Jason Protheroe beeindruckt mit seinen Naturbildern

Tauchlehrer, Zimmermann, Informatiker, Naturfotograf und Renovierer seines jahrhundertealten Hauses im Waldenburger «Stedtli» – Jason Protheroe macht alles «hands on»: Gut zuschauen, lernen und dann einfach machen.

Sebastian Wirz

«I’m a scanner», sagt Jason Protheroe, nachdem er ein paar Sekunden um Worte gerungen hat. Manche Sätze kommen bei ihm nun mal immer noch besser auf Englisch raus. Auch nach rund 25 Jahren in der Schweiz, wohin er gekommen ist, weil der Engländer als Tauchlehrer auf Malta eine Unterbaselbieterin kennengelernt hatte. «Bei ihrem Bruder konnte ich als Zimmermann arbeiten», sagt Protheroe, «und meine Scanner-Qualitäten kamen zum Tragen. So nennen wir in Grossbritannien jemanden, der gut abschauen und nachmachen kann.»

Diese Fähigkeit prägt das Leben des 47-Jährigen. Er lernte schnell Deutsch («Nach der Arbeit auf dem Bau sprach ich schweizerdeutsch»), fand aber am Ende wegen seiner Muttersprache einen Job bei einem Basler Pharma-Riesen. «Seither spreche ich wieder schlechter deutsch, weil alles auf Englisch funktionierte – und ich mit meiner Frau ein Gemisch spreche.»Trotz fehlender Ausbildung wurde er im Unternehmen durch sein «Scanning» bald zum Informatiker. Zum Vorteil gereichte ihm die Eigenschaft auch, als er sich zum Programmieren einer Lesesoftware für Medikamentenverpackungen kurzerhand Blindenschriften aneignen musste. Er hat irgendwie schon alles gemacht. Und brachte irgendwie alles hin.

«Hands on» – einfach machen
Jason Protheroe muss auch heute noch lernen. Mit seiner Frau hat er in Waldenburg ein rund vier Jahrhunderte altes Haus neben dem Pfarrhaus gekauft. Als die beiden merkten, dass man einerseits durch Risse in der Wand ins angrenzende Nebenhaus sehen konnte und ein Umbau andererseits bedeuten würde, dass zwischen die beiden Häuser eine Brandschutzmauer hochgezogen werden müsste, welche die uralte Bausubstanz verbergen würde, kauften sie kurzerhand auch das zweite Haus. «Hands on.» Einfach machen.

Das ist bald fünf Jahre her. Und wer Protheroe im alten Gemäuer besucht, merkt: Das Haus ist sehr schön, aber noch lange nicht fertig ausgebaut. «Je länger wir hier wohnen, desto besser merken wir, was wo sein muss», sagt der Hausbesitzer. Er macht nicht nur fast alle handwerklichen Arbeiten selbst, sondern mittlerweile auch die Planung. «In England ist der Umbau von Wohneigentum viel weiter verbreitet als hier in der Schweiz», sagt er, «ich bin damit aufgewachsen, dass ständig Dinge umgebaut, erneuert und angebaut wurden. Bei meinem Vater habe ich diesbezüglich viel abgeschaut.» Und jetzt macht er einfach.

Jason Protheroe und seine Frau rissen alles aus dem denkmalgeschützten Gebäude an der Pfarrgasse, füllten drei riesige Mulden und sahen von unten bis unters Dach. Im Dachstock stellte sich heraus, dass die beiden Häuser ursprünglich Hälften eines einzigen Hauses gewesen waren, die vor langer Zeit getrennt wurden. «Wir finden immer wieder Spuren der Geschichte», sagt der Renovierer. Zwei durchweg verkohlte Balken deuten auf einen massiven Brand hin, den bisher niemand in einer Chronik finden konnte; beim Abklopfen des Verputzes kam plötzlich ein Loch hervor, das an einen Ofen erinnert – ein Kamin sucht man an dieser Stelle aber vergebens. «Und ausgerechnet als eine Archäologin hier war, fiel ein Knochen aus der Wand», sagt Protheroe und lacht. Zuerst hätte es wie ein menschlicher Knochen ausgesehen, aber es war zum Glück doch der eines Tiers – warum auch immer der eingemauert war.

Der Umbau hat sich zu einem Hobby und zu einem Full-Time-Job des ehemaligen Pharma-Informatikers entwickelt. Doch eigentlich sollte die Reduktion seines Anstellungsverhältnisses, das er mittlerweile ganz gekappt hat, zugunsten eines anderen Hobbys ausfallen: der Fotografie. Oder der Naturfotografie, um genauer zu sein. Denn Menschen könne er überhaupt nicht ablichten, «da zittert mein Finger und ich kann physisch nicht abdrücken. Irgendwie schaffe ich es nicht».

