Wenn das Treppenhaus zum Matterhorn wird

Voller Optimismus (und mit einem Hauch Grössenwahn) dachte ich, dass ich meinen Umzug locker mit ein paar Freunden über die Bühne bringe. Schliesslich bin ich ein Organisationstalent, oder? Ha. Ha. Ha.

Der Startschuss fällt mit einem gemieteten Mobility-Truck. Meine Freundin – tapfer in der Rolle der Fahrerin – steuert das Gefährt sicher zu meinem bisherigen Zuhause. Doch dann kommt die erste Hürde: der Parkplatz. Ein kleines, aber tückisches Kiesbett vor dem Haus wird zur rutschigen Bühne für ein absurdes Theaterstück.

Während der Truck röhrend den kleinen Anstieg nicht schafft und Kieselsteine in alle Richtungen schiessen, krümme ich mich vor Lachen. Dann tritt mein Nachbar auf den Plan. In Unterhemd, Jogginghose und mit einer Kippe im Mund steht er plötzlich in der Haustür und schimpft über die nächtliche Ruhestörung. Ich entschuldige mich – nicht ohne Mühe, mein Lachen zu unterdrücken – und verspreche, alles wieder in Ordnung zu bringen. Ob er mir das geglaubt hat? Keine Ahnung. Nachdem er noch seine Faust durch die Luft schwingt, schletzt er grummelnd die Türe hinter sich zu. Die angedrohte Beschwerde kam jedenfalls nie.

Ich hatte naiv angenommen, wir können den Umzug in einer Fuhre erledigen. Nach einem Blick auf meine Habseligkeiten und die Ladefläche wurde klar: Das war Wunschdenken. Wie beim Tetris stapeln wir Kisten, Regale und Pflanzen. Natürlich reicht der Platz nicht aus. Zwei Fahrten müssen her.

Die Fahrt zur neuen Wohnung verläuft überraschend harmonisch. Zu dritt vorne im Truck grölen wir unsere Lieblingssongs, und für einen Moment fühlt sich der Umzug fast wie ein Roadtrip an. Einziger Haken: Der Innenspiegel ist quasi nutzlos, da die Ladefläche so vollgestopft ist, dass man bestenfalls eine vage Ahnung von dem hat, was hinter einem passiert. Sicher ist anders, aber hey – das Adrenalin hält wach.

Am neuen Ort beginnt die eigentliche Tortur. Alles muss in den zweiten Stock, natürlich ohne Aufzug. Haben Sie gedacht, das wird ein Zuckerschlecken? Treppauf, treppab, aber vor allem treppauf schleppe ich mich mit Kisten und Möbelstücken, während meine Beine zunehmend die Kräfte verlassen. Bei Kiste Nummer 20 fühle ich mich, als würde ich das Matterhorn bezwingen. Einer meiner Freunde trägt mein Regal locker unter dem Arm an mir vorbei und pfeift. Danke für die Demütigung.

Ich versuche noch, den Boden und die Wände der Altbauwohnung vor Kratzern zu bewahren. Eigentlich unnötig: Mein Mitbewohner hat beim Bohren für seine Kleiderstange gleich ein Durchgangsloch zur Küche hinterlassen. Das war dann der zweite Moment an diesem Tag, an dem ich vor Lachen fast keine Luft mehr bekommen habe.

Mit etwas besserer Organisation und vielleicht einer oder zwei zusätzlicher Hände wäre dieser Umzug bestimmt einfacher vonstatten gegangen. Aber rückblickend war es doch ein recht witziges Erlebnis – ein chaotischer Tag, der mich daran erinnert hat, dass man mit fünf Freunden und einer Prise Humor so ziemlich alles schaffen kann.

Melanie Frei, Redaktorin «Volksstimme»

HERZBLUT

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