CARTE BLANCHE
21.11.2024 PolitikTotengräber der Demokratie
Peter Riebli, Landrat SVP, Buckten
Das Recht auf freie Meinungsäusserung ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der Demokratie. In Artikel 16 der Bundesverfassung heisst es, dass jede Person das Recht hat, ihre Meinung frei zu bilden und sie ungehindert zu äussern und zu verbreiten. Meinungsfreiheit bedeutet, dass Ansichten geäussert werden dürfen, die wir persönlich verabscheuen: Es ist das Unangenehme, das Provokative, das unsere Verpflichtung zum Prinzip der freien Meinungsäusserung wirklich auf die Probe stellt. Die viel beschworene Meinungsvielfalt tatsächlich auszuhalten, fällt aber vielen erkennbar schwer.
So hat die Europäische Union unlängst den Digital Services Act (DSA) verabschiedet, der Unternehmen verpflichtet, Inhalte zu zensieren, die als «Desinformation» und «Hassrede» eingestuft werden. In der Begründung heisst es: «Es soll keine Beschränkung der Meinungsfreiheit erfolgen, vielmehr handelt es sich um ein Hilfsmittel, um schädliche Desinformation zu vermeiden und damit die Demokratie zu schützen.» Falls noch jemand zweifelt: Das nennt man Zensur und widerspricht dem Gedanken einer Demokratie diametral. Denn je diverser das Meinungsbild, desto besser geht es der Demokratie.
Beunruhigend ist, dass der Bundesrat ähnliche Gesetze plant. Aber nicht nur von staatlicher Seite kommt die Meinungsfreiheit unter Druck. Auch die Political Correctness trägt das ihre dazu bei. Political Correctness sagt: Diese Ansicht ist unmoralisch, undemokratisch, unsolidarisch, böse und so weiter. Das verhindert die Diskussion über wahr und unwahr, richtig und falsch und vergiftet jede Diskussion. Nicht den Gegner argumentativ zu widerlegen ist das Ziel, sondern ihn mundtot zu machen.
Es zeigt sich einmal mehr, dass die, die am häufigsten vom Schutz der Demokratie reden, die eifrigsten Totengräber der Demokratie sind. Denn wer bestimmt, was «Desinformation» ist und was nicht? Gilt es nur als Desinformation, wenn ein Wirrkopf meint, dass ausserirdische Reptiloide die Welt regieren, oder ist es auch Desinformation, wenn ich sage, dass die Asylpolitik der Schweiz ein Desaster ist oder dass es nur zwei biologische Geschlechter gibt?
Wie steht es um linksideologische Desinformation, wenn behauptet wird, dass Männer Frauen sein können oder dass es keinen Zusammenhang zwischen der Woh- nungsnot und der Tatsache gibt, dass wir jedes Jahr um die 100 000 Migranten hereinlassen? Greift da die Zensur dann auch, oder eher nicht?
Abgesehen davon bin ich der Meinung, dass sowohl der Aluhutträger als auch der Ideologe, der von Biologie keine Ahnung hat, seine Meinung überall frei äussern darf. Denn das zeichnet eine Demokratie und das Recht auf Meinungsfreiheit eben aus. Mit der Beschneidung der Meinungsfreiheit beginnt das Ende unserer Freiheit. Ohne Meinungsfreiheit ist Demokratie nicht möglich.
Diese zensurbegeisterten Menschen und Regierungen haben nicht vor Desinformationen Angst. Nein, sie fürchten sich vor anderen Meinungen und vor dem Verlust der eigenen Deutungshoheit. Wer gute Argumente hat, braucht kein Zensurgesetz.
In der «Carte blanche» äussern sich Oberbaselbieter National- und Landratsmitglieder sowie Vertreterinnen und Vertreter der Gemeindebehörden zu einem selbst gewählten Thema.