Das Künstlerduo «maboart» zeigt eine Holz-Installation im Ebenrainpark

Werke von sieben Künstlerinnen und Künstlern sind im Rahmen der «Kulturwochen Ebenrain» zu sehen. Für Künstler Claudio Magoni – dieses Mal mit seiner Partnerin Ursula Bohren – ist es eine Rückkehr an einen Ort, der emotional nicht ganz unbelastet ist.

David Thommen

Für den Schreibenden und den Künstler ist es ein Wiedersehen nach 31 Jahren. 1992 fand das Gespräch am exakt gleichen Ort statt: neben dem Weiher im Park des Sissacher Schlosses Ebenrain.

Damals war die Eisenplastik «Vier Elemente» des Reinacher Künstlers Claudio Magoni im Zentrum des Interesses. Das Werk, bestehend aus drei hohen, rostigen Eisenkörpern, stand zum Zeitpunkt des Gesprächs seit genau fünf Jahren im Park. Der Pulverdampf, der das Werk einst umgeben hatte, hatte sich zu diesem Zeitpunkt verzogen und es war an der Zeit, mit klarem Blick auf das zurückzuschauen, was zuvor geschehen war.

Neun Tonnen schwer sind die «Vier Elemente», die zwar nicht gerade versteckt, aber doch eher unfreiwillig an diesem Ort abseits aller Wege im Park stehen. Die Baselbieter Kunstkredit-Kommission hatte die Skulptur 1986 für 70 000 Franken bei Magoni angekauft, um sie vor der damals frisch renovierten und erweiterten Landwirtschaftlichen Schule Ebenrain neben dem Eingang zu platzieren.

Bauern sahen Rot bei Rost
Der Entwurf für die mächtige Plastik im typischen Minimal-Art-Stil der 1980er-Jahre hatte in einem Wettbewerb unter 57 Eingaben das Rennen gemacht. Manche Kunstbetrachterinnen und Kunstbetrachter sahen sich an Werke des amerikanischen Künstlers Richard Serra erinnert, der mit riesigen Stahlplastiken für Aufsehen sorgte – aber auch für Kontroversen (wie mit seiner Plastik «Intersection» vor dem Basler Theater ununterbrochen seit 1992). Magoni erging es einige Jahre zuvor in Sissach nicht anders.

Landwirtschaftskreise waren damals ob seinem Kunstwerk entsetzt: «Wir können nichts Schönes an diesen Eisenwänden erblicken», hiess es in einem Schreiben der Landwirtschaftlichen Vereinigungen Baselland, das 1986 in der «Volksstimme» abgedruckt war. Kunst müsse ja nicht unbedingt abstrakt sein. Und sowieso: Wenn ein Landwirt Rost sehe, so sehe er Rot. Er denke automatisch an Unordnung, Vernachlässigung und Zerfall. Auf dieses Geschenk des Kantons vor dem Eingang zur Landwirtschaftsschule, wo dem Bauernnachwuchs ganz andere Werte vermittelt werden sollen, verzichte man gern.

Es folgte ein deftiger Disput in den Medien, sogar eine Podiumsdiskussion wurde veranstaltet, doch man kam sich nicht näher. Es hatte auch nichts mehr gefruchtet, den «Vier Elementen» von kunstsachverständiger Seite so schöngeistig wie bauernschlau eine Fruchtbarkeits-Symbolik zuschreiben zu wollen. Die Baselbieter Bauern blieben unbeugsam. Nach einigem Hin und Her verkündete der Kanton einen Kompromiss, der allen Beteiligten ein gewisses Mass an Gesichtswahrung ermöglichte: Die «Vier Elemente» sollten zwar in den Ebenrain kommen, nicht aber vor die Schule, sondern hinter den Hügel an den Entenweiher. Aus den Augen und aus dem Sinn der Bauern also, was ganz im Sinn derselbigen war.

