Die Auferstehung des Sommermarkts?
05.12.2024 SissachDie Gemeindeversammlung hat das Schicksal des Sissacher Sommermarkts in die eigenen Hände genommen. Der Gemeinderat muss eine Vorlage für die Wiedereinführung des von ihm gestrichenen Markts ausarbeiten. Eine klare Abfuhr erteilten die Sissacher dem Naturpark.
Christian Horisberger
War es der von der Gemeinde offerierte Apéro, der so viele Sissacherinnen und Sissacher an die Gemeindeversammlung gelockt hatte, oder war es der Naturpark? Oder etwa der Sommermarkt? Womöglich alles miteinander. Tatsache ist, dass die Budget- «Gmäini» mit rund 250 Teilnehmenden ausserordentlich gut besucht war. Offenbar hatten mehrere Interessengruppen mobilisiert. Umso unberechenbarer war die Dynamik, die sich daraus ergeben könnte.
Als faustdicke Überraschung kann der Entscheid zugunsten des Sommermarkts – vor allem in dieser Deutlichkeit – gewertet werden. Mit 138 zu 57 Stimmen hat die Versammlung den Antrag des Sissacher Markthändlers Philippe Widmer als erheblich erklärt, den vom Gemeinderat aus dem Marktkalender gestrichenen Anlass wieder einzuführen.
Der Antragsteller hatte in seinem Votum auf die Arbeitsplätze hingewiesen, die durch die Streichung von Märkten in Gefahr seien. Die bescheidenen Besucherzahlen des Sommermarkts relativierte er: Für einen Markthändler könne sich die Teilnahme bereits dank der Einkäufe seiner Stammkundschaft lohnen.
Alt Landrat Stefan Zemp (SP) und Pietro Papini, der frühere Geschäftsführer der Fortura AG, die wesentlich vom Marktgeschäft lebt, priesen den Sommermarkt als Bestandteil der Sissacher Kultur. Papini erkundigte sich zudem nach den Kosten, die der Gemeinde durch die Organisation entstehen. Gemeinderätin Svenja Pichler bezifferte die Einnahmen am Sommermarkt der Gemeinde auf 4000 Franken. Beim Aufwand konnte sie lediglich mit den Kosten – hauptsächlich für die Werkhof-Leistungen – für den Herbstmarkt dienen: rund 44 000 Franken. Der Aufwand für den Sommermarkt ist laut Verwaltung etwas mehr als halb so gross.
Vorlage innert sechs Monaten
Nach dem Auszählen der Stimmen sagte Gemeindepräsident Peter Buser, leicht ironisch, dass er sich dannzumal auf die 138 Sommermarktbesucher freue, die sich hier für die Durchführung ausgesprochen haben. Doch in trockenen Tüchern ist noch nichts. Das Ja vom Dienstag bedeutet lediglich, dass der Gemeinderat eine Vorlage zuhanden der Gemeindeversammlung auszuarbeiten hat, die dann nochmals zustimmen muss. Dies werde innerhalb eines halben Jahres geschehen, so Buser.
Ebenso deutlich, wie die Sissacherinnen und Sissacher dem Sommermarkt noch eine Chance geben wollen, gaben sie dem Trägerverein des Naturparks Baselbiet mit 147 Neingegenüber 69 Ja-Stimmen einen Korb. Die Ausführungen von Gemeinderätin Svenja Pichler und die Wortmeldungen der Park-Gegner bezogen sich aufs Geld, den voraussichtlich fehlenden Nutzen für Sissach und den Namen, der dem Inhalt nicht gerecht werde. Letzteres sagte Urs Chrétien, der frühere Geschäftsführer von Pro Natura Baselland. Er erkennt im Naturpark-Projekt vor allem viel Tourismusförderung, dessen Leistungen für Natur und Umwelt jedoch seien sehr überschaubar. Für gute Naturschutzprojekte könnten auch ohne den Naturpark diverse Geldquellen angezapft werden. Sarah Regez (SVP) kritisierte das Projekt als «undurchsichtig». Ueli Gysin, früherer «Ebenrain»-Leiter, erzählte ein Märchen von einem trügerischen Schlaraffenland Naturpark. Suzanne Imholz (FDP) fand, dass die 35 000 Franken jährlich für Sissach im Moment nicht drinlägen. Man könne allenfalls später einsteigen.
Katarina Gunzenhauser stellte den zur Debatte stehenden Betrag in Relation zum geplanten Ersatz der Banden auf der Kunsteisbahn für 195 000 Franken und wies auf die Chance für die Bildung im Bereich Natur hin, die der Park biete. Von einer drohenden Entsolidarisierung der Gesellschaft sprach Stephan Zemp: Als Sissach für die «Kunsti» Geld brauchte, seien dafür die umliegenden Gemeinden um Beiträge gebeten worden. Jetzt sei Solidarität gegenüber strukturschwächeren Gemeinden gefordert, die vom Naturpark stärker profitieren könnten als Sissach. Der Appell verpasste seine Wirkung ebenso wie der Hinweis von Elvira Graf, dass es in der Schweiz 17 Pärke gebe, die nicht Aus-, sondern Eintritte verzeichnen würden, da sie für die Gemeinden offenbar von Nutzen seien. Doch die Meinungen waren da schon gemacht.
Steuererhöhung abgeblockt
Bei der Beratung des Budgets überraschte Stephan Zemp die Versammlung mit einem Antrag auf Erhöhung des Steuerfusses für natürliche Personen um 2 auf 59 Prozent. Er sei mit Blick auf die Lage in Europa weniger optimistisch als der Gemeinderat, was die wirtschaftliche Entwicklung und damit die Steuereinnahmen betrifft. Aufgrund der hohen Investitionen und des tiefen Selbstfinanzierungsgrads sei es angezeigt, den Steuerfuss nicht erst 2026, wie im Finanzplan vermerkt, sondern schon 2025 zu erhöhen. Der Antrag wurde wenig überraschend mit 152:62 abgelehnt. Die 62 Ja-Stimmen kann Zemp als Achtungserfolg verbuchen.
Einen Budget-Antrag von Elvira Graf auf Streichung von 200 000 Franken aus dem Budget für Reparaturen der Strasse in der Begegnungszone (die «Volksstimme» berichtete) scheiterte mit 80 zu 111 Stimmen. Sie erachtet den Strassenbelag als gut genug, dass er noch einige Jahre bis zur Totalsanierung der Begegnungszone hält, hatte Graf argumentiert. Das Budget mit Ausgaben von 35,38 Millionen und einem Defizit von 1,14 Millionen Franken wurde grossmehrheitlich durchgewinkt.
Desgleichen die Anschaffung eines neuen 4×4-Allzweckfahrzeugs samt Anbaugeräten wie Schneepflug oder Salzstreuer für den Werkhof zu einem Bruttopreis von 275 000 Franken. Sogar einstimmig bewilligte die Versammlung den Kredit für die Anschaffung einer neuen Gemeindesoftware für 660 000 Franken.
Keine Mehrheit fand hingegen der selbstständige Antrag von Susanna Dätwyler auf ein Feuerwerksverbot an Silvester. Mit 118 zu 68 Stimmen wurde das Anliegen, das Polizeireglement entsprechend anzupassen, als für nicht erheblich erklärt.