Die Schlamm-Twin-Towers
19.07.2019 Baselbiet, Gemeinden, Bauprojekte, Bezirk Sissach, SissachKapazitätserhöhung für die regionale Kläranlage in Sissach
25 Jahre nach der letzten grossen Erneuerung wird die ARA Ergolz 1 in Sissach etappenweise saniert, modernisiert und erweitert. Dafür ist es höchste Zeit: Die Anlage läuft seit Jahren am Anschlag.
Christian ...
Kapazitätserhöhung für die regionale Kläranlage in Sissach
25 Jahre nach der letzten grossen Erneuerung wird die ARA Ergolz 1 in Sissach etappenweise saniert, modernisiert und erweitert. Dafür ist es höchste Zeit: Die Anlage läuft seit Jahren am Anschlag.
Christian Horisberger
Die Kläranlage ARA Ergolz 1 in Sissach wurde von 1990 bis 1994 neu gebaut. Jetzt wird die ursprünglich 1966 erbaute ARA in mehreren Etappen modernisiert und deren Reinigungsleistung erhöht.
«Es ist nicht so, dass das Abwasser heute nicht ordnungsgemäss gereinigt wird», stellt Pascal Hubmann, Leiter des Amts für industrielle Betriebe (AIB), klar. «Doch wir reizen permanent die Reserve aus. Wir laufen auf 150 Prozent.» Bei Extrembedingungen wie starken Regenfällen oder wenn ein Teil der Kläranlage beispielsweise für Wartungsarbeiten ausser Betrieb ist, könnten die vorgeschriebenen Grenzwerte fürs gereinigte Wassers nicht immer eingehalten werden. Der Ausbau schaffe wieder eine Reserve.
Der erste Schritt der Sanierung und Kapazitätserweiterung der Anlage wurde mit der Erneuerung der gesamten Elektrotechnik von 2016 bis 2019 vollzogen. Für die zweite Etappe, den Ausbau der Schlammbehandlung und die Erweiterung um eine Stufe zur Reduktion von Mikroverunreinigungen, hat der Landrat Ende Juni einstimmig einen Kredit über 6,8 Millionen Franken bewilligt; circa 1,6 Millionen davon übernimmt der Bund.
Das Projekt für die Schlammbehandlung sieht keinen Neubau vor, sondern den Umbau eines bestehenden Gebäudes: Neben dem aktiven «Faulturm» auf dem ARA-Gelände befindet sich ein baugleiches, zylinderförmiges Gebäude, das gegenwärtig als Pufferbehälter für den Schlamm dient. Dieses soll nun zu einem zweiten «Faulturm» umgerüstet werden, womit sich die Kapazität zur Schlammvergärung verdoppelt.
Damit kommt es nicht mehr vor, dass bei einer Überlastung der Anlage Klärschlamm ungenügend ausgefault wird. Geschieht dies, erhöhen sich die Kosten für die Schlammentsorgung wegen des grösseren Volumens und es fällt weniger Methan an, was sich negativ auf die Stromproduktion des Blockheizkraftwerks auswirkt (siehe Kasten). Durch die Kapazitätserweiterung ist die ARA Ergolz 1 wieder imstand, vermehrt Fremdschlamm von kleinen Anlagen übernehmen zu können, die über keine eigene Vergärung verfügen. Diese zweite Sanierungsetappe beinhaltet ferner die Modernisierung der Abluftreinigung.
Die Arbeiten sollen kommendes Jahr starten und dauern voraussichtlich anderthalb Jahre. Offen ist, ob der zweite Teil des bewilligten Projekts gleich im Anschluss umgesetzt werden soll oder erst bei der Folge-Etappe: Es handelt sich um eine Stufe zur Reduktion der Mikroverunreinigungen (Medikamente, Pestizide, Röntgenkontrastmittel und so weiter). Der Bund schreibt vor, dass bis spätestens 2040 die grossen ARA – landesweit 100 von 600 Anlagen; im Baselbiet 5 von 26 – entsprechend ausgerüstet sein müssen. In Sissach ist vorgesehen, die Substanzen mit Aktivkohle auszufiltern. In Tests des AIB habe sich diese Variante gegen eine Behandlung mit Ozon durchgesetzt, sagt Hubmann.
Als dritte Etappe wird voraussichtlich 2023 die biologische Stufe erweitert. Die Planer des AIB treffen gegenwärtig die Vorabklärungen für diese dritte Ausbauetappe. Eine knifflige Aufgabe, sagt Projektleiter Sven Bittscheidt. Denn die Platzverhältnisse in Sissach sind prekär. Das lang gezogene ARA-Gelände mit einer Fläche von 23 000 Quadratmetern (entspricht vier Fussballfeldern) stösst auf der einen Seite an die Ergolz und auf der anderen an die Schnellstrasse A22. Eine Ausdehnung des Areals ist somit keine Option. Eine Erweiterung in die Höhe werde durch eine Strassenbrücke erschwert. Zwei Varianten würden derzeit einer eingehenden Prüfung unterzogen.
Wärme und Strom aus Fäkalien
ch. Der beim Klärprozess anfallende Schlamm wird während 20 Tagen bei Temperaturen um die 37 Grad vergoren. Das dabei entstehende Methangas wird in einem Blockheizkraftwerk auf dem Betriebsgelände in Wärme und Strom umgewandelt, die für den Betrieb der Anlage genutzt werden. Während der Schlammvergärung werden die organischen Substanzen abgebaut, wobei der Gestank abnimmt. Das Schlammvolumen verringert sich im Prozess um rund 30 Prozent. Der vergorene und weiter entwässerte Schlamm wird mit Lastwagen zur Kehrichtverbrennungsanlage in Basel gebracht. Seit 2003 darf das Material nicht mehr in der Landwirtschaft zur Düngung eingesetzt werden.