Zaun mit Moiré-Effekt
Heute ist Claudio Magoni (72) nicht wegen dieses alten Streits zum Treffen mit der «Volksstimme» nach Sissach in den Schlosspark gekommen. Er zeigt uns zusammen mit seiner Ehefrau und Kunst-Partnerin Ursula Bohren (70) eine aktuelle Arbeit, die eigens für die laufende «Kulturwochen»-Ausstellung im Ebenrainpark gefertigt wurde. Magoni und Bohren arbeiten seit 1998 als Künstlerduo unter der Bezeichnung «maboart» zusammen – nicht symbiotisch, wie Magoni sagt, sondern als Team. Beide hätten unterschiedliche Ideen und Stärken, was sich «phasenweise als hochgradig anregend und produktiv» erweise.

«maboart» haben für die Ausstellung in Sissach ein Werk aus zwei Zaunfragmenten geschaffen, einen «Graggenzaun», wie sie erklären. Dies nach dem Vorbild der Weidezäune, wie sie schon die alten Valser kannten. Die Holzlatten – im Original frei von Nägeln oder Schrauben – lassen sich im Sommer auf den Alpweiden recht einfach zum Zaun aufrichten. Bricht der Winter herein, werden die Latten ohne grossen Aufwand auf den Boden gelegt, wodurch die Zäune nicht von der Schneelast erdrückt werden können.

Optisch seien die Zäune auf den Weiden reizvoll, sagen Bohren und Magoni. So nun auch im Ebenrainpark: Beim Betrachten stellt sich ein etwas flimmernder Moiré-Effekt ein. Verstärkt wird der Eindruck dadurch, dass die Holzpfähle gold-bronzen und weiss bemalt sind. Mit der Sonnenbahn verändert sich der Lichtdurchlass während des ganzen Tages ständig. Auffällig sei der Zaun allerdings auch bei trübem Wetter, wie Bohren sagt: «Dann leuchtet das Gold sogar noch etwas mehr.» Die Skulptur erschliesse sich der Betrachterin oder dem Betrachter erst dann vollständig, wenn er oder sie diese mehrfach bei verschiedenen Wetterverhältnissen zu verschiedenen Tageszeiten und aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln in Augenschein genommen habe. Magoni: «Dieses Werk muss umschritten und erwandert werden, weil sich aus jeder Perspektive ein neues Bild ergibt.» Bei der Interpretation seien alle natürlich frei, sagen die beiden, «einige wollen in der Skulptur sogar ein Skelett erkennen».

Kunst soll umweltfreundlich sein
Für den Ebenrain-«Graggenzaun» haben «maboart» mit einem «Störsäger» zusammengearbeitet, den sie einst zufällig auf einem Waldspaziergang an der Arbeit angetroffen hatten. Dieser schnitt dem Künstlerpaar gegen 150 Pfähle für das Werk gleich im Wald zurecht. «Es handelt sich um Käferholz aus Therwil, Reinach und Aesch», erklärt Bohren. Holz also, das so oder so geschlagen werden musste. Nachhaltigkeit sei ihnen ein grosses Anliegen, sagen beide, mit ihrer Kunst sollen keine irreversiblen Schäden angerichtet werden: «Das ist uns beiden wichtig.» Beton beispielsweise bringe man für die Kunst nicht mehr leichtfertig zum Einsatz.

Und was bitte ist mit dem Eisen, das Claudio Magoni für Plastiken wie die «Vier Elemente» tonnenweise verarbeitet hat?

Diese Frage müsse er sich gefallen lassen, sagt Magoni. Aus heutiger ökologischer Sicht sei der Einsatz von «so massivem Material eher abzulehnen». Auch die Kunst komme nicht mehr darum herum, sich die Frage nach Energieverschwendung und Umweltzerstörung zu stellen. Die Zeiten hätten sich geändert. Die «Vier Elemente» stünden archetypisch für die 1980er-Jahre und seien für die Ewigkeit gemacht. Der filigrane Lattenzaun hingegen werde nach der Ausstellung abgebaut und das Material werde vielleicht für eine andere Skulptur rezykliert. Kunst also, die nur in den Köpfen und als Bits und Bytes im Netz überdauert und ansonsten eine temporäre Intervention bleiben wird. Ob wir uns in 31 Jahren beim nächsten Treffen noch daran erinnern werden …?

