Landwirtschaft trotz Paraplegie
24.05.2024 Wenslingen, Landwirtschaft, Bezirk Sissach, WenslingenBauer Markus Buser setzt seine Vision in die Tat um
Vor zwei Jahren erlitt Landwirt und Forstwart Markus Buser einen schweren Arbeitsunfall und sitzt seither im Rollstuhl. Mit viel Willen und mentaler Stärke sowie einigen technischen Anpassungen bereitet er sich auf die Hofübernahme vor.
Elisabeth Böhm
Nähert man sich dem «Barmenhof» ausserhalb von Wenslingen, fällt einem als erstes das gelbe Plakat am Strassenrand auf, das für die Annahme der Biodiversitäts-Initiative wirbt. Dem Fahrweg entlang, der zum Hof führt, stehen frisch gepflanzte Bäume, dahinter liegen Hecken. Die Botschaft ist klar: Hier hat die Natur Vorrang. Doch bevor sich Markus Buser, Forstwart, Landwirt und Paraplegiker für das Gespräch an den Tisch setzen kann, muss er erst einen Bienenschwarm, der sich im Beerengarten gesammelt hat, in die Kiste bringen. Routiniert fährt er den Rollstuhl mit Vorspannbike und Elektromotor durch das Gelände.
Der 28-Jährige setzt aus Leidenschaft auf Biodiversität, aber auch, um dem Hof trotz des Rollstuhls eine Zukunftsperspektive zu geben. Im Januar 2022 veränderte sich das Leben des jungen Mannes schlagartig: Bei der Arbeit als Forstwart im Itinger Wald stürzte der Umlenkbaum wenige Minuten nach dem gefällten Baum auf ihn und verletzte ihn schwer. Dieses Risiko sei nicht vorhersehbar gewesen. «Ich stand zur falschen Zeit am falschen Ort», meint er dazu lakonisch.
Nach dem Spitalaufenthalt mit einer Operation kam er in eine Rehabilitations-Klinik. «Ich wollte so schnell wie möglich wieder selbstständig werden.» In kleinen Schritten hat er dieses Ziel verfolgt und sich an jedem noch so kleinen Fortschritt gefreut. «Jeder Tag sollte ein bisschen besser sein als der vorherige.» Der enorme Wille zur Selbstständigkeit und die mentale Stärke halfen ihm, diesen beschwerlichen Weg zu gehen. An den Rollstuhl musste er sich gewöhnen und trainieren. Zuerst 10 Minuten am Tag, dann 15, und jeden Tag ein bisschen länger – bis sich der Kreislauf stabilisiert hatte.
Die Natur gibt ihm Kraft
Im November 2022 kam er ins Paraplegiker-Zentrum in Nottwil und konnte am Integrationsprogramm von «Para-Work» teilnehmen, einer Stiftung für die berufliche Integration von Querschnittsgelähmten. Schon vor dem Unfall war ihm als Forstwart klar gewesen, dass er den Hof nach der Pensionierung des Vaters 2032 übernehmen und ihn als Nebenerwerbsbetrieb mit viel Naturschutzflächen weiterführen würde. Doch als Paraplegiker steht Markus Buser vor einer ganz anderen Situation. In Nottwil nun hatte er die Möglichkeit, sein Vorhaben unter geänderten Bedingungen durchzudenken. Landwirtschaft und Naturschutz sind das eine, die Maschinen und die Machbarkeit für einen Rollstuhlfahrer das andere.
Mit Unterstützung von «ParaWork» und dem Beratungsdienst vom Ebenrain-Zentrum in Sissach entwickelte er ein Konzept des 30-Hektaren-Betriebs mit Ackerbau, Kälber- und Schweinemast, um diesen in einer neuen Struktur weiterführen zu können. «Ich musste beweisen, dass mein Vorhaben umsetzbar ist, sodass sich die IV und die Paraplegiker-Stiftung finanziell beteiligen.»
So sollen ab nächstem Jahr Milchkühe und Mastkälber abgeschafft und durch Mutterkühe und später Schafe für die Landschaftspflege ersetzt werden. Die Naturschutzfläche soll jährlich zulasten des Futterbaus um eine Hektare erweitert werden, sodass bis im Jahr 2032 zwölf Hektaren Biodiversitätsförderflächen (BFF) auf dem «Barmenhof» anzutreffen sein werden. Diese werden in Zusammenarbeit mit Pro Natura und der Vogelwarte Sempach geplant und durchgeführt.
Immer positiv denken
Um den Hof heute schon behindertengerecht bewirtschaften zu können, braucht Markus Buser entsprechende Maschinen. Der geländegängige Rollstuhl ermöglicht die Mobilität auf unebenem Untergrund. Ein rollstuhlgängiges Bienenhaus ist ebenfalls realisiert worden, sodass er seiner Passion nachgehen kann. «Das meiste habe ich selber gefunden oder mit Mechanikern ‹ausgetüftelt›, sodass ich für mich angepasste Maschinen einsetzen kann.» Einen Aebi EC 170, mit dem er selbstständig mähen oder mulchen kann, steht bereits in der Remise. In den nächsten Tagen erwartet er seinen Traktor mit Rollstuhllift. Doch es bleibt noch viel zu tun. Wie zum Beispiel Mergelwege durch Asphalt ersetzen und die Maschinenhalle anpassen.
Der positiv denkende Markus Buser ist ein Macher und keiner, der hadert. Die Kraft, seine Vision zu erfüllen, schöpft er aus der Natur, der er sich sehr verbunden fühlt. Durch die Naturschutzflächen kann er ihr etwas zurückgeben. Im vergangenen Jahr hat der Neuntöter erstmals in einer Hecke gebrütet. Heuer hat er diesen seltenen Vogel am 1. Mai gesichtet. Bleibt zu hoffen, dass er bald sein Brutgeschäft aufnehmen wird.