Kulturhistoriker Rémy Suter führte durch das Sonnendorf

Gut 20 Personen liessen sich den mit zahlreichen Sagen und Anekdoten gespickten Dorfrundgang in Arboldswil nicht entgehen. Eingeladen hat der Verein Region Wasserfallen Juraparadies.

Elmar Gächter

Jedes Dorf hat seine Geschichte. Sie kann zwar interessant, aber trocken sein – oder spannend und amüsant. Als Garant für Letzteres steht Rémy Suter. Dem werden die rund 20 Personen zustimmen, die am vergangenen Donnerstagabend mit in jenem Dorf unterwegs waren, wo der Historiker aufgewachsen ist und das nicht zufällig die Sonne im Wappen trägt. Es ist ein Ort, der sich in seinem Kern als «Haufendorf» seit Jahrhunderten nicht gross verändert hat, wie eine Zeichnung aus dem Jahr 1680 von Georg Friedrich Meyer zeigt. Originalbauten aus dem 17. Jahrhundert sind war keine mehr anzutreffen, aber Grundmauern aus jener Zeit bilden immer noch das Fundament verschiedener heutiger Wohnhäuser.

Die Gruppe wandert auf dem historischen Baselweg, der seinem Namen getreu von Bennwil über Oberdorf, Arboldswil, Lupsingen und Gempen bis nach Basel führt, ins Hinterdorf von Arboldswil. Suter erzählt vom Dorfetter, einem hohen Lebhag, der das Dorf wie eine Stadtmauer ummantelt hat und wo die Bewohner als Dorfgemeinschaft, mindestens juristisch, geschützt waren. Der Bannwart sorgte dafür, dass von den Zelgen, der Dreifelderwirtschaft ausserhalb des Etters, nichts gestohlen wurde. Der Etter bildete bis Anfang des vergangenen Jahrhunderts auch die Grenze, über die hinaus nicht gebaut werden durfte. Als die bessere Hygiene und Ernährung zu einem Bevölkerungsanstieg führten, musste verdichtet gebaut und Ökonomiegebäude als Feldscheunen ausserhalb des Etters erstellt werden.

Apropos Hygiene: Noch steht im Hinterdorf eine gegen die Strasse angebaute Latrine, die allerdings schon seit Langem nicht mehr in Betrieb ist. «Diese Bedürfnisanstalten gaben besonders in der Walpurgisnacht den Nachtbuben Anlass, die Türchen abzuhängen und auf dem Dorfplatz an den Zaun des Dorfweihers zu stellen. Die Jugendlichen machten sich einen Spass daraus, versteckt hinter einer Scheune die vergelsterten Leute zu beobachten, wenn sich bei ihnen morgens der grosse Druck bemerkbar machte», erklärte Rémy Suter.

Grosse Probleme bereitete den Arboldswilern noch bis Ende des 19. Jahrhunderts das Wasser. Es gab damals im Dorf nur zwei mickrige Quellen, die knapp für zwei laufende Brunnen sorgten und für das Dorf die Wasserversorgung darstellten. Das zusätzlich aus Sodbrunnen geförderte Grundwasser war Verursacher von Cholera und Typhus.

Jeremias Gotthelf, der während der Trennungswirren in den 1830er-Jahren als Feldprediger bei den eidgenössischen Friedenstruppen war, schrieb in seinem Roman «Hansjakob und Heiri oder die beiden Seidenweber» über die Baselbieter Dörfer: «Wenn es regnet, kann man auf den Mistgüllen von einem Haus zum anderen schiffen und kriegt gar kein Fusswasser, wenn das Schiffchen keine Löcher hat.» Das Wasserproblem wurde 1889 mit dem Bau des ersten Reservoirs wesentlich entschärft, und seit 1986 versorgt das Chastelen-Reservoir Arboldswil mit bestem Trinkwasser.

Wirtschaften in Privathäusern
Von der Basler Obrigkeit war festgelegt, dass die Dörfer nicht mehr als eine einzige «offizielle» Wirtschaft haben durften. Erlaubt waren hingegen Wechselwirtschaften, in denen Bürger in ihren privaten Stuben wirten durften. Dies änderte sich nach der Kantonstrennung, was auch in Arboldswil dazu führte, dass in mehreren Gebäuden Wirtsstuben anzutreffen waren. Auch im grossen Bauernhaus «im Winkel» mit der Jahreszahl 1697 wurde gewirtet. Dazu gehörte ein Kegelplatz, bei dem die Kugel mit einem Seil an einem starken Baumast über den neun Kegeln angebunden war. Heute gibt es nur noch das Restaurant Rudin.

Eine besondere Geschichte umgibt auch das alte Schulhaus, das heute die Gemeindeverwaltung und den Gemeindesaal beherbergt. Um 1750 wurde «Benzerhans» (Johannes Rudin), ein begabter Arboldswiler, der als Schullehrer vorgesehen war, vom Pfarrer mit einem Empfehlungsschreiben zu reichen Baslern gesandt, in der Hoffnung, Geld für ein Schulhaus aufzutreiben. «Er hat anscheinend genug gesammelt, aber alles versoffen, ist abgehauen und nach Bubendorf ausgewandert», hält Rémy Suter mit Schmunzeln fest. 1822 hat die Gemeinde das vorgestellte Gebäude gekauft und als Schulhaus eingerichtet. 1944 ist es einem Brand zum Opfer gefallen und anschliessend in der heutigen Form wieder aufgebaut worden.

Die Teilnehmenden zeigten sich vom Rundgang begeistert. Thomas Griner aus Lauwil meinte: «Die Geschichte zeigt, dass die Arboldswiler schon früher etwas hervorgebracht und dabei eine Cleverness an den Tag gelegt haben.» Hans Schweizer aus Hölstein ist Bürger von Arboldswil und war als ehemalige Lehrperson vor allem von der Geschichte des Schulhauses angetan, während sein Cousin Martin Schweizer, «Ureinwohner» von Arboldswil, wie er sich bezeichnet, Rémy Suter stundenlang zuhören könnte. So ist es wohl allen an diesem spannenden Abend ergangen.

Der Verein Region Wasserfallen Juraparadies

emg. Der Verein Region Wasserfallen Juraparadies koordiniert, vernetzt und vertritt die Interessen der Gemeinden sowie der Anbieterinnen und Anbieter im Perimeter. Er hilft mit, die einmalige Landschaft des Juranordbogens als Natur- und Kulturlandschaft zu erhalten und weiterzuentwickeln. Der Verein pflegt und unterstützt den Ausbau touristischer Angebote und leistet somit einen wertvollen Beitrag zur Identifikation mit der Region Wasserfallen. Er arbeitet eng mit Baselland Tourismus zusammen.
Der Verein organisiert in diesem Jahr mit den Partnern Autobus AG und Baselland Tourismus verschiedene Führungen und Erlebnisangebote, so am 11. Mai eine Wildbeobachtung mit dem Jäger in Waldenburg, am 17. September eine geführte Wanderung zur Ruine Rifenstein sowie am 21. Oktober einen «Stedtli»-Rundgang durch Waldenburg.

Geschichten machen ein Dorf reich

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