Sein Weltbild dokumentiert ein Menschenbild
23.10.2020 Baselbiet, SissachRoland Busers Buch«Der Mensch im Kosmos» fasziniert und regt zum Denken an
Das Werk «Der Mensch im Kosmos» von Roland Buser, dem emeritierten Professor für Astronomie, ist in zweiter Auflage erschienen. Der emeritierte Soziologieprofessor Ueli Mäder zeigt sich in seiner Besprechung ...
Roland Busers Buch«Der Mensch im Kosmos» fasziniert und regt zum Denken an
Das Werk «Der Mensch im Kosmos» von Roland Buser, dem emeritierten Professor für Astronomie, ist in zweiter Auflage erschienen. Der emeritierte Soziologieprofessor Ueli Mäder zeigt sich in seiner Besprechung des Buchs begeistert. Buser und Mäder kennen sich schon eine halbe Ewigkeit. Beide haben ihre Wurzeln in Sissach.
Ueli Mäder, Soziologe
Roland Buser ist Astronom und Philosoph. Er denkt geistes- und naturwissenschaftliche Zugänge dialogisch zusammen und lässt uns daran teilhaben. Sein Weltbild dokumentiert ein Menschenbild. Und umgekehrt, sein Menschenbild dokumentiert ein Weltbild. Sein und Bewusstsein sind historisch entstanden und dialektisch miteinander verwoben.
Die Kosmische Evolution reicht weit zurück: rund 15 Milliarden Jahre. Das ist eine schier unvorstellbare Zeitspanne. Sie gehört zur Geschichte der Menschheit. Unser Werdegang setzt früh ein. Anno dazumal gab es noch keine Erde, kein Leben und kein Bewusstsein. Das Universum entstand aus einem Urknall. So lautet eine gängige Annahme. Gewaltiges ist offenbar aus geballtem Energiepotenzial gediehen. Wer die Gegenwart verstehen und eine mögliche Zukunft antizipieren will, muss die Vergangenheit einbeziehen. Der historische Kontext beeinflusst uns. Er tut dies allerdings nicht einfach nur deterministisch oder kausal. Was uns einerseits entlastet und andererseits besonders verpflichtet. Denn wir sind für das verantwortlich, was wir tun, ohne alles verantworten zu müssen. Die Entwicklung liegt nicht nur in unseren eigenen Händen, sie liegt aber auch in unseren eigenen Händen. Zudem in unseren Herzen und Hirnen, wie Roland Buser betont. Natur, Struktur und Kultur gehören zusammen. Sie sind eng miteinander verknüpft. Und sie prägen existenziell, was wir aus dem machen, was die Gesellschaft mit uns macht. Sie prägen, wie wir unsere Frei- und Denkräume nutzen und ausweiten. Das geschieht keineswegs linear; eher zyklisch, gegenläufig und unberechenbar. Wer das Helle sucht, muss auch das Dunkle zulassen. Zum Beispiel die Gewalt. Wer sie in die Vergangenheit verbannt, stolpert umso mehr über sie. Vielfältige Gefahren begegnen uns selbst auf dem Weg zum Frieden. Er verläuft weder gradlinig noch eben.
Roland Buser ist emeritierter Professor für Astronomie an der Universität Basel. Er geht in seinem Buch von einer Vorlesungsreihe aus, die er im Jahr 2014 an der Basler Volkshochschule gehalten hat. Seine Vorträge dienen ihm als Grundlage und Gerüst für ein Werk, das ein Lebenswerk ist. In sieben Kapiteln vermittelt Roland Buser ein reichhaltiges Wissen, das er in unzähligen wissenschaftlichen Studien über unsere komplexe Welt erarbeitet hat. Seine faktischen Erörterungen, Gedanken und Erkenntnisse regen dazu an, selbst nachzudenken. Auch darüber, wie wir zu Erkenntnissen kommen und mit der Gefahr umgehen, eigene Vorannahmen und Sicht unbewusst ins Feld zu projizieren, das wir untersuchen. Roland Buser diskutiert, was hilft, sich verstehend sozialen Realitäten anzunähern, die wir stets über eigene Bilder mitkonstruieren. «Von der Dominanz der Bilder» heisst sein Prolog. Er handelt davon, wozu wir Bilder brauchen und wie wir Bilder von der Welt und von uns selbst kreieren. Mechanisch betrachtet scheinen der Mensch und die Welt voneinander getrennte Gegebenheiten zu sein. Roland Buser zeigt indes, wie sehr sie miteinander verwachsen und kommunikativ verbunden sind.
