Hochwald | Gedenkfeier zum 50. Jahrestag des Absturzes eines Charterflugzeugs

Am Ostermontag wurde in Hochwald der 108 Opfer gedacht, die der Absturz eines britischen Charterflugzeugs vor 50 Jahren forderte. Gegen 200 Teilnehmende, darunter rund 30 aus England angereiste Angehörige und Freunde von Todesopfern, nahmen am Gedenkanlass teil.

André Frauchiger

Alle wissen es, die am Ostermontagmorgen bei strahlendem Sonnenschein zum Gedenkanlass an den schlimmsten Flugzeugabsturz der Schweiz auf die Herrenmatt ob Hochwald kommen: Hier haben im Jahr 1973 108 Menschen aus der Gegend von Bristol ihr Leben verloren, als sich ihr Flugzeug wegen zu geringer Flughöhe in den Baumwipfeln verfing, sich überschlug und in den Wald abstürzte. 37 Passagiere überlebten den Absturz, da Teile des Flugzeughecks nicht zertrümmert wurden. Der vordere Teil der Chartermaschine des Typs Vickers Vanguard 952 – sie gehörte zur Flotte der Gesellschaft Invicta International – hatte sich in den Waldboden gebohrt und war dabei praktisch vollständig zerstört worden.

Unfallursache weiterhin unklar
Der Hauptgrund für den Absturz konnte bis heute nicht eindeutig ermittelt werden. Fest steht lediglich, dass das schlechte Wetter – Schneefall und Nebel –, ungenügend funktionierende Geräte im Flugzeug und ein fataler Irrflug der überforderten beiden Piloten mit zum Unglück beigetragen haben dürften. Die Piloten hatten sich kurz vor 10 Uhr beim Flughafen Basel-Mulhouse zur Landung angemeldet. Der Landeversuch misslang aber wegen des schlechten Wetters und entsprechender Sicht – die Piloten mussten die Maschine durchstarten. Beim zweiten Landeanflug müssen die Piloten offenbar die Kontrolle und die Orientierung verloren haben, denn sie flogen viel zu tief und statt in Richtung Norden gegen Süden, bis zum Crash.

Die 139 Passagiere und 6 Besatzungsmitglieder waren rund 105 Minuten vor dem Absturz in Bristol gestartet und wollten im Rahmen eines Shopping- und Sightseeing-Tages an der gleichentags eröffneten Schweizer Mustermesse teilnehmen und auch noch zum Einkauf nach Luzern fahren. Es waren viele Frauen und Kinder dabei, unter anderem der Frauenverein aus dem südenglischen Ort Axbridge.

Gedenkfeier mit Angehörigen
Zur diesjährigen 50-Jahre-Gedenkfeier vom Ostermontag hat die Gemeinde Hochwald rund 30 englische Angehörige und Freunde von Opfern eingeladen. Marlene Vögtli, die frühere Gemeindepräsidentin von Hochwald, hat im Lauf der letzten Jahrzehnte alle kennengelernt und begrüsste sie am Montag.

Vor 50 Jahren hatte Vögtli im australischen Sydney gearbeitet. Als sie damals in australischen Zeitungen vom Unglück in ihrem Dorf erfahren habe, sei ihr das Herz fast stehengeblieben. Ein Jahr später kehrte sie nach Hochwald zurück und nahm sich in den folgenden Jahrzehnten der Gedenkanlässe an.

Der 74-jährige Stephan Wyss steht mit dunkler Sonnenbrille still im Kreis der an der Gedenkfeier Teilnehmenden. Er sei als Feuerwehrmann mit einem Trupp der Feuerwehr Arlesheim an den Aufräumarbeiten an der Absturzstelle beteiligt gewesen, erzählt er der «Volksstimme». «Es schaudert mich immer noch, wenn ich mich daran erinnere, was ich alles gesehen habe», sagt er. «Ich habe noch alles präsent.»

Gary Fudge ist mit seiner ganzen Familie aus Bristol hergereist. Beim Absturz seien zwei seiner Tanten ums Leben gekommen, sagt der Brite. Er sei beim Unglück zwar erst acht Jahre alt gewesen. Aber er könne sich gut daran erinnern, dass seine Familie während Wochen in einer Art Schockzustand gewesen sei. Das Leid, die Trauer seien riesig gewesen. Als er dies sagt, wischt er sich eine Träne aus den Augen. Gary Fudge sagt aber auch, dass das Leben trotz allen Trauerns und Gedenkens weitergeht – und lässt sich neben dem mit frischen Blumen und Kränzen geschmückten Denkmal mit einem diskreten Lächeln mit seiner Frau und seinen Kindern zusammen fotografieren.

Die offizielle Begrüssung beim Denkmal neben der Absturzstelle übernimmt der amtierende Gemeindepräsident von Hochwald, Georg Schwabegger. Noch heute, ein halbes Jahrhundert nach dem Unglück, löse es Erschütterung aus. Dies nicht nur bei Angehörigen und Freunden der Opfer, sondern auch bei den vielen Helferinnen und Helfern. Das Unglück sei sehr einschneidend im Leben aller Betroffenen und Beteiligten.

Botschafter lobt Helfende
Der aus dem Schwarzbubenland stammende Solothurner Regierungsrat und Landammann Remo Ankli unterstrich im Namen der Kantonsregierung die Bedeutung der Anteilnahme über Jahrzehnte hinweg: «Das Gedenken ist wichtig, Freude und Trauer gehören im Leben dazu.» Die im Lauf der Zeit gewachsenen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Personen aus Hochwald und dem Umland und den Betroffenen in Südengland müssten weiterbestehen und gepflegt werden.

Der britische Botschafter in der Schweiz, James Squire, lobte insbesondere die Schweizer Helferinnen und Helfer bei der Katastrophe, ebenso die grosse medizinische Hilfe und Betreuung, die den Überlebenden zuteilgeworden seien.

Es folgten mehrere Kranzniederlegungen der verschiedenen Beteiligten – darunter Angehörige, britische Botschaft, Gemeinde, Kanton, verschiedene Feuerwehren. Den sehr feierlichen musikalischen Rahmen bot der Musikverein Concordia Dornach unter der Leitung von Balestro Cereghetti. Im Anschluss an die Gedenkfeier am Absturzort lud die Kirchgemeinde Hochwald zu einem Gottesdienst ein.

«Es schaudert mich heute noch»

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title