Wann wird aus Vorbeifahren Überholen?
05.01.2021 Baselbiet, Polizei, Verkehr, SchweizAm 1. Januar sind mehrere neue Verkehrsregeln in Kraft getreten
Auf der Autobahn ist es neu erlaubt, rechts an Kolonnen vorbeizufahren. Doch nicht mal alle Fahrlehrer sind sich im Klaren, ab wann aus Vorbeifahren Überholen wird. Das berge juristisches ...
Am 1. Januar sind mehrere neue Verkehrsregeln in Kraft getreten
Auf der Autobahn ist es neu erlaubt, rechts an Kolonnen vorbeizufahren. Doch nicht mal alle Fahrlehrer sind sich im Klaren, ab wann aus Vorbeifahren Überholen wird. Das berge juristisches Konfliktpotenzial.
Tobias Gfeller
Ein Jahreswechsel bringt immer Gesetzesänderungen und -anpassungen mit sich – gerade auch im Strassenverkehr. In diesem Jahr sind es besonders viele. Am meisten zu reden gibt die neue Erlaubnis, auf der Autobahn rechts an Fahrzeugkolonnen vorbeizufahren. Das Rechtsüberholen bleibt verboten, wird aber nicht mehr so drastisch gleich mit einem Führerscheinentzug, sondern mit einer Ordnungsbusse von 250 Franken bestraft. Mit einer Gefährdung verbundene Fahrmanöver werden weiterhin zur Anzeige gebracht beziehungsweise der zuständigen Staatsanwaltschaft rapportiert.
Mit der neuen Regelung soll der Verkehrsfluss erhöht werden, erklärt Roland Walter, Mediensprecher der Baselbieter Polizei. «Die vorliegende Massnahme soll bewirken, dass die bestehende Infrastruktur besser ausgelastet wird und gleichzeitig unnötige Fahrstreifenwechsel vermieden werden können.»
«Definition zu wenig klar»
Doch wann wird aus Vorbeifahren Überholen? Nach wie vielen Metern oder Kilometern darf man nach dem Vorbeifahren wieder auf die linke Spur wechseln? Genau diese Fragen stellt sich auch der Sissacher Fahrlehrer Toni Suter. «Ich befürchte, die neue Regelung bringt ziemliches Juristenfutter mit sich.» Streng genommen dürfe man ja nach dem Vorbeifahren nie mehr auf die linke Spur wechseln, gibt Suter zu bedenken. «Für mich ist die neue Regelung zu schwammig formuliert, die Definition zu wenig klar.» Das mache es auch im theoretischen und praktischen Unterricht schwer, den Fahrschülerinnen und -schülern die neue Regelung zu erklären.
Fahrlehrerin Cornelia Zumbrunn aus Zunzgen begrüsst die Erlaubnis zum Rechtsvorbeifahren. Die Frage, ab wann aus Vorbeifahren Überholen wird, sei zwar berechtigt, aber für sie scheint die Regelung relativ klar. Ein grösseres Problem sieht sie künftig beim Spurwechsel nach rechts. «Autofahrerinnen und Autofahrer sind es nicht gewohnt, dass von rechts hinten ein Fahrzeug kommen kann.» Der Kontrollblick nach rechts beim Spurwechsel werde noch unverzichtbarer.
Fahrlehrer Roger Schreiber aus Gelterkinden teilt diese Befürchtung nicht. «Man muss sich generell beim Spurwechsel immer absichern – ob nach rechts oder links.» Die neue Regelung thematisiert er mit seinen Fahrschülerinnen und Fahrschülern schon seit Längerem. Schreiber begrüsst die Erlaubnis zum Rechtsvorbeifahren ausdrücklich. «Damit können die Kapazitäten der Autobahnen besser ausgenutzt werden.»
«Einheitlicher Tatentschluss»
Dass aus Vorbeifahren Überholen wird, müsse das Manöver «Ausschwenken, Vorbeifahren und Wiedereinbiegen» von einem einheitlichen Tatentschluss umfasst sein, erklärt Roland Walter von der Baselbieter Polizei. «Das Rechtsüberholen muss in einem Zug geschehen.» Eine in Meter gefasste Distanz habe der Gesetzgeber nicht festgelegt. Die Rechtsprechung werde in den kommenden Jahren dazu die Handhabung präzisieren.
«Die geforderte gebotene Vorsicht verlangt auch, dass der Geschwindigkeitsüberschuss beim Rechtsvorbeifahren in einem engen Rahmen bleibt», präzisiert Walter. Der Polizeisprecher erinnert aber daran, dass Rechtsvorbeifahren nur bei Kolonnenverkehr gestattet ist. «Verboten bleiben alle anderen Fälle des Rechtsvorbeifahrens.» Die Polizei empfehle weiterhin, auf der rechten Fahrspur zu fahren und nur während des Überholmanövers den linken Fahrstreifen zu nutzen. Wie genau die Baselbieter Polizei die neue Regelung in der Praxis kontrollieren wird, sagt Roland Walter nicht. «Die Polizei Basel-Landschaft wird mit Augenmass die neuen Regeln überprüfen.»
Velofahrer dürfen bei Rot rechts abbiegen
gfe. Für die Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer sind neue Verkehrsregeln immer eine grosse Herausforderung, da sie diese zuerst selber studieren und dann ihren Fahrschülern vermitteln müssen. Sie begrüssen aber grundsätzlich, dass Verkehrsregeln immer wieder angepasst werden, da sich Verkehrsverhalten, Verkehrsaufkommen und die Mobilität grundsätzlich laufend verändern.
Neben der Erlaubnis zum Rechtsvorbeifahren gilt seit dem 1. Januar auf Autobahnen das Reissverschlussprinzip, wenn eine Spur abgebaut werden muss. Automobilisten müssen die Fahrzeuge am Ende der abbauenden Spur einschwenken lassen, damit ein frühzeitiges Spurwechseln und somit Rückstau verhindert wird. Zudem gilt künftig die Pflicht, eine Rettungsgasse zu bilden. Dabei darf der Pannenstreifen nicht belegt werden. Das Nichtbeachten dieser Änderungen wird mit einer Ordnungsbusse geahndet.
Velofahrern ist es neu gestattet, bei entsprechender Kennzeichnung an Ampeln bei Rot rechts abzubiegen. Ausserdem dürfen Kinder bis zwölf Jahre mit dem Velo auf dem Trottoir fahren, falls kein Veloweg oder Velostreifen vorhanden ist. Parkplätze für Elektrofahrzeuge dürfen ab nächstem Jahr grün eingefärbt werden. Damit soll die Suche für Parkplätze mit Ladestationen erleichtert werden. Ebenfalls neu eingeführt wird ein entsprechendes Symbol, das die Abstellflächen kennzeichnet. Neu dürfen gebührenpflichtige Parkfelder auch auf Motorräder und schnelle E-Bikes ausgedehnt werden. Für leichte Motorfahrzeuge mit Anhänger bis 3,5 Tonnen wurde die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 auf 100 Stundenkilometer erhöht, sofern Zugfahrzeug und Anhänger für diese Geschwindigkeit zugelassen sind.