Beitrag zum Frieden
Roland Buser kommuniziert selbst lebendig und begeisternd. Er erreicht breite Bevölkerungskreise auch über seine Beiträge in Massenmedien. In seinem Buch über den Kosmos beginnt er jedes Kapitel mit einer anschaulichen, einfach verständlichen Einführung. Das erste «Thema im Gespräch» fängt mit dem Glauben in der Wissenschaft an. Roland Buser greift hier auf, was er im Jahr 2006 Jugendlichen geantwortet hat. Dies im Rahmen eines Gottesdienstes in der reformierten Kirche in Sissach, wo Roland Buser selbst aufgewachsen ist. Hier erklärt er den Jugendlichen, vor allem einen Beitrag zum Frieden leisten zu wollen. Auch als Physiker und Astronom. Roland Buser wahrt bei seinem wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Engagement kritische Distanz auf alle Seiten. Er legt aber auch transparent dar, wie er sich normativ orientiert. Einfach und klar, keineswegs überhöht.
Im ersten Kapitel seines Buches informiert und sinniert Roland Buser über die «Ästhetik des wissenschaftlichen Welt- und Menschenbildes». Er entwickelt seine Gedanken anhand von Bildern und detaillierten Erläuterungen. Zum Beispiel über Kohlenstoff-Atome, den Basiselementen irdischen Lebens. Roland Buser weckt so Verständnis für dynamische Prozesse und vielfältige Kulturen, die mit Strukturen dialektisch und dialogisch interagieren. Er vermittelt uns den Kosmos zum einen als komplexe Ordnung und zum andern wie ein Kunstwerk. Ein Kunstwerk, das uns staunen lässt und Horizonte öffnet. Ausführungen zum «Zauber des Universums» schliessen stimmig daran an. Das ist das Thema im Gespräch zum zweiten Kapitel über die «Transformation und Dialektik der Bilder».
Wer etwas von der Weite und Ewigkeit spüren will, muss sich Zeit nehmen, stellt Roland Buser im zweiten Gespräch fest. Er nimmt hier ein Interview auf, das er der «Schweizer Familie» (12/2009) gewährt hat. Schon als Bub bewunderte Roland Buser die Sterne, die er uns näherbringt. Er erörtert deren Farbe, Licht und Temperatur. Und erklärt, wie beweglich Fixsterne sind und was das Spannungsverhältnis zwischen Beständigkeit, Wandel und Brüchen charakterisiert. Hinter dem idyllischen Bild verbirgt sich auch viel Gewalt. Sie bleibt uns als Erbstück erhalten und wirkt auch in das hinein, was auf uns folgt und ungewiss ist. Irgendwann kann sogar die Materie so dünn verteilt sein, dass die Schwerkraft keine Verklumpung mehr erreicht. Dann bilden sich keine neuen Sonnen mehr. Dann kühlt das All ab und verdunkelt sich. Bis der letzte Stern erlischt?
