Weltfrieden und ein E-Trotti

«Weltfrieden!»: Auf die Frage, was man sich zu Weihnachten oder zum Geburtstag wünscht, gab es bei uns daheim stets nur diese Antwort. Natürlich machten wir uns damit über Miss-Wahlen in den USA lustig, wo eine Kandidatin, die nicht «Weltfrieden!» als ihr wichtigstes persönliches Anliegen nennt, das Krönchen gleich vergessen kann. Das glaubten wir jedenfalls zu wissen.

Mit Blick auf die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten und die Unberechenbarkeit des künftigen US-Präsidenten bliebe uns heute das Lachen im Hals stecken, wenn wir, gefragt nach dem Weihnachtswunsch, «Weltfrieden!» sagen und es nicht auch meinen würden. Selbstverständlich wünsche ich – wer nicht? – allen Menschen, die von Krieg und Terror betroffen sind, ein Ende der Gewalt. Aber der Weltfrieden lässt sich nicht unter den Weihnachtsbaum legen.

Ein Trotti schon.

Auf meinem Wunschzettel für Weihnachten ganz oben stand ein Set von diesen Waben-Wunder-Pfannen: Da hockt nichts an, die Pfanne brät, dämpft und kocht und ich kann mit der Gabel so viel darin stochern wie ich will – sie ist unzerstörbar. Doch dann hatte ich diese Begegnung mit einem Elektro-Trottinett: Ich war mit dem Rennrad unterwegs, ausgangs Sissach, die Netzenkurve vor mir. Die Kette vorne auf der grossen Scheibe, die Stirn auf dem Lenker, die Beine noch frisch. Das Trotti zischte an mir vorbei und bog Höhe Carrosserie Zumbrunn links in Richtung Itingen ab. Ich kniff die Augen zusammen und schaltete zwei Gänge hoch. Trotz Puls 180 vergrösserte sich der Abstand. Normalerweise hätte ich mich in Grund und Boden geschämt und gehofft, dass keiner dieses Trauerspiel beobachtet hat. Da aber war mein Interesse geweckt: Was war das? Wo bekomme ich so eine Rakete her?

Das Internet quillt vor lauter E-Trottis schier über. Für wenige Hundert bis etwa Tausend Franken gibt es etliche Modelle. Im Wesentlichen unterscheiden sie sich bei der Motorstärke, Reichweite und Ladedauer. Die Höchstgeschwindigkeit wird bei den meisten Modellen einheitlich mit 20 Stundenkilometern angegeben – ganz nach den Vorgaben des Strassenverkehrsgesetzes: Für Elektro-Trottinetts gilt: Top-Speed 20 km/h ohne und 25 km/h mit Muskelkraft. Langweilig!

Das Teil in der Netzenkurve war mindestens doppelt so schnell. Entweder, da war ein «Trottibueb» mit einem frisierten Teil unterwegs oder er hatte im E-Scooter-Internet-Shop bis zu den Sportmodellen gescrollt, zum «Segway Ninebot GT2P» zum Beispiel: 3000 Watt, 90 Kilometer Reichweite und 70 km/h Spitze. Mein Puls war wieder bei 180. Leider nicht lange: Am Schluss der Produktbeschreibung heisst es so diskret, dass man es leicht überlesen kann: «ideal für den Gebrauch auf privatem Gelände.» Ohne eigenen Salzsee für Hochgeschwindigkeitsexperimente flog das Turbo-Trotti wieder von meiner virtuellen Wunschliste – und aus lauter Enttäuschung die sicherlich völlig überbewerteten Pfannen gleich mit dazu. Stattdessen werde ich diese Weihnachten Menschen in Not unterstützen und wenigstens die Hoffnung auf Weltfrieden unter den Christbaum legen.

Christian Horisberger, stv. Chefredaktor «Volksstimme»

HERZBLUT

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