Die «Schreibstube» hilft, wo Menschen und Fachstellen an Grenzen stossen

Die «Schreibstube» des Roten Kreuzes Baselland ist seit vergangener Woche im Raum der Pfarrei Bruder-Klaus in Liestal zu finden. Hier finden Menschen insbesondere für Korrespondenzen, Jobund Wohnungssuche Hilfe – leicht zugänglich und kostenlos.

Lara Uebelhart

Mit dem Projekt Schreibstube soll Menschen geholfen werden, die konkrete bürokratische Unterstützung brauchen. Das kostenfreie Angebot bietet ein Auffangnetz für Fälle, die von anderen Behörden entweder nicht abgedeckt sind oder einfach zeitlich nicht drinliegen. Die «Schreibstube» wurde Ende 2017 von Corinne Böhler und Lisa Faust ins Leben gerufen und ist nun seit Frühling dieses Jahres beim Roten Kreuz Baselland integriert. Seit vergangener Woche ist sie in Liestal an einem neuen Standort zu finden, im Raum der Pfarrei Bruder-Klaus, direkt neben der katholischen Kirche.

Der Wechsel sei aus Kapazitätsgründen nötig gewesen, erzählt die Gründerin Corinne Böhler. Am früheren Standort, dem syrischen Restaurant Aleppo im Liestaler «Stedtli», hätten die Leute teilweise Schlange gestanden. Jetzt hat sich die «Schreibstube» also vergrössert; der Ansturm bleibt aber aus. Denn auch hier zeigt die Coronakrise ihre Auswirkungen. «Wir mussten ein telefonisches Anmeldeverfahren einführen, was zu einer Abnahme von Anfragen geführt hat», so Böhler. Der obligatorische Anruf würde für viele Menschen eine zu grosse Hürde darstellen. Für die «Schreibstube», die bewusst eine möglichst grosse Zugänglichkeit bieten will, keine einfache Situation.

Das Anmeldeverfahren muss noch eine Weile bestehen bleiben. Die Hoffnung, bald wieder mehr Menschen zu erreichen, bleibt. Allerdings betont Eva Maienfisch, eine freiwillige Mitarbeiterin: «Die ‹Schreibstube› findet auch dann statt, wenn wir nur eine einzige Anmeldung haben.»

Warum Freiwilligenarbeit?
Eva Maienfisch arbeite nun seit einem halben Jahr regelmässig in der «Schreibstube». Die pensionierte Mutter und seit Kurzem auch Grossmutter ist mit ganzem Herzen dabei. Bereits vor ihrer Pensionierung habe sie geplant, im Ruhestand ihren Fokus auf Benevol-Arbeit zu legen. So ist sie momentan nicht «nur» in der «Schreibstube» anzutreffen, sondern setzt ihre Fähigkeiten in weiteren sozialen Engagements wie Coachings oder Deutschunterricht für Fremdsprachige ein.

Die Arbeit in der «Schreibstube» ist für die 64-Jährige eine Möglichkeit, ihre Talente und Qualifikationen aus dem Berufsleben gezielt einzusetzen. Die ehemalige Progymnasial-Lehrerin und Mitarbeiterin in einer Life-Sciences-Firma kann besonders von pädagogischen und auch technologischen Vorkenntnissen profitieren. Denn die Arbeit in der «Schreibstube» erfordert in einer digitalisierten Welt neben guter Kommunikation, Offenheit und Geduld eben auch einen guten Umgang mit Sprache und Computer. Zwei Dinge, die häufig die Gründe für Überforderung darstellen.

Gemeinsam zum Ziel kommen
Die Beratungen finden jeweils montags von 9.00 bis 10.30 Uhr und mittwochs von 15.00 bis 16.30 Uhr statt. Am häufigsten werden in den 45-minütigen Beratungsgesprächen in der «Schreibstube» Anliegen bezüglich Job- oder Wohnungssuche besprochen. Es gebe aber auch oft Fälle, wo die Hilfesuchenden mit einem Brief ankommen, dessen Inhalt sie nicht verstehen. Wer kennt es nicht: Amtliche Schreiben werfen häufig mehr Fragen auf, als sie beantworten.

In diesen Momenten der Unsicherheit, Überforderung oder sogar Angst und Not kommt die «Schreibstube» ins Spiel. «Wir bieten konkrete Unterstützung bei Korrespondenzen. Sozialbehörden haben die Zeit dafür oft nicht», so Maienfisch. Dabei gebe es immer wieder Hürden, die es zu überwinden gilt. So bestehe häufig eine Sprachbarriere, die es erschwert, herauszufinden, was eine bestimmte Person braucht. Die Beratungen würden aber ausschliesslich auf Deutsch geführt. «Es ist wichtig, dass die Menschen lernen, wie die Dinge hier in unserer Sprache benannt werden», erklärt Maienfisch.

Was die «Schreibstube» aber vor allem von anderen Beratungsstellen abhebt, ist ihre praktische Orientierung. So werden in den Sitzungen gemeinsam Bewerbungsunterlagen erstellt oder auch mal direkt ein Telefonat getätigt. «Die ‹Schreibstube› bleibt nicht auf der theoretischen Ebene. Sie ist eine praktische, konkrete Hilfe in der Not», sagt Maienfisch. Bei manchen Situationen stosse aber auch die «Schreibstube» an ihre Grenzen, beispielsweise bei rechtlichen Auskünften. Dort hat sie dann eine vermittelnde Funktion und kann die Menschen an die betreffende Fachstelle weiterleiten.

Die «Schreibstube» hat nicht nur für die Hilfesuchenden einen Effekt auf das eigene Leben. Für die Freiwillige Eva Maienfisch ist die Arbeit in der «Schreibstube» eine Bereicherung. «Es gibt auch manchmal schwierige Situationen. Aber die Momente, in denen jemand zufrieden und ruhiger wieder rausgeht, sind sehr schön», sagt sie.

Besonders wertvoll finde sie den Kontakt mit anderen Menschen und Kulturen. «Das verändert dich. Es macht dich reich.»

Unterstützung bei überforderndem Papierkram

Image Title

Möchten Sie weiterlesen?

Ja. Ich bin Abonnent.

Ja. Ich benötige ein Abo.

Article

Image Title