«Kleinunternehmer riskieren, den Anschluss zu verpassen»
07.11.2024 HölsteinKatrin Kaden stellt neues Gutscheinbuch «Waldenburgertaler Schatzfinder» vor
Es brauche im Waldenburgertal eine Koordinationsstelle für die Bündelung der wirtschaftlichen Kräfte und die Vermittlung von leer stehenden Gewerbeflächen an neue Betriebe. Dies fordert Katrin Kaden, Sprecherin des Gewerbevereins Waldenburgertal.
André Frauchiger
Frau Kaden, die neue Waldenburgerbahn ist in Vollbetrieb, das Waldenburgertal bezüglich öffentlichen Verkehrs gut erschlossen. Wie geht es den gewerblichen Betrieben?
Katrin Kaden: Unterschiedlich. Firmen, die stark exportorientiert und vom Ausland abhängig sind, bekunden wegen des starken Frankens Mühe. Einige haben Kurzarbeit. Andere mussten schliessen, insbesondere Restaurants – auch wegen Corona. Handwerksbetriebe dagegen, insbesondere im Bauwesen, sind gut ausgelastet.
Wie steht es mit der Wirtschaftsförderung – spüren Sie etwas davon?
Nein, wir haben bisher von der Standortförderung nichts gehört. Wir fragen uns, ob die Seitentäler des Oberbaselbiets überhaupt «auf dem Schirm» der kantonalen Wirtschaftsförderung sind. Ich würde mich über einen Kontakt freuen.
Welche Massnahmen müssen Ihrer Meinung nach prioritär ergriffen werden, um dem Waldenburgertal wirtschaftlich wirkungsvoll unter die Arme zu greifen?
Das Waldenburgertal hat ein riesiges Potenzial – zum Wohnen und Arbeiten. Wir haben eine breite Palette eher kleiner Betriebe, in denen gearbeitet und ausgebildet wird. Die Infrastruktur besteht, leer stehende Gewerbeflächen stehen bereit und sind längst erschlossen. Es fehlt jedoch an einer Koordinationsstelle, welche die geeigneten Player zusammenführen kann, um Bedürfnisse und Interessen zu bündeln und Synergien zu nutzen. Benötigt wird auch eine Art Landkarte, die eine Übersicht über die freien Gewerbeflächen ermöglicht. In der Agglomeration rund um Basel fehlen freie Gewerbeflächen – wir haben viele.
Ist das Waldenburgertal einfach zu weit weg von Basel, um für Unternehmen attraktiv zu sein?
Wir haben den Eindruck, dass auch die Politik das Waldenburgertal oft vergisst. Das hat sich jüngst bei der Industrienacht gezeigt – Betriebe von uns waren bei den Bewerbungen (kostenmässig) chancenlos. Ich versuche, in nächster Zeit mit den Gemeindebehörden des Waldenburgertals Kontakt aufzunehmen mit dem Ziel, eine Bündelung der Kräfte vorzunehmen. Eine wichtige Frage ist: Welche Anreize können wir schaffen, damit die Gewerbeflächen nicht frei bleiben? Ich denke zum Beispiel auch an Forschung und Entwicklung.
Arbeiten die Gemeinden nicht ausreichend zusammen?
Ich denke, dass es diesbezüglich tatsächlich Verbesserungspotenzial gibt. Dafür braucht es, wie gesagt, eine Koordinationsstelle für die acht Gemeinden im Waldenburgertal. Es braucht aber auch ein pragmatisches, niederschwelliges Wissensvermittlungs-Angebot für kleine gewerbliche Betriebe. Zum Beispiel im Bereich Marketing und dann, wenn es um die Gewinnung von Personal und insbesondere Lernenden geht. Die Wirtschaftskammer Baselland hat gute Angebote, aber sie werden von Kleinunternehmern zu wenig zur Kenntnis genommen. Diese riskieren, den Anschluss zu verpassen.
Die beiden Unternehmer Tobias Schmid (Tschudin + Heid) und Thomas Tschopp (Rero) haben im Juni der «Volksstimme» erklärt, ihre Betriebe seien erfolgreich, aber sie machten sich Sorgen um das Waldenburgertal. Es brauche neue Ideen und Impulse. Was sagen Sie dazu?