Maximum an Erleuchtung
Zum Glück gelingt es Astronomen wie Roland Buser, mit viel Geduld «aus einem Minimum an Licht ein Maximum an Erleuchtung» zu schaffen. Das ist auch deshalb wichtig, weil das, was offensichtlich zu sein scheint, nicht einfach wahr ist. Aber das Suchen nach dem Wahren kennzeichnet das Wissenschaftliche. Leider rücken Bildungsstätten und Hochschulen davon ab, die sich ökonomisieren und bürokratisieren. Als Beispiel dient, wie sich die über 550 Jahre alte Universität Basel ihrer Sternwarte entledigte. Respektlos gegenüber den eigenen Ursprüngen. Und ignorant gegenüber dem, was die Astronomie heute wichtiger denn je macht. Zumal die Bedingungen für weitere Lebewesen im Universum offenbar günstiger sind als bislang angenommen. Das fordert die Astronomie heraus, die sich, über unsere Ursprünge hinweg, auch mit der Astrobiologie befasst. Roland Buser moniert in seinem zweiten Kapitel, gut nachvollziehbar, wie borniert Teile der Wissenschaft zu modischen Lernfabriken mutieren. Er kontrastiert solche Trends überzeugend mit ganz anderen Wandlungen. Er verweist auf vielfältige Transformationen, die Horizonte erweitern und sich differenziert vollziehen. Sie lassen sich auch nur mit feinen Sinnen wahrnehmen und fundiert ergründen.
Im dritten Kapitel setzt sich Roland Buser mit der Kosmischen Evolution auseinander. Zum Verständnis hilft ein einleitendes Gespräch zum Urknall. «Ist die Welt ein Zufallsprodukt und was war vorher?», fragt Denise Battaglia. Sie ist die kongeniale Dialogpartnerin von Roland Buser. Er präzisiert, wie sich der spontane Anfang vorstellen lässt. Ebenso die vorgängige Leere. Sie ist nicht einfach leer. Aus ihrem Potenzial sind Lebewesen entstanden. Ihr Vermögen muss eine Ursache haben. Die Entwicklung gehört zum Kern kosmischer Energie. Sie gehört ebenfalls zu den dialektisch verbundenen Bildern, die sich Menschen über die Welt und über ihr eigenes Wesen machen, das unabdingbar der Freiheit bedarf.
Der Weg zur Freiheit führt über die Kommunikation. Das führt Roland Buser in seinem vierten Kapitel aus. «Wir sind der letzte Schrei des Kosmos», sagt er vorab in einem weiteren Gespräch mit Denise Battaglia. Und er meint damit nicht, dass wir das Beste seien. Nein, «aber wenn man bedenkt, womit es angefangen hat – mit Wasserstoff – und wozu es geführt hat – zu intelligenten Lebewesen –, dann ist man doch einfach überwältigt», präzisiert Roland Buser. Und so dürften wir uns glücklich fühlen, die Metamorphose der Moderne jetzt zu verkörpern. Als winzige Teilchen in einem riesigen Kosmos, der über uns hinaus existiert. Im Kontext seiner Entwicklung ermöglicht uns der Kosmos auch einen Sinn. Er entfaltet sich laut Roland Buser, von Nöten begleitet, in freiheitlicher Richtung. Integrativ wirkt die Kommunikation. Sie verbindet und führt Menschen zusammen.
Wissen und Glauben
«Bildung und Erkenntnis», so lautet das fünfte Kapitel. Nach einem Gespräch mit dem Theologen Walter Mäder, der ebenfalls aus Sissach stammt, «Über den Menschen und Gott und die Welt». Dabei stehen weitere Sinnfragen im Vordergrund. Für Roland Buser muss das Wissen eingebettet sein, damit es einen Sinn bekommt. Wissen und Glauben gehören zusammen, indem sie eine Polarität bilden. Und was als Gewissheit erscheint, ist stets mitkonstruiert. Wie jede Interpretation. Ja sogar: wie jede Frage, schreibt Roland Buser klar und sehr zu Recht. Er unterscheidet sich damit von Forschenden, die für sich eine Objektivität beanspruchen, die nicht einlösbar ist. Was wir sehen, prägt auch mit, wie wir es sehen.