Viel eher finden sich Uhus im Baselbiet oder Flamingos in der Camargue auf seinen Bildern. Oder der Wald. «In jüngerer Vergangenheit bin ich begeistert von den Wäldern rund um Waldenburg. Ich habe so viele kleine Wasserfälle gesehen wie zuvor in meinem ganzen Leben nicht. Und niemand kennt sie», ist der Fotograf überzeugt.

Umringt vom Gämsen
Wenn es schön ist, macht er sich auf in den Wald. Unter «schön» versteht Protheroe aber etwas anderes als die meisten Menschen. «Sommer und Sonnenschein sind schwierig für mich. Dann gehe ich irgendwo ins Kaltbrunnental oder so», sagt er. «Schön» heisst für ihn «etwas grau, dunkel, mit Wolken und somit stimmungsvoll».

Mal weiss Jason Protheroe genau, was er sucht, weil ihm seine Kontakte etwa gesagt haben, es sei ein bestimmter Vogel unterwegs, oder weil er gemäss Wetterbericht erwartet, dass der Nebel an Ort X genau auf der richtigen Höhe liegt für ein Nebelmeer-Bild. Mal geht er einfach in die Natur und lässt sich inspirieren. Dabei kann er gut und gerne Stunden am Ort warten, bis zum Beispiel die Sonne am perfekten Ort steht. Geduld ist eine zweite wichtige Eigenschaft für den «Einfach-Macher». Mehr als ein Jahr lang wartete er etwa auf die Möglichkeit, auf seinem damaligen Arbeitsweg in Basel ein Bild eines Graureihers im Rhein zu machen, mit Hafen und Industrie im Hintergrund.

Protheroes Bilder sind auf seiner Website und auf Instagram zu bewundern, wobei er diese Plattform eigentlich nicht für geeignet hält: «Auf dem Smartphone ist alles so klein. Meine Bilder brauchen Platz.» Platz finden sie nun ab April monatlich in Form der Serie «Momente eines Klicks» in der «Volksstimme».

Beim Fotografieren in der Natur kommt es zu Situationen, in denen sich auch der «Scanner» Jason Protheroe nicht mehr zu helfen weiss. Auf der Suche nach Gämsen lag er etwa auf einer Wiese auf der Lauer. Ein Objektiv im Anschlag, mit dem er ab 20 Metern Distanz zu einem Tier perfekt abdrücken könnte, und in kompletter Tarnausrüstung. Vielleicht war er zu gut getarnt, denn plötzlich merkte er, dass er mitten in einer Herde war. «Ich hätte die Gämsen anfassen können», sagt Protheroe, «aber an ein Bild war wegen des falschen Objektivs nicht zu denken.» Als er sich bewegte, rannten die Gämsen davon. Statt eines eindrucksvollen Fotos blieben nur unbrauchbare, verschwommene Aufnahmen, welche die Flucht der Tiere nur erahnen liessen – und solche Bilder würde der stolze Fotograf nie zeigen. Auch wenn sie als Beweis der Begegnung mit den Wildtieren dienen würden.

MOMENTE EINES KLICKS

In jüngster Zeit wird der Himmel aufgrund der höheren Temperaturen klarer. Kein einfacher Moment, um diese Kolumne zu beginnen. Denn diese wechselnden Wetterbedingungen ändern auch den Fokus meiner Inspiration.

Ich fange an, meine Aufmerksamkeit wegzuführen von weiten, offenen Landschaften und richte sie vermehrt auf Details, welche die Landschaft gerade jetzt so einmalig machen. Details, die oft übersehen werden.

Dieses erste Foto habe ich während meiner liebsten Tageszeit aufgenommen. Früh am Morgen bin ich am liebsten draussen unterwegs. Wenn ich vor Sonnenaufgang durch die Wälder und Wiesen wandere, entsteht ein wunderbares Gefühl der Erwartung, das mit dem Anbruch des neuen Tages einhergeht. Es ist die Zeit des Tages, in der man noch einen Fuchs am Waldrand entlang huschen sehen kann und sich die Rehe noch auf den offenen Feldern tummeln. Die gespenstische Stille der Nacht wird durch das Morgenkonzert der Singvögel durchbrochen.

Ausserdem zeigt das Bild die Veränderung meiner Aufmerksamkeit auf der Suche nach einer Komposition. Da ist zum einen der Blick auf Details in Form der zarten Schlüsselblume, welche die ersten Sonnenstrahlen in ihren Blütenblättern einfängt. In Kombination mit den Tautropfen auf den Grashalmen, die das Morgenlicht einzufangen vermögen, entsteht im Vordergrund eine funkelnde, juwelenartige Textur.

Gleichzeitig zeigt es diesen besonderen Tagesmoment, wenn es zum Ende der Nacht im Hintergrund noch kühl ist, sodass mit der gleichzeitigen Wärme des Sonnenaufgangs ein leichter Dunst aufsteigt. Dadurch erscheinen die Hügel wie Schichten und erst auf den zweiten Blick ist die Ruine Waldenburg innerhalb dieser Schichten als Silhouette zu erkennen.

Ein bunter Hund mit viel Geduld

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