Dieser Meinung bin ich auch. Wir haben aber schon viel Bestehendes. Ein gutes Beispiel ist der seit 2013 stattfindende Berufsinfoanlass. Die Sekundarschule im Waldenburgertal ist glücklicherweise sehr daran interessiert, mit den Betrieben zusammenzuarbeiten, um jungen Menschen eine Lehrstelle zu vermitteln. Offene Lehrstellen werden von uns an die Sekundarschule gemeldet. Es gibt weitere Angebote des KMU Waldenburgertal, um sich zu präsentieren und neue Ideen zu kreieren. Von diesen Angeboten wird aber leider oft zu wenig Gebrauch gemacht.
Der Gewerbeverein Waldenburgertal hat in einem Projekt mit der Fachhochschule Nordwestschweiz den «Waldenburgertaler Schatzfinder 2025», ein Gutscheinbuch, lanciert. Handelt es sich hierbei um ein erstes Impulsprogramm auf dem Weg in die Zukunft?
Ja, dieses Projekt ist ein Impulsprogramm. Es ist eine – mit unseren begrenzten Ressourcen – zeitlich, finanziell und technisch machbare Möglichkeit, unseren Mitgliedern eine Plattform zur Verfügung zu stellen, die sie sowohl als Marketing-Instrument als auch als Mitarbeiter-Benefit nutzen können.
Können nur die KMU im Waldenburgertal dieses Gutscheinbuch ab 1. Dezember 2024 erwerben?
Im «Waldenburgertaler Schatzfinder» können nur Vereinsmitglieder Bons veröffentlichen. Erwerben können das Buch ab 1. Dezember für 35 Franken aber alle: Über unsere Website oder einzelne Mitgliedsfirmen. Unternehmen steht es frei, das Gutscheinbuch ihren Mitarbeitenden als Benefit zu schenken oder vergünstigt abzugeben. Wohlgemerkt: Die Bons haben insgesamt einen Wert von mehreren Tausend Franken.
Was gibt es für Bons?
Die Bons zeigen die breite Palette unserer Mitglieder: Es gibt zum Beispiel einen Gratis-Sehtest im Wert von 70 Franken, grosszügige Rabatte auf grössere Produkte und Handwerkerleistungen, aber auch Gratiskaffee. Einige Bons können online eingelöst werden.
Es soll mit dem Gutscheinbuch auch neue Kundschaft ins Tal zu den Betrieben gebracht werden. Wie stellen Sie sich das vor?
Wir gehen davon aus, dass das Gutscheinbuch wegen der attraktiven Angebote auch ausserhalb des Waldenburgertals geschätzt wird, zum Beispiel als Weihnachtsgeschenk.
Wer trägt die Kosten für dieses Projekt?
Ziel ist, dass der «Waldenburgertaler Schatzfinder» mit den Verkäufen selbsttragend wird. Sponsoringbeiträge sind natürlich sehr willkommen. Das finanzielle Risiko für dieses Pilotprojekt trägt aber letztlich der KMU Waldenburgertal.
Wie viele Betriebe machen bei diesem Gutscheinbuch mit?
Bisher machen 28 Betriebe mit. Ich schätze, dass wir am Schluss auf mehr als 80 Bons kommen.
Gibt es weitere Ideen zur wirtschaftlichen Förderung des Waldenburgertals?
Das Wichtigste ist für mich die Bestandspflege und der Berufsnachwuchs. Derzeit prüfen wir die Projektidee, eine «Woche der offenen Betriebe» für die Gewinnung neuer Lehrlinge durchzuführen. Und es gibt zu wenige Läden und Restaurants im Tal – das muss sich unbedingt ändern. Als grosser Event wird vom 12. bis 14. September 2025 in Niederdorf die Gewerbeausstellung RegiOnal stattfinden.
Zur Person
fra. Katrin Kaden ist Ökonomin und beruflich geschäftsführende Inhaberin der KanaNda GmbH und des Instituts für Transformatives Leadership & HR-Management mit Sitz in Hölstein. Die 53-Jährige ist seit 2015 Mitglied des Gewerbevereins KMU Waldenburgertal und seit 2019 Vorstandsmitglied sowie als Zuständige für das Ressort Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit Sprecherin des Gewerbevereins KMU Waldenburgertal.