Herzlich willkommen an Bord!

Vor einem Jahr sass ich in Trainerhose und Adiletten auf einer Autobahnraststätte im französischen Jura, ohne Auto, wohlgemerkt. Wie war es dazu gekommen? Als «Volksstimme»-Abonnenten ist Ihnen in den vergangenen Jahren vielleicht die Kolumne «Kreuz und Quer» aufgefallen. Wenn ja, dann ist meine Wenigkeit daran schuld. Zwischen August 2022 und April 2024 bin ich mit meiner besseren Hälfte um die Welt gereist und habe in dieser Zeitung darüber berichtet.

Nach mehr als 20 besuchten Ländern war unsere Neugier nach fremden Kulturen gesättigt. Um den Kulturschock bei der Heimreise vom quirligen Peru in die beschauliche Schweiz abzufedern, beschlossen wir, langsam nach Hause zu reisen. Deshalb wollten wir die letzten 500 Kilometer nach Sissach zu Fuss zurücklegen.

Auf der Zugfahrt zum Start unserer Wanderung in Cluny nördlich von Lyon begann es zu schneien – der März, bekanntlich kein Wandermonat, hatte uns eiskalt erwischt. Da in der französischen Provinz sonst niemand auf die Idee kam, im Vorfrühling, oder eben im Spätwinter, eine Fernwanderung zu machen, mussten wir oft ein Taxi nehmen, um eine der wenigen Übernachtungsmöglichkeiten zu erreichen. So auch zur Raststätte bei Dommartin-Lès Cuiseaux. Trotz meiner begrenzten Französischkenntnisse hat sich dieser Ort in mein Gedächtnis eingebrannt.

Da der Taxifahrer nicht auf die Autobahn fahren wollte, um uns zum Raststättenhotel zu bringen – ja, es war sonst weit und breit keine Unterkunft geöffnet – blieb nur die Möglichkeit auf der Landstrasse zur Raststätte zu gelangen. Schliesslich muss es ja eine Zufahrt für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben. Die werden doch nicht über die Autobahn zur Arbeit fahren, oder? Am Zaun angekommen, konnte mir der Taxifahrer kein Wechselgeld geben. Entschuldigung, ein Taxifahrer, der kein Geld dabei hat? Komischer Typ, dachte ich. Zu meiner Erleichterung war das Personaltor zur Raststätte offen, sonst hätte ich wie ein Einbrecher über den Zaun klettern müssen. Ich rannte ins Gebäude – der Taxameter lief schliesslich weiter – und fragte völlig ausser Atem nach Münzen. «Est-ce que vous pouvez changer petite pièce de monnaie?» Vor meinem inneren Auge schlug meine ehemalige Französischlehrerin die Hände über dem Kopf zusammen.

Als wir zehn Minuten später mit unseren Wanderrucksäcken an der Rezeption einchecken wollten, fragte uns die Dame ungläubig: «Sie haben zwei Nächte gebucht?» Wir bestätigten dies. Zu unserer Verteidigung: Wir hatten das im Norden Argentiniens geplant, noch im Reisemodus.

Bei einem «Einerli» des wohl schlechtesten Weissweins, den ich je in Frankreich getrunken habe, sass ich also in Adiletten und Trainerhose da und überlegte, wie meine Zukunft wohl aussehen würde. Dass ich heute, ein Jahr nach meiner Rückkehr, im Büro an der Hauptstrasse 31 in Sissach sitze und in die Tasten haue, hätte ich mir damals nicht träumen lassen. Nun, das Schönste am Reisen ist, nicht zu wissen, wohin die Reise geht. Schön, dass Sie dabei sind!

Nikolaos Schär, Redaktor «Volksstimme»

HERZBLUT

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