Einer der seltensten Berufe der Schweiz

  07.11.2024 Bezirk Liestal

Sie hat schon eine daumennagelgrosse Zwergmaus präpariert und ein Wal-Skelett zusammengesetzt: Die Tierpräparatorin Sabrina Beutler erzählte an der «Museumsbar» von ihrer Arbeit und den Schwierigkeiten, in der Schweiz Berufsnachwuchs auszubilden.

Christian Horisberger

Tierpräparatoren sind in der Schweiz so selten wie Bartgeier oder Luchse. Nur rund 20 Präparatorinnen und Präparatoren sind heute noch berufstätig und mit dem Nachwuchs hapert es. Aktuell befinden sich im Land gerade einmal drei Präparatoren in Ausbildung. An Arbeit würde es nicht fehlen: Naturhistorische Museen, Universitäten, die Jagd und auch Private sind auf die Dienste von Fachleuten angewiesen.

Der Beruf ist für die Auszubildenden nicht nur in fachlicher Hinsicht sehr anspruchsvoll. Wer das Handwerk erlernen will, muss in der vierjährigen Lehre weitere hohe Hürden überwinden: Die Museen, welche Ausbildungsplätze anbieten, sowie auch die Lehrstellen lassen sich an einer Hand abzählen – und die Berufsschule befindet sich in Wien. Dies möchte Sabrina Beutler ändern. Die selbstständige Tierpräparatorin und Präsidentin des schweizerischen Verbands für naturwissenschaftliche Präparation strebt eine EFZ-anerkannte Ausbildung sowie einen Lehrbetriebsverbund an, um ihren Beruf in der Schweiz zu retten.

Dies sagte Beutler am Dienstagabend an der «Museumsbar», einer Veranstaltung im Museum.BL. Die Präparatorin war unlängst an der Ausstellung «Auf der Suche nach dem Paradiesvogel» des Museums auf dem Zeughausplatz in Liestal beteiligt.

Würde Beutler dort jemanden von «ausgestopften» Tieren sprechen hören, würde es ihr – auf Berndeutsch – «die Nägel kehren». Denn von «ausstopfen» könne bei ihrem Handwerk nicht die Rede sein, sagte die 40-Jährige, weder heute noch in der Vergangenheit. Tatsächlich werde den zu präparierenden Tieren – Fischen, Amphibien, Reptilien, Vögeln oder Säugern – die Haut abgezogen, konserviert und über einen neu modellierten Körper gezogen.

Vielseitig und anspruchsvoll
Im Referat Beutlers wurde deutlich, wie viel Analyse, Naturwissenschaft und Handwerkskunst in der Rekonstruktion eines Tierkörpers steckt. Nach der Häutung wird er bis ins Detail vermessen, je nach dem werden fürs Mass nehmen von einzelnen Körperpartien Abgüsse gemacht oder das ganze Tier wird in einem Computertomographen gescannt. Die ermittelten Daten werden in einen «Bauplan» übertragen.

Hat sich der Auftraggeber entschieden, in welcher Pose das Präparat später präsentiert werden soll, beginnt der Neuaufbau des Körpers. Hier kommen laut der Präparatorin unterschiedliche Materialien und Techniken infrage: Schnitzen, mit Ton modellieren oder Holzwolle mit Garn umwickeln. Um Zeit und Geld zu sparen, könne auch mit vorgefertigten Formen als Basis gearbeitet werden, beispielsweise für Jagdtrophäen, erklärte die Spezialistin. Oder man baut einen Körper um: Als Beispiel nannte sie die Metamorphose eines Löwen zum Tiger, vollzogen durch einen Berufskollegen von ihr. «Das war ein Massaker – und es ist eine Kunst für sich.» Sie selber arbeite effizienter, wenn sie ein Modell von Grund auf neu aufbaue. Je nach Auftrag kann dabei selbst Sabrina Beutler als Fachfrau mit rund 20-jähriger Berufserfahrung an ihre Grenzen stossen. So habe sie sich einmal bei einem Handwerker Hilfe holen müssen, um einen stabilen Giraffenkörper konstruieren zu können.

Die Kunst der Präparatorin liegt darin, die Pose und die Körperdetails so hinzubekommen, dass «ein Schimpanse nicht nur wie ein Schimpanse aussieht, sondern wie einer wirkt». Dafür sieht sie sich unzählige Fotos an und besucht Zoos, um das Muskelspiel beobachten zu können. Manchmal spreche sie auch mit Tierpflegern, um etwas über das Wesen eines Tiers in Erfahrung zu bringen. Diesen Aufwand betreibe sie, weil sie sich der Authentizität verpflichtet fühlt: Ausser in freier Wildbahn oder in Zoos seien Begegnungen mit Tieren nur mit Präparaten möglich. Ihre Darstellung präge somit das Bild, das Menschen von einem Tier bekommen.

Lieber keine Haustiere
Sabrina Beutler führt einen Ein-Frau-Betrieb. Zu den Kunden ihres Ateliers in Düdingen im Kanton Fribourg gehören hauptsächlich Museen ohne eigene Werkstätten sowie naturwissenschaftliche und veterinärmedizinische Fakultäten von Universitäten. Dabei geht es nicht nur ums Präparieren, sondern auch ums Konservieren oder die Pflege von Sammlungen. Sie habe auch schon einmal in einem Museum ein rund 100-jähriges Zwergwahl-Skelett montiert.

Vereinzelt würden auch Jäger mit ihren Trophäen bei ihr anklopfen oder Private, die ihr beispielsweise einen Vogel mitbringen, der sein Leben beim Zusammenstoss mit dem Wohnzimmerfenster liess. «Es sind manchmal Menschen, denen noch nie aufgefallen ist, wie schön ein Vogel sein kann», meinte die Präparatorin. Aufträge wie diese nimmt sie an. Zurückhaltender ist sie bei Anfragen fürs Präparieren von Haustieren. Sie rate den Halterinnen und Haltern davon ab, da sie dem Wesen des Tiers nicht gerecht werden könne. Ausserdem ist Beutler der Meinung, dass ein Präparat dem Trauerprozess im Weg stehen könnte. «Die meisten Leute sehen es auch so, wenn ich es ihnen erklärt habe.»

Auch ohne Haustier-Aufträge hat Sabrina Beutler mehr als genug zu tun. Sie habe so viele Anfragen, dass sie sich die Arbeit aussuchen könne, sagt sie. Zum Teil erreichten sie sogar Anfragen aus dem Ausland. Umso mehr engagiert sie sich im Verband für die Verbesserung der Ausbildungssituation in der Schweiz. An Interessierten für eine Lehre zum Präparator oder zur Präparatorin fehle es nicht, davon ist die Fachverbandspräsidentin, die ihre Lehre in Deutschland absolvierte, überzeugt. Denn der Beruf sei attraktiv und abwechslungsreich wie kaum ein anderer.


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