Der Zaun soll allerdings nicht nur visuelle Anziehungskraft erzeugen: «Wir gehen mit unseren Werken immer auch auf die örtlichen Begebenheiten ein», sagt Bohren. Bevor zum Material gegriffen wird, werde recherchiert. Im aktuellen Fall ist den Künstlern die riesige Fläche des Ebenrainparks aufgefallen. Erstellt in einer Zeit, als die Parzellen der Sissacher Habenichtse klein und zerstückelt waren. Magoni zitiert den Genfer Philosophen Jean-Jacques Rousseau (1712– 1778), einen Wegbereiter der Französischen Revolution: «Der erste, der ein Stück Land mit einem Zaun umgab und auf den Gedanken kam zu sagen, ‹dies gehört mir›, und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der eigentliche Begründer der bürgerlichen Gesellschaft …»

Das herrschaftliche Ebenrain-Anwesen könne «als Parabel für Besitz» gesehen werden, sagt Magoni. Der Park, so schön und öffentlich er heute auch sei, bleibe «ein Symbol der Ungleichheit». Und mit der Eingrenzung von Besitz gehe auch immer die Ausgrenzung der Besitzlosen einher. Mit dem «Graggenzaun» werde diese Besitznahme nun aber ironisiert, da der Zaun lediglich aus zwei nicht zusammenhängenden Fragmenten bestehe und keinerlei Funktion habe: «Er ist deplatziert, ohne Zweck und reellen Hintergrund.»

Verkleidete Kapitalismuskritik also; ein Wink mit ziemlich vielen Zaunpfählen. Ein – wenn auch ästhetischer – Alltagsgegenstand wird hier in den Rang eines Kunstwerks erhoben, das die Betrachter dazu einlädt, das Gewöhnliche mit neuen Augen zu sehen. Ein Muster, das man bei mehreren der sieben aktuellen Ebenrain-Kunstwerke zu erkennen glaubt. Ob man allfällige politische Botschaften hinter den Installationen für gelungen oder für platt hält, darf jeder für sich selbst herausfinden.

Viele Werke und Ausstellungen
«maboart» haben seit 1998 mehr als 100 gemeinsame Werke realisiert und an verschiedensten Ausstellungen in der Schweiz, Deutschland und Frankreich gezeigt. An mehreren Orten haben sie auch Aussengestaltungen entworfen, in der Region auffällig etwa bei der Kantonalbank in Binningen.

Früher arbeitete das Paar in einem grossen Atelier in der Liestaler Hanro, mittlerweile hat es den Werkplatz in ihr erweitertes Atelierhaus in Reinach verlegt. «maboart» hat mehrere Preise gewonnen, darunter 1999 den «Prix Meuly» für zeitgenössische alpine Kunst, der nur alle vier Jahre verliehen wird.

Magoni und Bohren bevorzugen – vom Ebenrainpark einmal abgesehen – für ihre Werke sogenannte «Off Spaces», also Orte, die keinen galerienartigen oder musealen Charakter haben. Ein Beispiel ist die Teilnahme 2014 an einer grossen Ausstellung in einer Zweit-Weltkrieg-Festung in Frankreich, die zur Maginot-Linie gehörte («Fort de Schoenenbourg» bei Wissembourg). Dort bespielte «maboart» eine fast originalgetreu erhaltene Krankenstation, 30 bombensichere Meter unter dem Erdboden. Für die Installation haben die beiden alte, schon einmal gebrauchte (aber gewaschene …) Mullbinden verwendet und für das olfaktorische Erlebnis reichlich Betadine-Infektionsmittel verspritzt. Fotos dieser Ausstellung und von allen weiteren Kunstwerken sind auf der umfangreichen Webseite des Künstlerpaars zu finden. Die Ausstellung im Ebenrainpark dauert noch bis zum 31. Oktober.

www.maboart.ch www.kulturwochen-ebenrain.ch

Der Wink mit ziemlich vielen Zaunpfählen

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