Gasthof Rössli wird von Sterne-Koch Vittorio Conte weitergeführt

Der Gasthof Rössli in Zeglingen nimmt am 3. März seinen Betrieb wieder auf, es wird ein spezieller Tag in der Geschichte des Hauses sein: Mit Vittorio Conte übernimmt ein Sterne-Koch die Rolle des Gastgebers.

Jürg Gohl

Judith Gysin und Vittorio Conte sitzen im Gasthaus Rössli und beugen sich über verschiedene Papiere. Hier – vorerst in italienischer Sprache – eine mögliche Speisekarte. Die beiden diskutieren über dies und das. Fest steht etwa, dass das Haus jeweils von Dienstag bis Freitag ganztags geöffnet sein wird, am Samstag nur abends; und Sonntag und Montag bleibt es geschlossen. Von einem eigentlichen Eröffnungsfest am 3. März wollen sie absehen (die «Volksstimme» berichtete). Der Saal mit seinen Löw-Wandbildern im ersten Stock? Nur für Bankette.

Die neue Website sei bereit, Personelles kommt zur Sprache, vielleicht doch ein Inserat? Gemeinsam wird ein Text für den Gemeindeanzeiger korrigiert und ergänzt. Das alte Logo soll auch das neue sein, unten einfach ergänzt mit dem Namen des Kochs. Es wird auffallend viel gelacht. Judith Gysin, mit ihrer Familie Besitzerin des Gasthauses, ist mit der gleichen Begeisterung dabei, mit der sie noch vor Corona selber in der Küche stand. Bei Vittorio Conte, dem neuen Pächter, Gastgeber und vor allem Koch, sprudeln die Ideen.

«Ich helfe ihm, wo ich kann, und organisiere mit. Aber in die Küche werde ich mich garantiert nicht mehr stellen oder ihm dreinreden», sagt Gysin und schiebt ihrem Nachfolger und Pächter symbolisch einen riesigen Schlüssel zu. Conte freut sich auf seine neue Aufgabe und auf ein völlig neues Kapitel in seiner Karriere als Koch. Vier Jahre lang arbeitete er bis Ende 2022 in der «Osteria TRE» in Bubendorf. Vor zwei Jahren löste er Küchenchef Flavio Fermi mit Erfolg ab, denn die Küche erhielt erneut einen Michelin-Stern – als einzige im Baselbiet neben dem «Schlüssel» in Oberwil und dem «Le Murenberg», ebenfalls in Bubendorf.

Hinterfragender Sterne-Koch
Dass ein junger, mit einem Stern dekorierter Koch ausgerechnet die Beiz in einer 500-Seelen-Gemeinde am Rand des Kantons übernimmt, sorgt nicht nur in Zeglingen, sondern auch in der regionalen Gastro-Szene für Verwunderung. Es sei sehr schnell gegangen. Eine «Rössli»- Nachbarin wies ihn auf die Möglichkeit hin, es kam in der Altjahrswoche zu einem ersten Gespräch und am 20. Januar wurde unterschrieben. Beide denken an eine längerfristige Lösung, die durchaus in einer Übernahme münden könnte.

Dass es den Sternekoch nun plötzlich aus dem Rampenlicht nach Zeglingen treibt, liegt vor allem daran, dass er für sich selber die Spitzengastronomie immer mehr zu hinterfragen begann. «Nirgends wird so viel Food Waste betrieben wie dort», sagt er und zeichnet dazu auf ein Blatt, wie viel Prozent eines rohen Rüblis auf dem Teller und wie viel im Abfall landet. «Beim Fleisch ist der Qualitätsunterschied zu gering, um es aus Übersee zu importieren», hadert er weiter. Im «Rössli» soll wie schon zuvor vorwiegend Regionales in der Pfanne landen.

«Null-Kilometer-Küche»
Immer kritischer blickte er auf das Getöse um Spitzenköche, das Schickimicki und auch den Neid in der Branche. Nun zog er für sich einen Schlussstrich. Kaviar und Gänseleber? «Nein», sagt er entschieden und spricht von einer Null-Kilometer-Küche. Dafür nimmt er auch in Kauf, aus einer hochmodern eingerichteten Küche mit grosser Brigade an einen Holzherd zurückzukehren. Vittorio Conte freut sich zudem, neben dem Kochen auch als Gastgeber zu wirken und sich ins Dorfleben zu integrieren. Der Italiener wuchs – übrigens als Sohn einer Sissacherin – im nicht viel grösseren Dörfchen Grottolella bei Avellino auf, erlernte von seinem Grossvater das Metzgerhandwerk und fand so allmählich zu seinem heutigen Beruf.

Im «Rössli» wird er seine Gourmet-Küche weiterführen, zumal ihm viele seiner bisherigen Gäste versprochen haben, mal den Weg nach Zeglingen auf sich zu nehmen. Während er aber in Bubendorf auf die italienische Küche fixiert war, möchte er wieder ein breiteres Spektrum abdecken. Wenn die Gäste reihenweise Wienerschnitzel wünschen, dann werde es Wienerschnitzel geben. Neben dem Gourmet-Teil führt er parallel die «Dorfbeiz», in der man sich trifft, Vereine den Durst löschen und man etwas isst. Für die Qualität des Essens bürgt er. «Ich führe ja nicht gesondert eine Beizen- und daneben eine Feinschmecker-Küche», sagt er, «das ‹Rössli› erhält eine Gourmet-Küche, wird aber nicht zum Gourmet-Restaurant.»

Gourmet-Küche in der Dorfbeiz

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