Baugerüsten könnte minimiert werden. Die Anwendungsmöglichkeiten sind riesig.»

Mehr Büros im Tenum geplant
Bis dahin muss aber noch vieles an Arbeit und Innovationskraft geleistet werden. Die Coronakrise erschwere dies teilweise. Ein Entwickler darf nicht einreisen, im Ausland bestellte Batterien sitzen an der Grenze fest und wo die Geräte letzlich zusammengesetzt werden, ist noch unklar. Fankhauser beklagt sich bereits jetzt über Platzprobleme in Arlesheim, die Mietflächen seien bereits vergeben.

Darum wird bei der Produktion der Sender möglicherweise auch der obere Kantonsteil eine Rolle spielen. «Uptown Basel» will sich nämlich noch in diesem Frühsommer ins Liestaler Tenum einmieten, um dort Start-Ups aus den Themenbereichen Umwelt, Energie, Nachhaltigkeit und Elektromobilität anzusiedeln. Gespräche laufen seit zwei Wochen, wie die verantwortliche Sandrine Straub von «Uptown Basel» auf Anfrage sagt. Das Tenum wurde bereits 1991 erbaut, um die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Büros zu ermöglichen. «Uptown Basel» strebt den Einzug von 10 bis 20 Jungfirmen auf einer Bürofläche von rund 800 Quadratmetern an, die nach Bedarf miteinander arbeiten können.

 


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