Eine von 50 546 726

Noch immer gehöre ich zu diesen altmodischen Menschen, die Schallplatten kaufen, also diese schwarzen runden Dinger mit zwei Seiten und einem 7 Millimeter kleinen Loch in der Mitte, die man auf Plattenspieler legt, um Musik zu hören. Meine Kinder verstehen das nicht. Für sie sind Schallplatten Relikte einer glücklicherweise längst vergangenen Zeit. Schliesslich bekommt man (fast) alle Musik immerzu und so ziemlich gratis bei «Spotify» oder sonst wo im Internet. Weshalb für etwas Geld ausgeben, das dann doch bloss im Regal steht und Staub fängt?

Ich denke aber, die Kinder kommen irgendwann schon noch dahinter, dass Musik mehr darstellt als das, was aus den Boxen kommt. Und dass eine Schallplatte einfach ein geniales und sinnliches Objekt ist. Wobei ich nicht nur neue Musik kaufe, sondern auch Stück für Stück die Lücken in meiner Vinyl-Sammlung schliesse, welche durch den Irrtum der CD in den Jahren um 1990 herum entstanden sind. Dafür gibt es Second-Hand-Plattenläden, aber auch eine Online-Plattform namens Discogs: Einerseits eine globale Datenbank, aber auch ein Marktplatz, auf dem unzählige Händler ihre Ware feilbieten.

Eine der Platten, welche ich bloss als CD besitze, die ich aber unbedingt in Vinyl möchte, ist «44» von «Tafs», ein Mundart-Rap-Album aus dem Jahr 2003. Der Titel kommt nicht von ungefähr, denn 44 verweist auf die Herkunft von «Tafs», steht für die ersten zwei Ziffern der Postleitzahl. In ihren Tracks rappen «Tafs» mit einer gesunden Portion Selbstironie, im Titeltrack auch über die Abgrenzung zu Basel respektive die Klarmachung der Unterschiede: Ziegelhof-Bier, Chlöpferbräteln, Banntag, Subaru 4×4 und Pflügen mit dem John Deere statt Steinenvorstadt, Herbschtmäss und Dolce-Vita-Läckerli-Style am Rheinufer.

Diesen Song zu hören ist für mich immer wieder, wie mich an einem akustischen Feuer der Erinnerung zu wärmen. Aber eben: Das leise knisternde Vinyl fehlt. Noch. Discogs könnte da Abhilfe schaffen. Derzeit werden dort 50 546 726 Schallplatten zum Verkauf angeboten. Und bei exakt einem einzigen Exemplar dieser 50 546 726 Schallplatten handelt es sich um das Album «44» von «Tafs». Der Händler will dafür 100 Franken plus Versandkosten. Ganz schön viel Geld für ein bisschen Musik. Aber so sind sie eben, die Dinge, die einem lieb sind: teuer.

«Tafs» geben im März anlässlich ihres 30. Geburtstags unter dem Motto «Nomol Zit für chli Etschgen» zwei Konzerte in der Kaserne Basel. Natürlich sind beide längst ausverkauft. Und logischerweise habe ich verpennt, ein Ticket zu beschaffen. Aber mal schauen, ob auf Ricardo oder auf dem Schwarzmarkt etwas zu fi nden ist. Auch hier gilt dann wohl: Wer zu spät kommt, den bestraft das Portemonnaie.

Max Küng wurde 1969 geboren und ist auf einem Bauernhof in Maisprach aufgewachsen. Heute lebt er mit seiner Familie in Zürich und ist ein landesweit bekannter Kolumnenschreiber.

MEINE WELT

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