Damit wir uns selbst besser verstehen, sollten wir ab und zu auch den Himmel betrachten. Darauf geht Roland Buser im Gespräch mit der Journalistin Susanna Petrin ein. Und zwar vor dem sechsten Kapitel, in dem er Zusammenhänge zwischen «Erkenntnis und Wissenschaft» ergründet. Wir sind, so Roland Buser, nur eine von vielen Ausgeburten der Entwicklung. Entstanden vor rund 15 Milliarden Jahren. Aus einem Grund, den letztlich niemand versteht. Die Frage, was dahintersteckt, ist wesentlich, aber endlos; zeitlich und räumlich. Sie macht uns hoffentlich bescheiden. Und vermutlich steht noch viel bevor, was das Denken radikal verändert. Ein paar Planeten sind bereits entdeckt. Ein paar von einigen Millionen. Ob sie andere Lebewesen beherbergen? Das ist fraglich, aber möglich. Gläubige Personen nehmen gerne eine göttliche Instanz an, die ihnen Sinn vermittelt. Roland Buser verzichtet auf solch konkrete Bilder. Er schaut lieber in den Himmel, um selber aktiv daran mitzuwirken, einen Sinn zu suchen und zu schöpfen. Einen Sinn, der uns weder zufällt noch einfach gegeben ist.
Wie alles mit allem verknüpft ist, erörtert Roland Buser in einem weiteren Gespräch mit Denise Battaglia. Er leitet so das siebte Kapitel ein, in dem er auf die Freiheit zurückkommt. Dazu gehören Licht und Schatten. Sorgen bereiten ihm egomanische Tendenzen der Vereinzelung. Sie kennzeichnen unsere Moderne. Wer sich indes vom Sternenhimmel inspirieren lässt, wird genügsamer und besonnener. Wenn sich Menschen bewusst sind, Teil eines grösseren Ganzen zu sein, das sich seit Milliarden von Jahren entwickelt, dann halten sie sich auch eher an ethisch-moralische Auflagen. Roland Buser meint damit einen Imperativ, der eine Freiheit schützt, die allen zugänglich ist. Und diese Freiheit lässt sich nimmer auf Kosten von andern verwirklichen. Sonst ist es keine Freiheit.
Friedliche Lebensformen
Im letzten Gespräch tauscht sich Roland Buser mit der Journalistin Daniela Schwegler über das aus, «Was der Sternenhimmel erzählt». Er kehrt nochmals zu den Anfängen der Geschichte zurück und spinnt den Faden zu aktuellen Wissensbeständen und Wahrscheinlichkeiten, die bewegen und beeindrucken. Roland Buser wünscht sich, dass möglichst viele Menschen an diesen umfassenden Wirklichkeiten teilhaben können. Er selbst leistet einen wesentlichen Beitrag dazu. Im Sinne von Frieden, Freiheit und Liebe. Und im Sinne einer Solidarität mit den Menschen, die nicht aus Angst, sondern aus Freiheit entsteht. Das postuliert Roland Buser in seinem Epilog. Im Anhang folgen dann noch ergänzende Texte, die einzelne Aspekte hervorheben und vertiefen. Zusammen mit weiteren Grafiken.
Bilder und Illustrationen sind für Roland Buser sehr wichtig. Sie veranschaulichen im ganzen Band bedeutende Aussagen. Sie fördern auch den Zugang zu komplexen naturund geisteswissenschaftlichen Überlegungen, die Roland Buser nicht einfach zusammenfügt, sondern eben zusammendenkt. Er vereint Philosophie und Astronomie auf der Grundlage substanziell abgerungenen Wissens. Kommunikativ vermittelt er uns ein Universum, das selbst die Kommunikation verkörpert. Roland Buser plädiert auch dafür, all die vielen Menschen zu bilden. Doch dafür, räumt er ein, müssen alle genügend zu essen haben. Alle sollten die Informationen erhalten, die es ihnen erlauben, über friedliche Lebensformen nachzudenken und sich dafür zu engagieren. Dabei hilft die Kraft der Liebe, neue Daseinsformen zu ermöglichen. So Roland Buser in seinem Buch «Der Mensch im Kosmos» (Verlag des Kantons BL, Liestal 2020, 2. Auflage.), das fasziniert und zum Denken anregt.