Joe Montana

«Nomen est omen», heisst es – der Name sei ein Zeichen. Darüber, wie viel Wahres da dran ist, denke ich seit einer Recherche nach, für die ich auf eine Auskunft des Basellandschaftlichen Natur- und Vogelschutzverbands angewiesen war. Die Co-Präsidentin werde sich bei mir melden, hiess es bei der Geschäftsstelle. Dann klingelte das Telefon, und eine Frau meldete sich: «Vögeli, BNV, ich soll Sie zurückrufen …» Nach dem angenehmen Gespräch mit Vogelschützerin Vögeli überlegte ich für einen Augenblick, ob ich beim TCS nach einem Strasser im Vorstand forschen soll und in den Gelben Seiten nach einem Metzger, einem Zimmermann oder einem Bauer, bei denen drin ist, was draufsteht, wenn man so will.

Ich verwarf den Gedanken. Die Wahrscheinlichkeit, eine Person namens Beck mit einer Glutenallergie aufzuspüren, ist höher als eine zu finden, die in einer Backstube ihre Brötchen verdient. Auch dürften ungleich mehr Baumgartner Holz spalten als Bäume pflanzen. Der Gedanke aber, wie ein Nachname wirkt und was er aus einem macht, setzte sich fest.

Ist für Höheres bestimmt, wer mit einem Power-Namen gesegnet ist? Hatte John Wayne je die Chance, kein Westernheld zu werden? Arnold Schwarzenegger kein Kraftpaket? Oder Joe Montana keine Sport-Ikone. Könnte ich unter 1 Milliarde Vorname-Familienname-Kombinationen auswählen, würde ich Joe Montana heissen wollen. Das klingt nach Marlboro-Mann, Selbstbewusstsein, Coolness bis tief unter den Gefrierpunkt. Episch. Montana ist mit vier Super-Bowl-Siegen einer der erfolgreichsten American Footballer aller Zeiten.

Joe Montana wurde in der Schule sicher nie mit seinem Namen aufgezogen. Ich schon. Mit «Horrorberger» haben sie mich auf dem Pausenplatz geärgert. Hiesse ich Joe Montana, hätte ich sie spotten lassen, mich leger an die Kletterstange hinter dem Schulhaus gelehnt, auf einem Zahnstocher gekaut und sie schweigend niedergestarrt. Aus mir wäre ein herausragender Footballer, Fussballer, Autorennfahrer oder Boxer geworden. Oder ein Filmstar. Aber wer will auf einem Kinoplakat schon «Chris-tian-Ho-ris-ber-ger» lesen: Zu bieder und zu lang. Wenn schon lang, dann mit Exotik wie bei Leo-nar-do-di-Cap-rio. Das ist Musik. Das ist Poesie.

Auch wenn ich meinen Namen als Hypothek betrachte, hätte es mich weit schlimmer treffen können. Als Buchhaltungsgehilfe stiess ich in der Kundenkartei einst auf einen Hermann Hackfleisch – er war übrigens Wirt und nicht Metzger. Und ich erinnere mich vage an den Eishockey-Profi Adrian Wichser. Deren Schulzeit muss wirklich die Hölle gewesen sein.

Aber. Der frühere Eishockey-Torschützenkönig, Schweizer Meister, Champions-League-Sieger und 99-fache Nationalspieler Wichser widerlegt die Theorie des Namens als Hypothek. Desgleichen einer der bedeutendsten Pianisten der Geschichte: Vladimir Horowitz … In meiner nächsten Kolumne werde ich mich wohl mit der Thematik Fleiss und Ehrgeiz befassen …

Christian Horisberger, stv. Chefredaktor «Volksstimme»

HERZBLUT

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